21.09.20 – Verbundwerkstoff

Flügel, die sich verformen

Leise, sicher und energiesparend soll der Luftverkehr von morgen sein. Mit der „Morphing Leading Edge“ kommt das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit diesem Ziel ein Stück näher: Die verformbare Flügelvorderkante passt sich aktuellen aerodynamischen Anforderungen an.

Morphing-Leading-Edge.jpg

Für den leisen, sicheren und energiesparenden Luftverkehr von morgen: Entwurf der „Morphing Leading Edge“ des Fraunhofer LBF. © Fraunhofer LBF

 

Im Langsamflug erhöht die Morphing Leading Edge (MLE) die Wölbung des Flügels und damit seinen Auftrieb, ohne dass sich – wie bei klassischen Hochauftriebshilfen – Umströmungslärm und Luftwiderstand erzeugende Spalten öffnen. Entwickelt hat das Fraunhofer LBF das digitale System der Flügelvorderkante in Kooperation mit weiteren Fraunhofer-Instituten sowie dem Industriepartner Airbus DS im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „Clean Sky 2“.

Um die hohen Ansprüche an eine zukunftsfähige Luftfahrt zu erfüllen, sind unterschiedliche Probleme zu lösen. Die Wissenschaftler des Fraunhofer LBF und ihre Kooperationspartner stellten sich daher Fragen wie: Welches Material ermöglicht die erforderliche Formflexibilität über den gesamten relevanten Temperaturbereich? Wie lassen sich die erforderlichen Kräfte zur Verformung des Bauteils erreichen, ohne dass es zu schwer ist und zu viel Bauraum verbraucht? Welche Redundanzkonzepte sind erforderlich, um die für den Luftverkehr erforderliche Sicherheit zu gewährleisten?

„Die Antworten aus dem Forschungsprojekt ergaben den Vorschlag für eine konstruktive Lösung, die die unterschiedlichen Anforderungen bestmöglich erfüllen soll. Wir planen bei einer Fortsetzung des Projektes, das bisher digital entwickelte System der Morphing Leading Edge auch in Hardware zu verbauen und ihre Funktionsfähigkeit zu demonstrieren“, so Dr. Volker Landersheim, der das Forschungsprojekt am Fraunhofer LBF betreute.

Verbundwerkstoff löst Zielkonflikte

Zwischen der hohen Steifigkeit, die die Hautstruktur der Morphing Leading Edge benötigt, um die hohen Luftlasten aufzunehmen, und der hohen Verformbarkeit, die für die Aufgabe notwendig ist, besteht ein Zielkonflikt. Diesen lösten die Forscher aus Darmstadt mit der Wahl eines Verbundwerkstoffs auf Kohlefaserbasis, der auch unter Leichtbaugesichtspunkten viele Vorteile bietet. Die Dicke und der innere Aufbau des Laminats variieren lokal. Der Aufbau der Hautstruktur wird so maßgeschneidert, dass an jedem Ort die benötigten Steifigkeits- und Festigkeitseigenschaften vorliegen. Die Tauglichkeit des Materials für die erforderliche Lebensdauer wiesen die Forschenden auch in Werkstoffversuchen nach. Eigenspannungen, die durch thermische Schrumpfung beziehungsweise Ausdehnung entstehen können, analysierten sie numerisch und lösten sie konstruktiv durch Materialkombinationen. Zudem integrierte das Wissenschaftlerteam ein CNT-basiertes Enteisungssystem und eine lasergestützte Formüberwachung in das System.

Redundanz sorgt für Zuverlässigkeit

In der Luftfahrt herrscht der Trend zum „more electric Aircraft“, wonach der Einsatz energieintensiver Hydraulik möglichst vermieden werden soll. Für die Aktuierung der Morphing Leading Edge fiel daher die Wahl auf elektromechanische Aktoren. Um die Zuverlässigkeit des Systems zu gewährleisten, entschieden sich die Forscher am LBF für ein serielles Redundanzkonzept, das auch beim Ausfall eines Aktors die vollständige Funktionalität der MLE gewährleisten kann und eine Überlastung der Struktur durch eine fehlerhafte, gegensätzliche Ansteuerung der beiden Aktoren sicher vermeidet. Auch weitere mögliche Fehlerfälle wurden im Hinblick auf ihre Folgen analysiert, um Risiken für den sicheren Flugbetrieb zu minimieren. Über numerische Analysen ermittelten die Wissenschaftler die zu erwartenden Bauteilbelastungen durch Luftlasten und die Steifigkeit der Haut und legten die erforderlichen Kraftübertragungselemente unter Berücksichtigung der hohen Leichtbauanforderungen betriebsfest aus.

Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit

Bartningstraße 47

64289 Darmstadt

Tel.: +49 6151 705268

info@lbf.fraunhofer.de

www.lbf.fraunhofer.de

Airbus Defence and Space Ottobrunn

Willy-Messerschmitt-Straße 1

82024 Taufkirchen

Tel.: +49 89 6070

www.airbus.com