29.10.20 – Neues Laboratorium am LBF

Bauteilbeanspruchungen realitätsnah simulieren

Die additive Fertigung stößt in vielen Bereichen des Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbaus auf stetig wachsendes Interesse. Um die Zuverlässigkeit derart gefertigter Bauteile besser steuern zu können, hat das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit ein neues Laboratorium eingerichtet.

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Um die Zuverlässigkeit additiv gefertigter Bauteile besser steuern zu können, hat das Fraunhofer LBF die „AM Fatigue Labs“ eingerichtet. © Fraunhofer LBF/Raapke

 
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In den AM Fatigue Labs entwickelt das LBF Methoden, um mit moderner Analysetechnik die Beanspruchungen additiv gefertigter Bauteile zu simulieren und daraus Bemessungsempfehlungen für die zuverlässige Bauteilgestaltung abzuleiten. © Fraunhofer LBF/Raapke

 

In diesen „AM Fatigue Labs“ werden Methoden entwickelt, die Beanspruchungen für additiv gefertigte Bauteile simulieren, die wiederum als Grundlage für Bemessungsempfehlungen dienen. Mit den realitätsnahen Simulationen lassen sich zutreffende Bemessungskennwerte zur Auslegung solcher Bauteile ermitteln. Sie gewährleisten außerdem eine verlässliche Designvalidierung, indem sie den Einfluss sämtlicher relevanter Prozessparameter, der Betriebsbeanspruchungen sowie – je nach Anwendungsfall – Umwelteinflüsse berücksichtigen. Dabei steigern eigens entwickelte Belastungssimulatoren die Präzision und Reproduzierbarkeit der Messungen. Dies ermöglicht einen Einblick in das zyklische Werkstoff- und Bauteilverhalten, der mit klassischen Prüfmethoden kaum gelingt.

Um die Vorteile der additiven Fertigung im Sinne des Leichtbaus auch für sicherheitsrelevante Komponenten erschließen zu können, sind zahlreiche Herausforderungen im Wechselfeld von Bauteilgeometrie, Fertigung, Betriebsbeanspruchungen und Umwelteinflüssen zu meistern. Abhängig unter anderem von der Bauteilgeometrie, der Belichtungsstrategie und dem verwendeten Werkstoff, lassen sich nahezu beliebige Eigenschaftsgradienten im Bauteil einstellen. Diese können jedoch auch dazu führen, dass geometrisch identische Bauteile unter gleicher Belastung deutlich unterschiedliches Betriebsverhalten und schließlich Lebensdauern haben.

Lokale Phänomene treiben Bauteilermüdung

Der Erkenntnis, dass die Ermüdung von Bauteilen durch lokale Phänomene getrieben wird, kommt vor allem bei additiv gefertigten Komponenten eine gesteigerte Bedeutung zu. „Die neuen Freiheitsgrade bei der Bauteilentwicklung erfordern ein neues Bemessungskonzept, um das Potenzial dieser Fertigungstechnologie auch für zyklisch beanspruchte, sicherheitsrelevante Bauteile heben zu können“, hebt Dr. Rainer Wagener hervor, unter dessen Federführung das neue Laboratorium am Fraunhofer LBF errichtet wurde.

Der Herstellungsprozess induziert zum einen geometrische Defekte in Form von Poren, Einschlüssen oder rauen Oberflächen, zum anderen führt die lokal stark begrenzte Erwärmung zur Ausbildung signifikanter Eigenschaftsgradienten. Neben den Parametern der Belichtungsstrategie oder des Prozessgases, die direkt vom Benutzer gesteuert werden können, spielen unter anderem die Baurichtung sowie die Auslegung erforderlicher Stützstrukturen eine erhebliche Rolle bei der Ausbildung der Werkstoffmikrostruktur und somit der lokalen Eigenschaften inklusive Defektverteilung.

Optische Dehnungsmessung bringt neue Erkenntnisse

In den AM Fatigue Labs setzt das Fraunhofer LBF unterschiedliche optische Dehnungssensoren ein, deren Messsignale über die erforderliche Echtzeitfähigkeit verfügen. Auf diese Weise wird eine Dehnungsregelung beispielsweise in versagensrelevanten Bauteilbereichen ermöglicht. Gleichzeitig können die Darmstädter Wissenschaftler aus der lastsynchronen Messung lokaler Dehnungsfelder Informationen über den lokal wirkenden Schädigungsmechanismus ableiten. Diese Informationen lassen sich zur Bauteiloptimierung einsetzen. Darüber hinaus lassen sie sich zur Steigerung der Werkstoffausnutzung durch Berücksichtigung des defektorientierten Werkstoffverhaltens schon in frühen Auslegungsphasen nutzen. „Durch die Ableitung dedizierter Bemessungskonzepte und Untersuchungsmethoden wird dabei für additiv gefertigte Komponenten eine Anwendungssicherheit geschaffen, die mit derzeit verfügbaren Regelwerken, die sich allesamt an klassischen Herstellungstechnologien orientieren, nicht zu erreichen ist“, betont Wagener.

Das Fraunhofer LBF bedankt sich bei dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für die Förderung des Verbundprojektes „Betriebsfestigkeit additiv gefertigter Bauteile – Badgeb“, mit dem ein Teil der AM Fatigue Labs realisiert werden konnte.

Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit
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