11.10.23 – SGGT Hydraulik

Automatisiertes hydraulisches Entzundern in der Schmiede

Die weitestgehend automatisierte, aufeinander abgestimmte Interaktion aller Förderkomponenten reduziert Temperaturverluste und steigert die Produktivität.

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Ein Schmiedeteil verlässt eine Microline Descaling Anlage MD 7500. © SGGT

 
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Der Transfer der Knüppel vom Induktor zur Entzunderung ist Bestandteil einer neuen Microline-Anlage. © SGGT

 
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Das hydraulische Entzundern von Schmiedeteilen hat sich in der Schmiedeindustrie fest etabliert. In neuen, kürzlich in Betrieb genommenen Anlagen bezieht SGGT jetzt das gesamte Handling von der Übernahme der Teile aus der Erwärmung bis zur Weiterleitung an die weiterführenden Anlagen in den Prozess ein.

Höher- oder mikrolegierte Stähle sowie Extrusionsprozesse gewinnen bei der Herstellung hochwertiger Schmiedeteile immer weiter an Bedeutung. Für traditionelle Entzunderungsverfahren wie zum Beispiel das Stauchen oder das Anblasen mit Druckluft stellen sie jedoch eine Herausforderung dar. Deshalb setzt sich die hydraulische Entzunderung beim Schmieden mehr und mehr durch. Sie führt in der Produktion durch sichere Abläufe, längere Nutzungsdauer von Werkzeugen und kürzere Stillstandszeiten zu insgesamt höherer Produktivität. Besonders bei hochwertigen Sichtteilen sind die sauberen, von Zundernarben freien Oberflächen ein wichtiges optisches Qualitätsmerkmal.

Als erster Hersteller von Entzunderungsanlagen für Schmieden hatte SGGT 1996 die ersten Systeme speziell für Schmiedeteile mit einem Gewicht von mehr als 50 kg auf dem Markt gebracht. Heute sind vollautomatisch arbeitende Systeme in vielen Werken im Einsatz. Das Spektrum der Anwendungen ist breit gefächert: Es reicht von kleinen Werkstücken mit einem Gewicht von 0,5 kg bis zu mehreren Tonnen schweren Schmiedeteilen. Viele werden für die Automotive-Industrie hergestellt, etwa LKW-Vorderachsen oder Kurbelwellen für große Motoren. Auch Achsen, Räder und Radreifen für Schienenfahrzeuge sowie große Ventilkörper für die Erdöl- und Gasindustrie werden mit Systemen von SGGT entzundert.

Handling im Takt

Um den Entzunderungsprozess exakt auf die vor- und nachgelagerten Prozessschritte abzustimmen, integriert SGGT heute auch das Teilehandling in den Entzunderungsprozess. Es beginnt bei der Teilezuführung oder der Entnahme aus der Erwärmung und geht über den horizontalen oder vertikalen Transport mit Ketten-, Mitnehmer- oder auch Zwangsförderern bis hin zur Übergabe an die Presse. Diese Lösung aus einer Hand gewährleistet sichere funktionelle Abläufe und harmonisch abgestimmte Übergänge zwischen den einzelnen Aggregaten. Außerdem brauchen durch Einsatz moderner Automatisierungstechnik nur wenige Schnittstellen zu externen Systemen koordiniert zu werden. SGGT konfiguriert jede der integrierten Anlagen so, dass sie im Takt der Erwärmung und der Umformaggregate arbeitet und der vorgegebene Schmiedeplan für jedes einzelne Teil exakt eingehalten wird. Die eigentliche Entzunderungsmaschine liefert SGGT generell schlüsselfertig einschließlich der Druckerzeugung, des Zunderwäschers und der Wasserkreislaufsysteme.

Bei Konzeption und Dimensionierung der Anlagen nutzt SGGT ein selbst entwickeltes Baukastensystem mit bewährten Modulen und die Erfahrung aus vielen Anlagen, um prozessrelevante Parameter wie Druck und Wassermenge, aber vor allem auch die Geometrie und Anordnung der Düsen festzulegen und so ein optimales Entzunderungsergebnis sicherzustellen. Dabei passen die Konstrukteure die Anlage individuell an die Gegebenheiten der Schmiedelinie und der produzierten Teile an. Neben den Abmessungen beziehen sie wichtige Ausgangsparameter wie Legierungen des Vormaterials, Taktzeiten, Art der Erwärmung, Umgebungsbedingungen, vorhandene Handlingeinrichtungen und das Layout der gesamten Anlage ein. Optional integriert SGGT auch Einrichtungen für das Erkennen von zu kalten oder zu heißen, nicht prozessfähigen Teilen, die dann automatisch aus dem Prozess ausgeschleust werden.

