01.11.21 – Coherent Beam Combining
Flexibler Faserlaser für die flinke Fertigung
Laserexperten aus Sachsen und Israel erproben derzeit gemeinsam am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik in Dresden einen neuartigen Laser für den Industrieeinsatz. Das System basiert auf der für Hochleistungslaser noch jungen Methode des „Coherent Beam Combining“ (CBC).
Der 13-kW-Laser kann im laufenden Betrieb sehr schnell verschiedene Energieverteilungsmuster erzeugen und dadurch selbst anspruchsvolle Hightech-Materialien rasch und präzise und bearbeiten. Die Fraunhofer-Forscher wollen die Lasertechnik aus Israel demnächst auch weltweit Unternehmen zur Verfügung stellen. Innerhalb eines europäischen Netzwerkprojekts untersucht das Fraunhofer IWS bereits mit dem Laserhersteller Civan Lasers und A. Kotliar Laser Welding Solutions die um ein Tausendfaches beschleunigte Strahlformung erstmals für das Additive Manufacturing.
Mit dem Laser „Dynamic Beam“ aus Jerusalem, der inzwischen im Fraunhofer IWS in Dresden installiert wurde, ist das Institut die weltweit erste Forschungseinrichtung, die eine solche Laserlösung im Einsatz hat. Gemeinsam mit dem Kooperationspartner Civan Lasers erhoffen sich die Forscher von der Erprobung nicht zuletzt neue Anwendungsszenarien. „Dieser Laser wird die Grenzen der Materialbearbeitung, zum Beispiel in der Medizintechnik sowie der Luft- und Raumfahrt, weiter hinausschieben“, prognostiziert Dr. Andreas Wetzig, der am Fraunhofer IWS das Technologiefeld Trennen und Fügen leitet. Er verweist dabei auf das sächsisch-israelische Forschungssprojekt „Shapeam“ im Rahmen des europäischen Netzwerkprogramms „M-era.Net“, in dem der neue Laser eine zentrale Rolle spielen wird und das im Juli 2021 gestartet wurde.
Tausendmal schneller
Im Einsatz ist dabei das Coherent Beam Combining, was sich mit „kohärente Strahlkombination“ übersetzen lässt. Denn der Dynamic-Beam-Faserlaser vom israelischen Unternehmen Civan Advanced Technologies kombiniert Dutzende Einzelstrahlen zu einem leistungsstarken Laserstrahl mit hoher Qualität. Durch kleine Phasenverschiebungen der Wellentäler und -berge in den Teilstrahlen kann der Laser rasch verschiedene Energieverteilungsmuster im resultierenden Bearbeitungslaserstrahl erzeugen: Während ein klassischer Laser die meiste Energie in der Strahlmitte freisetzt, kann das System aus Israel auf den Werkstücken beispielsweise Energiemuster in Form eines Rings, einer Acht oder eines Hufeisens erzeugen. Prinzipiell war dies auch früher schon mit strahlablenkenden Optiken oder schnell schwingenden Spiegeln möglich, doch selbst die schnellsten Schwingspiegel brauchen noch Millisekunden, um die Energiemuster im Strahl neu auszurichten. Der Dynamic Beam Faserlaser schafft das dagegen in Mikrosekunden.
Diese Geschwindigkeit macht es erstmals möglich, die dynamische Strahlformung für die additive Fertigung von Metallen einzusetzen. Im Rahmen von Shapeam testen die Forscher das neue Civan-System, um verbesserte Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Konkret geht es um die additive Fertigung von Titan- und Aluminiumlegierungen, die für Raumfahrtbauteile, Implantate und Leichtbaukomponenten in der Mobilität gebraucht werden. Dabei wollen die Partner die dynamische Strahlformung einsetzen, um Defekte zu eliminieren und somit eine höhere Qualität der 3D-Druckergebnisse zu erzielen.
Dr. Eyal Shekel, CEO von Civan, freut sich auf das Projekt: „Shapeam macht es uns möglich, die Vorteile des Dynamic-Beam-Shapings in der additiven Fertigung von Metallen zu explorieren.“ Dr. Elena Lopez, Abteilungsleiterin Additive Fertigung am Fraunhofer IWS, fügt hinzu: „Wir planen, neuartige Strahlformen und Steuerungsfrequenzen zu verwenden, die mit anderen Methoden nicht erreichbar sind, um die Herausforderungen bei rissempfindlichen Materialien zu überwinden.“
Reger Austausch zwischen Dresden und Jerusalem
Aus dem gemeinsamen Projekt soll sich ein fruchtbarer wissenschaftlicher und personeller Austausch zwischen Israel und Sachsen entwickeln: Das Fraunhofer IWS wird die Testergebnisse nach Jerusalem weiterleiten. Angedacht ist auch, zeitweise Austauschwissenschaftler nach Israel zu entsenden. Umgekehrt werden die Civan-Experten voraussichtlich im Laserlabor in Dresden eigene Versuche durchführen. Die Tests am Dresdner Institut sollen die Möglichkeiten und Grenzen des Dynamic-Beam-Lasers ermitteln. Vorgesehen sind zunächst Basisversuche mit verschiedenen Strahlprofilen, Werkstoffen und Verfahren. Dann testen die Forscher konkrete Anwendungen aus, beispielsweise wie gut das System diverse Werkstücke aus sonst schwer bearbeitbaren Werkstoffen und Werkstoffverbünden trennen, fügen oder additiv fertigen kann.
Schon absehbar ist, dass sich mit dem neuen Laser die Schmelzbaddynamik bei vielen additiven und Fügeprozessen schneller und präziser steuern lässt – und dies nicht nur in der Fläche, sondern auch in der Tiefe. Auch beim Laserschneiden verspricht sich das Fraunhofer IWS Vorteile in Hinblick auf gratfreie Schnitte bei hoher Kantenqualität – bei doppeltem Arbeitstempo im Vergleich zu herkömmlichen Faserlasern. Ob der neue Laser diese Erwartungen auch in der Praxis erfüllt, wird sich in der Erprobungsphase in Dresden zeigen. Die Qualitäts- und Geschwindigkeitsvorteile, die sich bereits abzeichnen, machen die Technik jedenfalls für den Einsatz in der metallverarbeitenden Industrie, der Medizintechnik und Elektromobilität sowie in der Luft- und Raumfahrtindustrie hochinteressant.
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