06.06.22 – Additive Fertigung

Pulverströme in die Laserschmelze überwachen

Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik Dresden entwickelt Mess- und Regeltechnik, mit der sich additive Verfahren effektiver als bisher einsetzen lassen, zum Beispiel in hochautomatisierten Fertigungsstrecken. Dazu gehört „Powderscreen“ – ein Pulvermessgerät für das Laserauftragschweißen.

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„Powderscreen“ ermöglicht eine genaue Messung der Pulvermenge, die in einen Laserfokus strömen. © Christoph Wilsnack/Fraunhofer IWS

 
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Konzipiert ist Powderscreen für das Laserauftragschweißen, bei dem Spezialdüsen konzentrierte Ströme aus Metallpulver in den Fokus eines Laserstrahls fördern. © Christoph Wilsnack/Fraunhofer IWS

 
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Additive Fertigungsverfahren spielen im Automobilbau bis hin zur Luft- und Raumfahrt eine wachsende Rolle: Sind komplex geformte Bauteile oder Unikate herzustellen, setzen immer mehr Unternehmen auf den industriellen 3D-Druck. Allerdings können die Einlaufkurven gerade bei Kleinserien noch recht lang und die Ausschussquoten anfangs groß sein.

Das Powderscreen hat das Fraunhofer IWS Dresden vor diesem Hintergrund für das Laserauftragschweißen entwickelt. Bei diesem additiven Fertigungs-, Beschichtungs- und Reparaturverfahren fördern Spezialdüsen konzentrierte Ströme aus Metallpulver genau in den Fokus eines Laserstrahls. Der schmilzt das Pulver auf der Werkstückoberfläche auf, um aus dieser Schmelze komplexe 3D-Strukturen zu erzeugen. Mit dem Pulverstrommessgerät lässt sich künftig genau ausmessen, welche Metalle in welcher Menge in den Laserfokus strömen. Dieser Ansatz kann die Kosten beim pulverbasierten Laserauftragsschweißen senken, die Qualität der erzeugten Bauteile verbessern und den Produktionsprozess exakt wiederholbar gestalten – eine in der Hightech-Industrie besonders wichtige Anforderung.

Wichtiger Schritt zum geregelten Fertigungsprozess

„Bisher bleibt das pulverbasierte Laserauftragschweißen noch immer hinter seinen Möglichkeiten zurück“, schätzt Rico Hemschik ein. Der Ingenieur am Fraunhofer IWS hat Powderscreen entwickelt. „Mit dem Pulverstrommessgerät gehen wir einen großen Schritt hin zu einem effizienteren, geregelten und automatisierten additiven Fertigungsprozess.“ Um dies zu ermöglichen, kombiniert das System moderne Sensorik mit spezieller Software, einem Bildschirm sowie Schnittstellen für die Datenübergabe. Photosensoren zählen hierbei die Partikel im Pulverstrom, die Software berechnet daraus die Fördermengen, der Bildschirm zeigt dem Maschinenführer die aufbereiteten Daten an.

Ein Vorteil der Technologie ist die universelle Einsatzfähigkeit: Powderscreen lässt sich an jeden Prozesskopf für das Pulverlaserauftragschweißen montieren. Ein Anwendungsbeispiel, in dem Powderscreen seine Stärken besonders gut ausspielt, ist hierzu die Düse „Coaxquattro“. Der Prozesskopf wurde am Fraunhofer IWS entwickelt, um bis zu acht verschiedene Pulver oder Drähte in getrennten Kanälen in den Laserfokus zu fördern und dort In-situ-Legierungen zu erzeugen. Indem Coaxquattro pro Kanal bis zu 30 g/s unterstützt, lassen sich erhebliche Pulverraten erzielen. Aufgrund der großen Fördermengen eignet sich die Kombination aus Coaxquattro und Powderscreen besonders für Hochleistungsprozesse, in denen große und komplexe Bauteile mit hoher Qualität, Reproduzierbarkeit und Geschwindigkeit erzeugt, beschichtet oder repariert werden müssen.

Powderscreen lässt sich aber auch mit weiteren Prozessüberwachungssystemen kombinieren, die das Fraunhofer IWS entwickelt hat. Dazu gehören unter anderem die „Emaqs“-Kamera für die Prozessregelung, die Sensorikbox „Coaxjay“ oder das Messsystem „LIsec“ für die Pulverkegelgeometrie. Über seine Schnittstellen lässt sich Powderscreen mit diesen Geräten in Industrieumgebungen oder Lösungen für das IIoT integrieren. Möglich ist etwa eine Datenausgabe über eine Spannungsschnittstelle, das IIoT-Protokoll „Message Queuing Telemetry Transport“ oder per Software.

Automatisch digitale Zwillinge generieren

Solche kombinierten Prozessüberwachungssysteme sollen künftig auch selbstständig digitale Zwillinge von additiv erzeugten Bauteilen generieren. Denn die Informationen, an welcher Stelle der Laser welches Pulver in welcher Menge aufgeschmolzen, legiert und geformt hat, lassen sich auch automatisiert zu einem virtuellen Computermodell zusammenführen. Mit herkömmlichen Methoden wäre es schwer bis unmöglich, solche lokalen Legierungsveränderungen in einem Bauteil exakt zu modellieren.

Große Einsatzpotenziale für Powderscreen sehen die Forschenden am Fraunhofer IWS unter anderem in der Luft- und Raumfahrt. Dort lässt sich das System zum Beispiel einsetzen, um kompliziert geformte Turbinenschaufeln mit additiven Verfahren in gleichbleibend hoher Qualität zu reproduzieren und zu reparieren. Ähnliches gilt für Prägewerkzeuge im Automobilbau oder die Prototypenfertigung quer durch nahezu alle Industriebranchen.

Wenn Maschinenführer in Zukunft pulverbasierte Laserauftragsschweißanlagen nicht mehr „freihändig“ mit vielen Versuchen einrichten müssen, sondern auf der Basis exakt erfasster, wiederholbarer Prozessparameter, liegen die Vorteile auf der Hand: Die Einlaufkurve verkürzt sich, die Ausschussquote zu Beginn einer Kleinserie sinkt. Zudem werden die Prozesse effizienter und in hoher Qualität reproduzierbar. Nicht zuletzt lassen sie sich künftig automatisiert dokumentieren – was wiederum wichtig für spätere Garantiefälle sein kann.

Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik
Winterbergstraße 28
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