27.11.20 – Leichtbau

Sandwichstrukturen mit hoher Oberflächengüte

In einem gemeinsamen Projekt entwickeln die Firmen Elringklinger, Daimler Truck, Thermhex Waben und Edevis sowie das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen Lösungen und Verfahren für die Fertigung und Qualitätsprüfung von Sandwichstrukturen mit hoher Oberflächengüte.

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An einem realen Bauteil soll das Potenzial 3D-geformter thermoplastischer Sandwichstrukturen mit hoher Oberflächengüte demonstriert werden. © Daimler

 

Die Sandwichbauweise bietet besonders leistungsfähige Leichtbaulösungen, wobei zum Beispiel ein leichter wabenförmiger Stützkern mit dünnen, sehr steifen Deckschichten kombiniert wird. So ergeben sich hohe Biegesteifigkeiten bei gleichzeitig niedriger Dichte. Gegenüber der monolithischen Bauweise lassen sich auf diese Weise Gewichtseinsparungen von bis zu 80 % realisieren.

Für den Einsatz thermoplastischer faserverstärkter Kunststoffe in Sandwichverbunden bestehen großserientaugliche Produktionslösungen, die material- und kosteneffizient sind. Außerdem sind diese Halbzeuge gut recycelbar. Für Lkw- und Caravan-Aufbauten werden sie bereits erfolgreich eingesetzt.

Einsatz von Organosandwich-Halbzeugen

Um weitere Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen, muss ein bisheriger Nachteil der Sandwichstrukturen überwunden werden: Sie haben keine hochwertige Oberfläche, wie sie etwa in der Automobilindustrie gefordert ist. Ohne aufwendige Nacharbeiten sind an den Oberflächen stets Verstärkungsfasern zu erkennen. Zudem können dort, wo die Zwischenräume des Stützkerns sind, die Decklagen in die Wabenzellen einfallen.

Die Projektpartner beabsichtigen diese Probleme zu lösen, indem sie Wabenkerne mit besonders kleinen Zellweiten verwenden und die faserverstärkten Bauteile mit einer metallischen Deckschicht versehen, die eine glatte Oberfläche bildet (Class A-Oberfläche). „Wir nutzen Organosandwich-Halbzeuge, also einen thermoplastischen Wabenkern mit verstärkten Decklagen aus Faserverbundkunststoff. Diese erhalten zusätzlich stoffschlüssig angebundene metallische Decklagen, etwa ein dünnes Metallblech oder eine Metallfolie“, berichtet Matthias Biegerl, Koordinator des Verbundprojektes bei Elringklinger. „Mit diesem Metall-Kunststoff-Hybrid-Material zielen wir darauf ab, das enorme Gewichts- und Kosteneinsparungspotenzial der Sandwichbauweise und -technologie für die großserientaugliche Herstellung von Leichtbaustrukturen mit kritischen Oberflächenanforderungen zu erschließen.“

Entwicklung geeigneter Umformverfahren

Um die Leistungsfähigkeit des Ansatzes nachzuweisen, wollen die Projektpartner in dem bis Ende Oktober 2022 laufenden Projekt einen Demonstrator herstellen. Dieser Demonstrator entspricht einem realen Lkw-Bauteil, dem Deckel eines Staufachs, der derzeit in monolithischer Kunststoff-Spritzguss-Bauweise gefertigt wird. Dabei wird auch die Verarbeitungstechnologie, Funktionsintegration und das Prüfverfahren bei der Herstellung in den Blick genommen. „Parallel zum Demonstrator wollen wir Auslegungs-, Prozess- und Qualitätssicherungsmethoden für Metall-Kunststoff-Hybrid-Sandwichmaterialien im Pilotmaßstab entwickeln“, sagt Dr. Ralf Schlimper, Projektleiter am Fraunhofer IMWS.

Zu den Zielen des Forschungsteams gehören deshalb die Entwicklung geeigneter Umformverfahren (3D-geformte Oberflächen, Dickensprünge, Randabschluss), die Funktionalisierung mittels Spritzguss (Lasteinleitungs- und Funktionselemente) sowie die Erarbeitung einer zerstörungsfreien, inlinefähigen Prüfmethode auf Basis aktiver Thermographie. Letztere ist nicht nur für die Qualitätssicherung bei späteren Anwendern entscheidend, sondern auch für die Bewältigung der material- und prozessseitigen Herausforderungen während des Forschungsprojektes. Dazu gehören die sichere Anbindung zwischen dem thermoplastischen Sandwich und der metallischen Deckschicht, die Prüfung der Oberflächenbeschaffenheit sowie die Steuerung des Umformprozesses, etwa für den nötigen thermischen Zustand der Sandwichstruktur, der eine 3D Umformung erlaubt, ohne dass der Kern schmilzt und instabil wird.

Im Fokus der Projektpartner sind nicht zuletzt die Geometrie/Formgebung, mechanische Performance und Reparaturfähigkeit. Für die gestalterische Vielfalt, die sich beim Einsatz von 3D-umformbaren Sandwichverbunden ergibt, sollen Berechnungsmethoden zur Prozess- und Strukturauslegung sowie Designempfehlungen zur Funktionalisierung und Bauteilgestaltung entwickelt werden.

Class-A-Oberfläche ermöglichen

Biegerl fasst zusammen: „Unser Fokus liegt darauf, erstmals Sandwich-Leichtbaustrukturen mit Class-A-Oberflächenqualität zu ermöglichen und zugleich einen hohen Grad der Funktionsintegration durch kosteneffizientes Anspritzen von Funktionselementen und inlinefähige Prüftechnologie in einer serientauglichen Umformtechnologie zu realisieren. Die Vorteile der Sandwich-Idee wie mechanische Performance, Gewichtseinsparung und hohe Wirtschaftlichkeit der Halbzeugherstellung und der Bauteilverarbeitung bleiben erhalten. Damit können wir den Weg für einen breiten Markteintritt dieser Technologie bereiten, insbesondere im Bereich Automobilindustrie.“

Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen
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