16.01.23 – 3D-Druck in der Additiven Fertigung

Sogar Tiny Houses können ausgedruckt werden

Der Einsatz von Industrierobotern bietet für die Additive Fertigung (AF) zusätzliche Einsatzmöglichkeiten, u.a. sind nun räumliche Freiformgeometrien in größerem Maßstab ohne Stützstrukturen möglich. Das 9. Praxisforum 3D-Druck an der Hochschule Landshut Ende des Jahres bot Einblicke in die innovativen AF-Verfahren, an denen aktuell geforscht wird.

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Ein per Industrieroboter im 3D-Druck gefertigtes Greiferbauteil, entstanden im Leichtbau- und Technologiezentrum der BMW Group Werk Landshut. © BMW Group

 
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Softwaregesteuerte optimierte Bahnplanung eines mit IR gefertigten Bauteils. © Hans Weber Maschinenfabrik, Design: Martin Haseney

 

Grundsätzlich sei der Robotereinsatz in der Additiven Fertigung nicht neu, da erste Veröffentlichungen ins Jahr 2016 zurückreichen, doch komme die Technologie erst jetzt langsam in der Industrie an, erläuterte Prof. Dr. Babel vor Ort. Herkömmliche AF-Systeme seien sehr kostengünstig, der Druck erfordere aber häufig Stützstrukturen, die teilweise kostenaufwendig entfernt werden müssen und eine Nachbearbeitung nötig machten. Mit dem Einsatz von Industrierobotern (IR), meist 6-8-achsige Systeme, die räumliche Freiformgeometrien ohne Stützstrukturen ermöglichen, würden Kosten, Zeit und Material gespart. Gedruckt werden können unterschiedliche, z.B. auch faserverstärkte Materialien, dies in Kraftflussrichtung, wodurch die Stabilität zusätzlich gesteigert wird.

Das Potenzial sei enorm, dies gerade auch durch die Kombination von additiven und subtraktiven Werkzeugen sowie die Verwendung von automatischen Greiferwechselsystemen, welche zusätzliche Montageoperationen und die Entwicklung von flexiblen Fertigungszelle ermöglichen. Die Zahl der Anwendungsbeispiele sei groß und reiche von der Architektur, z.B. gedruckte Tiny-Häuser und Brücken, bis hin zum Druck eines großformatigen Weinfasses (Ø 2,5 x 2.6 m, 300 kg) aus Metall mit Hilfe des WAAM-Verfahrens. Als Herausforderung sieht Prof. Dr. Babel momentan die zu programmierenden Algorithmen, die die automatische Generierung der Drucker-Bahnen vornehmen und die auch bei den vielachsigen Industrierobotersystemen aus mehreren IRs zusammen mit Schwenkkipptischen keine Singularitäten und keine Kollisionen erzeugen dürfen.

Einsatz von Direktextrusionsanlagen

Mit Anwendungen der robotischen Direktextrusion befassten sich Ann-Kathrin Mahr (Hans Weber Maschinenfabrik GmbH, Kronach) in einem Vortrag, bevor Franz Maidl (Leichtbau- und Technologiezentrum BMW Group Werk Landshut) aktuelle Anwendungsfelder für diese Technologie und deren Umsetzung bei der BMW-Group skizzierte. Die Hans Weber Maschinenfabrik entwirft und fertigt Direktextrusionsanlagen unter anderem auch für Industrieroboter, die Automatisierung-, Robotertechnik und künstliche Intelligenz verbinden und die Vorteile des 3D-Drucks nutzen, erläuterte Ann-Kathrin Mahr. Es werde auch beim Spritzguss verwendetes Kunststoffgranulat aufgeschmolzen, auch recycelte Materialien könnten verwendet und mit unterschiedlichen Extrudern verschiedene Ausstoßleistungen von bis zu 20 kg/h realisiert werden.

Das im Vordergrund stehende Ziel laute, schon bei der Konstruktion die Bahnplanung gut wie möglich zu berücksichtigen, um den Druck dann softwareunterstützt optimiert durchführen zu können. Die Temperaturführung stelle bei großen Bauräumen allerdings eine Herausforderung dar. Zusätzlich verursachen manche Rezyklate gegenüber üblichem Granulat Probleme. Eine integrierte Schmelzpumpe und verbesserte Beheizungsmöglichkeiten im System könnten aber Abhilfe leisten.

