20.02.24 – Interview mit Benteler
75 % weniger Emissionen als auf der Hochofenroute!
Ein stählernes Interview zum Jahresstart. Mit von der Partie: Benteler.
Benteler kann man als stillen Riesen bezeichnen. Oder auch als Innovationstreiber, der alles andere als still ist. Er ist Stahlkonzern, Händler, Rohrhersteller, Familienunternehmen, Rohrvergüter, Materialerfinder, weltweiter Arbeitgeber und vieles mehr. Ein Gespräch mit Ralph Mathis, Chief Sales Officer und Thomas Begemann, Director Strategy/Communication & Innovation bei Benteler Steel/Tube über Nachhaltigkeit, Investitionen, neue Materialgüten und Zukunftsmärkte.
BLECH ROHRE PROFILE: CO2-armer Stahl oder Green Steel sind Schlagworte die häufig bemüht werden, um sich einen Nachhaltigkeits-Anstrich zu geben. Wie sieht das bei Benteler aus?
Ralph Mathis:
Lassen wir doch die Fakten sprechen: Je Tonne Stahl, die wir in unserem Elektrostahlwerk am Standort Lingen produzieren, erzeugen wir weniger als 500 kg Kohlendioxid*. Das sind bis zu 75 Prozent geringere Emissionen als in der herkömmlichen Hochofenroute, wo je Tonne Stahl bis zu 1900 kg CO2 anfallen. Diesen niedrigeren CO2-Fußabdruck (Product Carbon Footprint, kurz: PCF) können wir durch ein Umweltgutachten des Zertifizierers GUTcert auch belegen.
BRP: Seit einigen Monaten gibt es die Marke CliMore für nachhaltigere Stähle und Stahlrohrprodukte. Können Sie dieses Produkt etwas beschreiben, wer ist die Zielgruppe, wofür sind diese vorwiegend gemacht?
Thomas Begemann:
CliMore ist kein einzelnes Produkt, sondern umfasst als Marke unser gesamtes Sortiment CO2-reduzierter Stähle und Stahlrohrprodukte. Diese grünen Rohre zeichnen sich durch ihre gewohnt hohe Qualität bei zugleich deutlich geringerem PCF aus, denn unser Elektrostahl wird zu 100 Prozent aus Schrott produziert, zum Teil sogar unter Einsatz von Ökostrom und strombasierten Produktionsmethoden. Und dafür steht auch der Markenname, eine Wortschöpfung aus den englischen Begriffen für ‚Klima‘ und ‚Mehr‘.
Ralph Mathis:
Für unsere Kunden besonders interessant: Sie erfahren für jede Stahlgüte sowie bald auch für jedes einzelne Produkt die Höhe der CO2-Emissionen und erhalten ein entsprechendes PCF-Zertifikat. Nehmen wir zum Beispiel eine Stahlbramme in der Güte P235: Produziert mit grünem Strom liegt der CO2-Footprint 85 Prozent unter dem einer herkömmlich erzeugten. Auch in unserem Rohrwerk in Schloß Neuhaus haben wir die ersten PCF-Zertifizierungen erstellt, und zwar für ein aus CliMore-Stahl hergestelltes Warmrohr sowie ein daraus weiter gefertigtes, kaltgezogenes Präzisionsstahlrohr. Für das Warmrohr liegen die CO2-Einsparungen bei etwa 65 Prozent, für das Kaltrohr sind es rund 60 Prozent.
BRP: Was sind die strategisch-langfristigen Hintergründe für die CliMore-Entscheidung? Welche Positionierung im Markt ist damit verbunden?
Ralph Mathis: Aus unserer Sicht ist die Reduktion von CO2-Emissionen eine absolute Notwendigkeit, einmal aus gesellschaftlicher Perspektive: Wir alle müssen uns dem Klimawandel entgegenstellen. Und dann auch wirtschaftlich: Steigende Abgaben für CO2-Ausstoß werden konventionellen Stahl in absehbarer Zeit so sehr verteuern, dass er seinen Preisvorteil gegenüber dem sogenannten grünen Stahl verliert. Dass wir bereits frühzeitig in die Erzeugung qualitativ hochwertigen Elektrostahls aus Schrott investiert haben und weiter investieren, ist also gleich zweifach zukunftsorientiert. Wir haben früh erkannt, wohin die Reise geht, und dann konsequent danach gehandelt.
Neben dem Preis gibt es einen weiteren wichtigen Treiber für den CO2 reduzierten Stahl: die Nachfrage. Sie wird auch deshalb massiv steigen, weil eingekaufter Stahl einen großen Anteil am CO2-Fußabdruck produzierender Unternehmen hat. Die zunehmende Transparenzpflicht – Stichwort: Nachhaltigkeitsberichterstattung – legt das offen und zwingt zum Handeln. Auf grüneren Stahl zu setzen ist dann naheliegend.
Thomas Begemann:
Hier kommen wir mit unseren zertifizierten CliMore-Produkten ins Spiel: Wir werden zukünftig verifizierte CO2-Emissionen nicht nur für die einzelnen Stahlgüten, sondern für alle unsere Rohrprodukte ausweisen. Damit sind unsere Kunden in der Lage, den CO2-Gehalt der bei uns und unseren Handelspartnern gekauften Vorprodukte in ihre CO2-Bilanzen einfließen zu lassen.
Ralph Mathis:
Das Potenzial dafür ist gewaltig: rund 5-7 Prozent der globalen CO2-Emissionen entstehen in der Stahlproduktion. Entsprechend groß ist der Bedarf an nachhaltigeren Lösungen – wie CliMore. Die Resonanz nach den ersten Monaten bestätigt dies: Wir haben Absichtserklärungen mit mehreren namhaften Kunden geschlossen. Teilweise haben wir auch bereits ausgeliefert, z.B. Hydraulikleitungsrohre für Land- und Baumaschinen...
Das ausführliche Interview lesen Sie in der ersten Ausgabe der UMFORMTECHNIK MASSIV +LEICHTBAU, die am 28. März erscheint.
Das Interview führte UM-Chefredakteur Tilo Michal.
*Anmerkung: Die Ermittlung der CO2-Emissionen für die PCFs umfasst die CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Bereitstellung des fertigen Produktes für den Kunden (Scopes 1, 2, 3.1, 3.3, 3.4 und 3.5; „cradle to gate“).