01.12.22 – Verbindungstechnik

Klein, aber oho

Globale Trends in der Mobilität erfordern mit Blick auf den Ressourcenverbrauch und das Fahrzeuggewicht neue Lösungen. Die allgemein steigenden Lasten wirken sich auf alle Baukomponenten und deren Eigenschaften aus, was im Fall eines Fahrzeugcrashs auch sicherheitsrelevante Folgen haben kann.

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Durch den Einsatz von „Kxtreme“ kann eine Erhöhung der Klemmkraft bei konstanter Abmessung oder eine Reduktion der Abmessung bei konstanter Klemmkraft erreicht werden. © Kamax Automotive

 
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Die Kxtreme bietet Zugfestigkeiten von 1200 bis 1700 MPa und eine ausgezeichnete Duktilität. © Kamax Automotive

 
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Wie aber können Verbindungselemente der Industrie helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen und Entwicklungstrends zu unterstützen? In der Verbindungstechnik bietet das „Kxtreme“-Konzept von Kamax die Möglichkeit, die Vorspannkraft im Vergleich zu einer Schraube der gleichen Geometrie in Güteklasse 10.9 um rund 45 % zu erhöhen. Diese Fähigkeit kann auf zwei Arten genutzt werden: entweder durch Vermeidung der Vergrößerung des Verbindungselements – wo eine höhere Vorspannkraft erforderlich ist – oder zur Verkleinerung, um die Vorspannkraft konstant zu halten. Im zweiten Fall kann der Schraubendurchmesser so verringert werden, dass zum Beispiel eine M10-Schraube der Güteklasse 15.9U eine M12-Schraube der Güteklasse Klasse 10.9 ersetzt.

Das Leichtbaukonzept für ultrahochfeste Verbindungselemente vereint gleichzeitig hohe Zähigkeit und hohe Duktilität. Das besondere an einer Kxtreme-Schraube ist, dass sie gegenüber Schrauben nach DIN ISO 898-1 ein bainitisches Gefüge aufweisen. Diese Eigenschaften werden durch eine gezielte Auswahl von Material und abgestimmten Produktionsprozessen erreicht. Das Resultat: eine sehr niedrige Empfindlichkeit gegen wasserstoffinduzierten Sprödbruch, vergleichbar mit konventionellen 10.9 Schrauben, wie sie heute Stand der Technik in Fahrwerksanwendungen sind. Das bedeutet auch, die Verbindungselemente erreichen eine höhere Klemmkraft bei gleichem Querschnitt. Für ein und denselben Anwendungsfall können dann zum Beispiel entweder weniger Schrauben oder Schrauben mit kleineren Durchmessern verwendet werden. Um sicherzustellen, dass alle Schrauben die gewünschten mechanischen Eigenschaften erfüllen, kommen spezifisch ausgewählte Werkstoffe zum Einsatz. Diese sind für die Kaltumformung geeignet, um beispielsweise hohe Umformgrade ohne Risse bei guten Werkzeugstandzeiten zu ermöglichen. Was bedeutet das nun im Detail?

Vermeidung von Upsizing

Ein Hauptanwendungsgebiet der Kxtreme-Schraube stellt die Bereitstellung höherer Klemmkräfte bei unverändertem Schraubennenndurchmesser dar. Durch die erhöhten Zugfestigkeiten sind Erhöhungen der Vorspannkräfte und damit der übertragbaren Belastungen in entsprechendem Ausmaß möglich. Somit kann eine zusätzliche Gewichtserhöhung der Fahrzeuge, durch Upsizing der Schraubenverbindungen, vermieden werden. Dies schafft wiederum Spielraum und Lösungen für Anwendungen mit begrenztem Bauraum. In Abhängigkeit der Belastungssituation können unterschiedliche Festigkeitsklassen gewählt werden. Für die Nutzung im nicht korrosiven Bereich (etwa im Getriebe) ist zum Beispiel ein Einsatz bis zu einer Festigkeitsklasse von 17.8U möglich. Außerdem können durch die Vermeidung von Upsizing aufwendige Umkonstruktionen vermieden werden, was insbesondere bei der Modelljahrpflege mit gesteigerter Leistung oder erhöhten Fahrzeuggewichten von Bedeutung ist. Zudem erreicht man durch das innovative Schraubenkonzept eine Erhöhung der übertragbaren Schlag-Scher-Beanspruchung im Crashevent. Hier kommen die Schrauben beispielsweise schon zur Anbindung des E-Motor, des Lenkgetriebes oder der Achse am Body regelmäßig zum Einsatz. Zusätzlich kann Gewicht eingespart werden.