Einen Blick aus der Praxis warf Franz Maidl auf die robotische Direktextrusion. Auch er sieht hohes Potenzial für diese Technologie, die sich durch eine hohe Austragsleistung bei niedrigen Investitions- und Materialkosten auszeichne. Gegenüber dem Spritzguss könne die Additive Fertigung bis zu einigen tausend Einheiten pro Jahr wesentlich effizienter und kostengünstiger sein, da die Werkzeugkosten und Entwicklungszeiten entfallen. Durch die Verwendung von Granulat seien die Materialkosten auch um ein Vielfaches niedriger als beispielsweise bei der Verwendung von Material in Filamentform. Es könnten so komplexe Bauteilgeometrien im 3D-Freiform-Druck realisiert werden, die mit klassischen Herstellverfahren nicht möglich seien. Auch multiplanare Ansätze könnten realisiert und dabei sogar das Material während eines Baujobs gewechselt werden. Durch einen Dreh-Kipp-Tisch sei man zusätzlich in der Lage, unterschiedliche Orientierungen oder Winkel beim Faserverbund abzulegen. Auch könne man in einer Zelle additiv und subtraktiv, entweder mit zwei IRs oder durch Werkzeugwechsel arbeiten. Zum Abschluss präsentierte er einige BMW-Praxisbeispiele für die robotische Direktextrusion: Gedruckt wurden beispielsweise Greifervorrichtungen für Roboter bei der Herstellung von CFK Dächern für einen BMW X7, die in der Lage sind, das ca. zwei m² große Bauteil zu händeln.

Kaltgasspritzen – Routinen für Volumenbauteile entwickeln

Mit der additiven Fertigung von Multimaterialbauteilen mittels robotergeführtem Hochdruck-Kaltgasspritzen befasste sich Ismail Ünsal (Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV, Augsburg). Beim Kaltgasspritzen werden Pulverpartikel in einem hochverdichteten Prozessgas über eine Düse entspannt, dabei werden diese auf Überschallgeschwindigkeit in Richtung der Bauplattform beschleunigt. Beim Aufprall der Partikel auf die Bauplattform werden diese plastisch, ohne aufzuschmelzen, so stark verformt, dass sie eine dichte Schicht bilden. Das Verfahren habe großes Potenzial, wie Ünsal betont, Schwerpunkt seien metallische Werkstoffe, wobei auch verschiedene Werkstoffe aufeinanderfolgend oder auch gleichzeitig zu Multimaterialbauteilen aufgetragen werden können. Dabei kann die Flexibilität der Roboter genutzt werden, um auch unterschiedliche Verfahren zu kombinieren. So könne z.B. ein Bauteil gefräst, ein Sensor eingelegt und über AM/Roboter ein mit Kupferlegierung überbauter Sensor erzeugt werden.

Das Verfahren biete sehr schöne Materialübergänge, im Prozess können unterschiedlich Materialpulvermischungen zugeführt und auch nicht verschweißbare Materialien vermischt werden. Dies z.B., um einen guten Spannungsverlauf oder eine gute Leitfähigkeit hinzubekommen. Das Ziel laute, das Verfahren, das aus der Beschichtung komme auch für Volumenbauteile weiter zu entwickeln. Aktuell betrachte man die Hürden bei der Reproduzierbarkeit von Multimaterialbauteilen, noch gäbe es Abweichungen. Das Verfahrensprinzip stelle besondere Anforderungen an die Bahnplanung, da Materialien nicht aufschmelzen und es zu Verjüngungen komme. Eine Lösung erfordere je nach Geometrie und Material sehr komplexe Anpassungen, die für den Einsatz in der Praxis noch ein Problem darstellen. Hier sollen entsprechende Routinen entwickelt und mit Softwareherstellern Lösungen etabliert werden, um eine effiziente Fertigung ermöglichen zu können.