Herzstück der Entzunderung ist die Ventiltechnik, die zum Beispiel beim Einsatz von Düsenventilen den Wasserstrahl auch bei hohen Drücken innerhalb von wenigen Millisekunden zu- und abschaltet. Diese Ventile sind ähnlich aufgebaut wie die aus Verbrennungsmotoren bekannten „Common Rail“ Systeme: Die präzise Steuerung bewirkt, dass die Düsen nur dann öffnen, wenn sich ein Werkstück innerhalb des Wirkungsbereiches der Düsen befindet. Auf diese Weise realisiert SGGT kurze Durchlaufzeiten und eine geringe Abkühlung der Teile. Dies führt außerdem zu minimalem Wasserbedarf und geringen Umlaufmengen in der gesamten Anlage. Ein Beispiel: Bei einem Druck von mehr als 300 bar und einer Spritzzeit von typisch 0,2 s werden Teile von etwa 10 bis 15 kg Gewicht mit einer Wassermenge von deutlich weniger als 1 l vollständig entzundert, dabei kühlen sie um nur 5 bis 10 °C ab.

Aufgrund des hohen Anspruchs an Prozessgeschwindigkeit und Wiederholgenauigkeit kommt den Antrieben besondere Bedeutung zu. Sowohl für den Entzunderungsprozess als auch für die exakte Positionierung der Teile setzt SGGT grundsätzlich geregelte Drehstrommotoren mit Frequenzumrichtern als Servomotoren ein. Mit ihrem besonders hohen Beschleunigungsvermögen, direktem Anlauf- und Regelverhalten sowie großen Drehmomenten ermöglichen sie kurze Beschleunigungsstrecken und somit einen kompakten Aufbau der Systeme.

Optimale Oberflächenqualität

Mit der Erfahrung aus hunderten in aller Welt installierten Anwendungen für die hydraulische Entzunderung verfügen die Ingenieure von SGGT über umfangreiches Knowhow. Speziell beim Schmieden hat sich die überwiegende Anzahl der Anwender weltweit für SGGT entschieden. Da sich in den Gesenken kein Zunder ansammelt, entstehen keine Zundermarken – ein wichtiger Aspekt zum Beispiel bei geschmiedeten, hochwertigen Fahrzeugkomponenten im Sichtbereich, denn viele Käufer schließen vom optischen Eindruck der Teileoberfläche auf die Qualität des gesamten Bauteils. Ein Beispiel sind die sichtbaren und tragenden Bauteile von Motorrädern. Da der Zunder vor dem Pressen entfernt ist, sind auch Gravuren und Kennzeichnungen für den Menschen oder automatische Systeme klar erkennbar.

Die generell bessere Qualität der Oberfläche hat auch auf die nachgelagerten Fertigungsschritte einen positiven Einfluss: Die Entzunderung reduziert den Verschleiß der Schneidplatten und der keramischen Werkzeuge, denn sie kommen nicht mehr mit dem sehr harten Zunderoxid in Berührung. Darüber hinaus können die Zeiten für das Strahlen verkürzt werden, was unter anderem den Verbrauch an Strahlmittel senkt. Viele Anwender berichten, dass die Anzahl der Teile, die nachgearbeitet werden müssen, aufgrund der besseren Oberflächeneigenschaften drastisch gesunken ist.

Effiziente Prozesse

Außerdem reduzieren zunderfreie Oberflächen den Widerstand beim Fließen im Werkzeug. Das Ergebnis ist eine gleichmäßige Füllung des Gesenks, die Unterschmiedungen nicht mehr entstehen lässt. So steigert die Entzunderung die Ausbeute an 1a-Teilen besonders beim endabmessungsnahen Walzen, zum Beispiel von Rädern für Schienenfahrzeuge, bei dem enge Toleranzen einzuhalten sind. Anwender aus der Automobilindustrie berichten, dass sie durch das Entzundern die Stillstandszeiten für das manuelle Reinigen der Gesenke und das Umfeld der Umformaggregate deutlich reduziert haben. Einige haben festgestellt, dass die Nutzungsdauer der Gesenke speziell bei hohen Umformgraden durch das Entzundern deutlich verlängert wurde. Beispielsweise wiesen Extrusionsteile wie Hohlwellen für Lkw-Achsen mit Gewichten um die 25 kg ohne das Entzundern extrem hohen Verschleiß an den Gesenken auf. Die Entzunderung hat deren Standzeit im deutlich zweistelligen Bereich verlängert. Da schon bei der Konstruktion der Schmiedeteile davon ausgegangen werden kann, dass der Zunder zuverlässig entfernt wird, können von vorneherein geringere Werkstoffzugaben für die spätere Bearbeitung der Bauteile oder die Kompensation möglicher Fehlereinflüsse angesetzt werden.

Mit der Architektur der automatischen Systeme hat SGGT den Leistungsbedarf der Entzunderung im Vergleich mit konventionellen Systemen drastisch gesenkt. Die Anlagen erzielen eine Entzunderungsleistung von beispielsweise 500 kW mit einer Anschlussleistung von nur 90 kW.

Da die Reibung zwischen Schmiedeteil und Werkzeug durch die Entzunderung geringer ist, ist damit zu rechnen, dass mit geringeren Presskräften und somit geringerem Energieeinsatz gearbeitet werden kann. SGGT untersucht diesen Effekt zurzeit gemeinsam mit Kunden. Erste Ergebnisse lassen erwarten, dass auch der Einsatz der hydraulischen Entzunderung einen positiven Einfluss auf den CO2-Fußabdruck des Schmiedeprozesses hat.

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