14.12.20 – Simulation

Modellierung statistischer Einflüsse von Mikrodefekten

Im Rahmen eines AiF-Projektes haben die Fraunhofer-Institute IFAM und IWM eine Methode zur Modellierung stochastischer Einflüsse auf das Versagensverhalten von Gussteilen entwickelt. Damit können lokale Materialeigenschaften berechnet, Schwächen einer Konstruktion identifiziert und die Fertigung optimiert werden.

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Eine Methode zur Modellierung stochastischer Einflüsse auf das Versagensverhalten von Gussteilen haben die Fraunhofer-Institute IFAM und IWM entwickelt. Der Ansatz ermöglicht eine effiziente Optimierung von Komponentenverhalten und Fertigungsprozessen. © IFAM/IWM

 

Die Streuung lokaler Eigenschaften in einer Gusskomponente wird durch die räumliche Variation von Mikrostruktur sowie Anteil und Morphologie von Defekten wie Gas- und Schwindungsporosität bestimmt, die ihrerseits von Gießprozessen und Komponentengeometrien beeinflusst werden. Die Abbildung dieser stochastischen Aspekte des Versagensverhaltens gegossener Bauteile in der Simulation ihres mechanischen Verhaltens war bislang nicht möglich.

Eine verfügbare kommerzielle Software zur numerischen Simulation von Gießprozessen auf Basis physikalischer Modelle für Formfüllung und Erstarrung liefert lediglich allgemeine, integrale Aussagen über Defekttypen wie Gas- und Schwindungsporosität. Für weitere Defekttypen werden in der Regel nur Wahrscheinlichkeiten ihres Auftretens angegeben. Aus diesen Daten lassen sich keine Informationen über die Streuung der Bauteileigenschaften ableiten, weil diese durch die Bandbreite möglicher Ausprägungen der Defektverteilung beeinflusst werden.

Stochastische Analyse mittels Finite-Elemente-Simulation

Um die Streuung der mechanischen Eigenschaften gegossener Bauteile dennoch abschätzen zu können, wurde ein stochastisches Modell entwickelt, das die örtliche Verteilung der Defekttypen Gas- und Schwindungsporosität über sogenannte Zufallsfelder beschreibt. Mittels dieser Analyse kann die statistische Variabilität der wichtigsten Defektmerkmale für Gießprozess und Werkstoff erfasst und auf FEM-Modelle abgebildet werden. Diese bilden die Basis eines Versuchsplans, der die Auswirkungen zufälliger Verteilungen jeweils für eine vom Anwender vorgegebenen Porengröße und -morphologie in simulierten mechanischen Prüfungen bewertet.

Anhand von Experimenten werden zunächst typische Merkmale von Mikrodefekten mittels Computertomographie und metallographischer Analysen oder auch Gießsimulationen ermittelt. Dabei handelt es sich um den Volumenanteil, mittleren Äquivalentdurchmesser sowie Formparameter wie Sphärizität und Kompaktheit, ergänzt um eine Bewertung von Größeneffekten. Die Software generiert anschließend verschiedene Versionen stochastischer Defektverteilungen, die jeweils den genannten Variablen genügen. Über einen Superpositionsansatz wird das Zusammenspiel verschiedener Klassen lokaler Fehler einbezogen.

Für die betreffenden Verteilungen werden dann verschiedene Simulationen durchgeführt und im Hinblick auf die unter Defekteinfluss erzielten mechanischen Eigenschaften analysiert. Die Bewertung einer statistisch relevanten Anzahl an Verteilungen liefert eine Aussage über die zu erwartende Streubreite der Eigenschaften. Porenverteilungen können losgelöst vom Bauteil als repräsentative Volumenelemente oder innerhalb spezifischer Gussteilbereiche erzeugt werden. Im letzteren Fall sind auch virtuelle Bauteilprüfungen möglich.

Entwicklung zahlt sich für Gießereien aus

Die entwickelte stochastische Analyse ermöglicht eine effiziente Optimierung von Komponentenverhalten und Fertigungsprozessen. Die Erkenntnisse erlauben eine Beurteilung von Gussteilen mit bekannten Defektverteilungen hinsichtlich der zu erwartenden mechanischen Eigenschaften.

Der Einsatz der neuen numerischen Methode in Gießereien kann unmittelbar zu einer Verkürzung der Entwicklungsprozesse neuer Komponenten führen. Gleichfalls lässt sich eine Bewertung von Worst-Case-/Best-Case-Szenarien vornehmen. Insbesondere für die Automobilindustrie wird die Vorhersage von möglichen Streuungen lokaler Eigenschaften einen Beitrag zur Verbesserung der Auslegung von neuen Strukturkomponenten bezüglich Sicherheit und Leichtbau leisten. Zukünftig verspricht die Berücksichtigung stochastischer Effekte eine bessere Bewertung von Qualitätsdaten. Detektierte Ungänzen sind auf diesem Weg mit den Bauteileigenschaften verknüpfbar, sodass auf abgesicherter Basis Ausschuss vermindert wird.

Die Experten am Fraunhofer IFAM geben technische Beratung zur neuen stochastischen Analysemethode und setzen das Tool für verschiedene Branchen zur Auftragsforschung ein.

Martina Ohle, Kommunikation Fraunhofer-Gesellschaft

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung
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28359 Bremen
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