Automatisierter WAM-Prozess vorgestellt

Mit dem automatisierten Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM) – von der Simulation bis zum sensorgestützten Prozess – befassten sich Matthias Hartmann und Martin Schnall vom Leichtmetallkompetenz Zentrum Ranshofen (LKR, zugehörig zum AIT Austrian Institute of Technology, Braunau). WAAM sei ein drahtbasiertes Verfahren bei dem Metall mittels Lichtbogentechnologie, ähnlich dem MAG oder MIG-Schweißen, lagenweise verschweißt und das Bauteil so additiv aufgebaut wird. Es sei sehr einfach und günstig mit wenigen Sicherheitsvorkehrungen einzusetzen sei, wobei auch sehr große Bauteile hergestellt werden können, erläuterte Hartmann. Dabei werde 100 Prozent des Drahtes verarbeitet und es entstünden keine Überschüsse, wodurch Material- und Produktionskosten gespart würden. Es können verschiedene Drähte verschweißt werden. In der Praxis stelle sich die Frage, welche Schweißenergie bzw. Temperatur beim WAAM-Prozess verwendet werden muss, um optimale Ergebnisse zu erhalten. Der Prozess sei sehr schwierig zu kalibrieren. Um Temperaturen, Wärmequellen und den Schweißvorgang simulieren zu können, habe man aufwändige Versuche durchgeführt, um so auch Eigenspannungen, Heißrisse etc. verhindern zu können.

Zwar würden sich existierende Software-Programme mit dem Thema auseinandersetzen. Doch biete eine Eigenentwicklung auf Basis von LS-Dyna immer noch die größte Flexibilität. Martin Schnall erläuterte den Prozess und die Sensorik für eine automatisierte Roboterlösung. Um den WAAM-Prozess simulieren zu können, habe man die Anlage erst mit der nötigen Sensorik ausstatten müssen. Eingesetzt werden spezielle Kameras, akustische Systeme sowie Laser und Ultraschall. Viele Parameter wie Temperatur, Position, Zeit usw. laufen in einer Dokumentationseinheit zusammen, werden teilweise in Echtzeit zurückgespielt und fließen dann wieder in die Simulation bzw. Produktion ein. Der Prozess müsse jedoch noch weiterentwickelt werden, um eine bessere Qualität zu erreichen und über einen „digitale Schatten“ (Datensammlung über Bauteile), nach Erzeugung des Bauteils, weitere Optimierungen vornehmen zu können.

Simulation der Bahnplanung komplex

Die Werkzeugwege bei 3D-Druck mit Industrierobotern – auch mit Endlosfasern - zu optimieren, hat sich Andreas Reitz (CAD/CAM Systeme Datentechnik Reitz GmbH & Co. KG, Breidenstein) zur Aufgabe gemacht, der online zugeschaltet war. Die hierzu notwendigen Berechnungen der Werkzeugwege seien deutlich komplexer als beim gewöhnlichen 3D-Druck, betonte Reitz, insbesondere wenn die Software ein non-planares Drucken ermöglichen soll. Er stellte Beispiele mit der Software P3D vor, welche Konturen in verschiedene Schichten aufteilt, Kollisionen so gut wie möglich vermeidet und beim 8-achsen-Druck auch das Drehen und Neigen des Tisches berücksichtigen kann. Auch der Druck auf vorab hergestellte Freiformoberflächen sei möglich. Bei der Endlosfaserverlegung wird per Algorithmus versucht, Unterbrechungen und Überschneidungen zu vermeiden, dies funktioniere aber nicht bei jeder Bauteilgeometrie.

Information

Das Institut für Transfer und Zusammenarbeit (ITZ) dient als zentraler Ansprechpartner für gemeinsame Aktivitäten im Rahmen des Technologietransfers der Hochschule Landshut. Insbesondere Technologie orientierte Unternehmen können durch die Zusammenarbeit mit der Hochschule durch neueste wissenschaftliche Kenntnisse mit hohem Praxiswissen und Anwendungsbezug profitieren. Die drei Kompetenznetzwerke der Hochschule Landshut fördern den Kontakt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und erleichtern es, Wissen und Know-how auszutauschen: Leichtbau-Cluster, Cluster Mikrosystemtechnik, Netzwerk Medizintechnik.

Vom 1. bis zum 2. März findet das nächste Landshuter Leichtbau-Colloqium statt.

www.haw-landshut.de