Gewichtspotenziale heben

Gemeinsam mit Engineeringspezialisten von EDAG führte Kamax ein Fahrzeugscreening mit dem Ziel durch, Leichtbaupotenziale und -kosten zu identifizieren. Diese Potenziale ergaben sich durch eine reduzierte Schraubenanzahl und ein reduziertes Schraubengewicht. Dazu untersuchte Kamax unter anderem die Domverschraubung am Federbein, den Tragrahmen für Erdgastanks oder die Verschraubungen am Radträger, für die eine neue Auslegung unter Berücksichtigung von Kxtreme-Schrauben durchgeführt wurde. Für alle Verbindungen galt: Die Durchmesser und die Anzahl der Schrauben sollten möglichst sinken – bei gleichbleibender Leistungsfähigkeit der Verbindung.

Aufgrund der höheren Festigkeit von 15.9U konnten kleiner dimensionierte Radschrauben eingesetzt werden – woraus leichtere Schrauben und geringere ungefederte, rotierende Massem resultierten. An der Verbindung der Antriebswelle und der Anbindung des Bremssattels kamen nach dem gleichen Prinzip 55 und 58 g leichtere Schrauben zum Einsatz. An Klemmverbindungen wie dem Kugelzapfen oder dem Federbein war es möglich, die umgebende lokale Geometrie zu verkleinern – und so den Bauraum zu verringern. Leichtbaukopfschrauben („Kxhead“) senkten zusätzlich das Gewicht und damit auch die Kosten des Radträgers.

Den größten Effekt aber hatte die Anbindung des Radlagerflansches. Hier wurden vier Standardschrauben durch drei Kxtreme- Schrauben mit gleicher Klemmkraft ersetzt. Die freiwerdenden Bauräume nutzten die Partner für eine lastpfadgerechte Auslegung. Dafür homogenisierten die Entwickler die Verteilung der Schrauben und richteten sie an den Kraftflüssen aus. Bei identischen Anforderungen entstand so ein neuer Radträger. Die geänderten Anbindungspunkte übernahmen die Ingenieure als Randbedingung in die Topologieoptimierung; die angewendeten Lastfälle beruhten auf ihren Erfahrungswerten. Für die Berechnung nutzten sie die Daten aus 22 Fahrdynamiklastfällen und acht Festigkeitslastfällen. Anschließend konstruierten sie die Geometrie nach den Regeln für Gussbauteile aus und validierten sie in einer FEM-Analyse. Ein Prototyp des Radträgers erbrachte schließlich den Beweis, dass die Verbesserungen direkt in die Praxis umsetzbar sind.

Markante Resultate

Das detaillierte Betrachten und Optimieren der einzelnen Verbindungen summiert das Leichtbaupotenzial auf einen beachtlichen Wert: Allein das Ersetzen konventioneller Verbindungselemente durch ultrahochfeste Elemente senkt das Gewicht des Radträgers um 275 g. Noch größer sind die sekundären Effekte, die sich aus den geänderten Randbedingungen für die Strukturoptimierung ergeben: Hier sparten die Unternehmen 400 g. Insgesamt ist die Baugruppe pro Rad 675 g leichter. Neben dem reinen Leichtbau können sich daraus weitere positive Effekte ergeben, da das Gewicht an ungefederter und teilweise zusätzlich rotierender Masse gespart wird.

Das Konzept spart aber nicht nur Gewicht, sondern im Idealfall auch Geld: Eine Gegenüberstellung der Mehrkosten, der gesparten Materialien und der Montageaufwände zeigt, dass die Vorgehensweise sehr kosteneffizient ist. Dieser Vorteil besteht jedoch nur dann, wenn hochfeste Verbindungselemente schon sehr früh in die Konstruktion einbezogen werden: Mögliche Freiheitsgrade sind dann nutzbar, um signifikant Gewicht zu sparen. Ultrahochfeste Verbindungselemente können künftig also eine wichtige Rolle spielen, um die oft komplexen Leichtbauziele zu erreichen.

Mario Braun, VP Business Development bei Kamax

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