12.12.22 – Additive Fertigung

Materialien nach Rezept

Das pulverbasierte Laserstrahlschmelzen (LPBF) ist das wohl bekannteste Additive-Manufacturing-Verfahren und verfügt über großes Potenzial für die industrielle Anwendung. Wie aber kann die limitierte Werkstoffpalette für dieses Verfahren umgangen und das Marktpotenzial weiter ausgebaut werden?

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Konzept des „LPBF-Pulverbaukastens“ für den 3D-Druck mittels Laserstrahl: wenige Grundmaterialien führen zu vielen Materialeigenschaftskombinationen. © Fraunhofer IFAM

 

Dieser Frage gingen das IWM der RWTH Aachen und das Fraunhofer IFAM in dem durch die AiF geförderten Vorhaben „LPBF-Pulverbaukasten“ nach. Im Ergebnis konnte eine nachhaltige Lösung zur individuellen und robusten Herstellung von Metallpulvermischungen entwickelt werden, sodass der Anwender mit einer kleinen Auswahl an Metallpulvern die gewünschten Materialeigenschaften abdecken und die Legierungen flexibel einstellen kann.

Materialforschung steht noch am Anfang

Der 3D-Druck erlaubt eine große gestalterische Freiheit in der Konstruktion und Produktion von Bauteilen. Aufgrund dieser Vorteile konnten sich 3D-Drucktechnologien in technischen Bereichen wie dem Automobilbau oder der Luft- und Raumfahrt gut etablieren. Die unterschiedlichen Anwendungsfelder erfordern aber nicht nur eine bestmöglich konstruierte Geometrie, sondern auch optimierte Materialeigenschaften. Dafür wird jeweils ein angepasster Werkstoff benötigt.

Die Forschung an Werkstoffen für die additive Fertigung steht aber noch am Anfang. Bisher werden weitgehend Werkstoffe verarbeitet, die von den Anlagenherstellern für ihre Prozesse qualifiziert wurden, um die verschiedenen Additive-Manufacturing-Prozesse in der Industrie zu etablieren. Diese Werkstoffpalette ist recht überschaubar und hinsichtlich der Diversität der meist schmelzmetallurgisch hergestellten konventionellen Werkstoffe nicht vergleichbar. Bei klassischen subtraktiven Produktionsprozessen gibt es Hunderte verschiedene Stähle, Aluminiumlegierungen oder verschleißfeste Kobalt-Chrom-Legierungen für nahezu jede spezifische Anwendung. Im 3D-Druck beschränkt sich die Auswahl über alle metallischen Werkstoffe auf weniger als 30 Materialien, sodass nicht alle Anforderungen abgedeckt werden können.

Große Vielfalt an Werkstoffeigenschaften

Mit dem LPBF-Pulverbaukasten, der zum Beispiel aus Eisenbasispulver mit und ohne Kohlenstoff, Chrom, Nickel, Molybdän und Titancarbid besteht, lässt sich die Werkstoffpalette spezifisch erweitern. Zu den häufig geforderten Materialeigenschaften zählen Korrosionsbeständigkeit, Festigkeit, Härte und Wärmeleitfähigkeit. Viele Stahllegierungen bestehen aus denselben Elementen, zum Beispiel Kohlenstoff, Chrom und Nickel, unterscheiden sich jedoch in den jeweiligen Anteilen.

Das entwickelte Verfahren beinhaltet die Wahl der Legierungszusammensetzung ausgehend vom spezifischen Anforderungsprofil des Werkstoffs, die Festlegung der Pulverzusammensetzung per thermodynamischen Simulationsmethoden sowie die Pulveraufbereitung durch angepasste Misch- und Homogenisierungsverfahren. Anschließend werden die optimalen Prozessparameter bestimmt und der so erzeugte Werkstoff durch mikrostrukturelle Charakterisierung und Prüfung der mechanischen Eigenschaften qualifiziert. Ist das Pulver gemischt, entsteht die Legierung über den anschließenden Laserstrahlschmelzprozess. Durch die Energie des Lasers schmelzen die Metallpulverpartikel auf und vermischen sich zur gewünschten Legierung. Am Ende des Prozesses steht das fertige Bauteil mit maßgeschneiderten Materialeigenschaften.

Neue korrosionsbeständige Werkzeug- und Duplexstähle

Als erste konkrete Anwendung im Rahmen des Projektes galt es, maßgeschneiderte, korrosionsbeständige Edelstähle für gezielt eingestellte Eigenschaftsprofile durch Legieren im LPBF-Pulverbaukasten herzustellen. Während der Entwicklungsarbeiten wurden die Einflussfaktoren, die eine gute korrosionsbeständige Legierungsbildung begünstigen, identifiziert und die Güte der Legierung anwendungsorientiert geprüft.

Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass die im LPBF-Prozess legierten korrosionsbeständigen Werkzeug- und Duplexstähle resistenter sind als das jeweilige Basispulver und dass sie ihre gewünschten Zieleigenschaften erreichten. Ein weiterer Vorteil bietet sich durch die Möglichkeit, das Gefüge mit angepassten Laserparametern einzustellen. Ein Beispiel dafür sind die unterschiedlich großen Karbide in der Struktur der Werkzeugstähle. Je nach Einsatzgebiet werden verschiedene Größen benötigt. Mit dem entwickelten Pulverbaukasten lassen sich diese effizient variieren und zu homogenen Bauteilen verarbeiten. Die Ergebnisse dieses Teilprojektes können auf Nachfrage zur Verfügung gestellt werden.

Lieferengpässe umgehen

Von dem Forschungsvorhaben können insbesondere Unternehmen profitieren, die hochflexibel sein müssen und verschiedene Kunden mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen beliefern. Dazu zählen vor allem Produktionsdienstleister, die meist zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen gehören. Die Produktion von Metallpulvern dauert im Normalfall vier Wochen. Möchte ein Produzent verschiedene Materialien mit geringen Mengen abdecken, wachsen die Wartezeiten enorm. Sind die Grundmaterialien einmal beschafft, können durch den LPBF-Pulverbaukasten gewünschte Materialeigenschaften eingestellt und die Produktion bei potenziellen Lieferengpässen sichergestellt werden. Nächste Entwicklungsschritte der Projektarbeiten sind die automatisierte Berechnung und Einstellung der Pulvermischung für die spezifische Produktentwicklung.

Förderung

Die vorgestellten Arbeiten wurden im IGF-Vorhaben 20933 N der Forschungsgesellschaft Stahlverformung über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Martina Ohle, Verantwortliche für Presse und Öffentlichkeitsarbeit am Fraunhofer IFAM

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung

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