15.06.20 – Laserauftragschweißen

Hybrid-additive Fertigung von Großbauteilen

Im BMBF-Forschungsprojekt „Prolmd“ entstehen in Teamarbeit neue Hybridprozesse, die konventionelle Fertigungsverfahren mit Laserauftragschweißen (Laser Material Deposition, LMD) zu einem neuen Fertigungsansatz vereinen sollen. Den Beginn markierte 2016 eine Forschungsidee.

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Roboterforschungszelle mit Optikwechselsystem beim Draht-Laserauftragschweißen am Fraunhofer ILT. © ILT

 
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Das Turbinenzwischengehäuse eines „Genx“-Triebwerks ist Demonstrationsbauteil des Projektpartners MTU Aero Engines für das Laserauftragschweißen mit einem neuen Bearbeitungskopf. © MTU Aero Engines

 
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„Es geht um die Entwicklung wirtschaftlicher, robuster Systemtechnik für das LMD-Verfahren, basierend auf einem Knickarm-Roboter, sowie ihre Integration in eine Prozesskette für hybride Fertigung“, blickt Jan Bremer zurück, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen. „Dabei bewegen wir uns entlang der Prozesskette für die roboterbasierte hybrid-additive Fertigung und erforschen verschiedene, dafür notwendige Technologien. Das Spektrum der Inhalte deckt alles ab – von Bearbeitungsköpfen, Roboter- und Schutzgassystemen über die Schweißprozesse bis zur Qualitätssicherung und Software.“

Fertigungsverfahren verbinden

Was hybrid in der Praxis heißt, belegen drei Anwendungen der Projektpartner MTU Aero Engines (Aufbau von Funktionselementen an einer Triebwerkskomponente), Airbus (Bauteilverstärkung durch 3D-Verrippung) und Mercedes-Benz (Anpassung eines Presswerkzeugs in der Karosseriefertigung). Im Mittelpunkt steht die lokale Verstärkung oder Veränderung konventionell gefertigter Bauteile. Im Projekt liegt der Fokus auf der Fertigung – die entwickelten Technologien erlauben aber auch Reparaturanwendungen.

„Die Beispiele zeigen, was wir unter hybrider Fertigung verstehen“, sagt Bremer. „Es ist die flexible Verbindung der Vorteile aus verschiedenen Fertigungsverfahren, da sie beliebige konventionelle Herstellverfahren mit LMD zu einer durchgängigen Prozesskette vereint.“ Die Flexibilität zeigt sich im Projekt auch bei den Industriepartnern, die ihre Demonstratoren vor der LMD-Funktionalisierung durch Rollformen (Airbus), Gießen (Mercedes-Benz) oder Schmieden (MTU) herstellen.

Für den Wissenschaftler ist es zudem ein schönes Beispiel, wie sich Variantenvielfalt in der Herstellung vereinfachen lässt. „Man fängt zum Beispiel mit dem Stanzen und Besäumen eines Basisteils immer auf die gleiche Art und Weise an“, so Bremer. „Die Varianten werden dann später mithilfe von LMD hergestellt. Der Anwender kann also weiterhin seine Stanzanlage nutzen, um dann beispielsweise Verstärkungen additiv aufzutragen. Durch das LMD-Verfahren und die in Prolmd entwickelten Technologien können wir dabei extrem flexibel und automatisiert agieren. Das entspricht unserer Leitidee: Additive Manufacturing – aber nur dort in der Prozesskette, wo es Mehrwert bedeutet.“

In Prozesskette integrieren

Mit diesem Ziel im Visier arbeiten die Aachener zusammen mit sieben Industriepartnern an einer modularen LMD-Zelle, die sich mit geringem Aufwand in eine bestehende Prozesskette integrieren lassen soll. Für hohe Flexibilität in der Anwendung werden Prozesse mit Draht sowie Pulver als Zusatzwerkstoff entwickelt. Am Fraunhofer ILT entstand unter anderem eine Bearbeitungsoptik zur Erzeugung eines Ringstrahls für das koaxiale Laserauftragschweißen, die im Prolmd-Verbundprojekt weiterentwickelt und genutzt wird. Diese Optik erzeugt einen Ring mit gleichmäßiger Intensitätsverteilung und bietet damit Richtungsunabhängigkeit beim Schweißen. Im Rahmen des Projektes werden Prozesse mit Auftragsraten im Bereich von 1 bis 2 kg/h bei hoher geometrischer Auflösung entwickelt.

Klar verteilte Aufgaben

Warum aber kommt ein mehrachsiger Kuka-Roboter zum Einsatz? „Für ihn spricht der große Bauraum, seine Flexibilität und einfache Zugänglichkeit“, sagt Bremer. „Wir können in der Versuchsanlage mit bis zu acht Achsen ein fast beliebig komplexes Bauteil von allen Seiten bearbeiten. Die Anlagentechnik lässt sich mit Robotern erstaunlich preiswert realisieren.“ Fokus des Projektes ist die Bearbeitung komplexer Großbauteile. „Teile bis zu 1,2 t Gewicht und 2 m Durchmesser können wir auf der Roboteranlage bearbeiten“, berichtet der Wissenschaftler.

Die Aufgabenteilung der weiteren Projektpartner ist klar definiert: Der Geschäftsbereich Lasertec des Kuka-Standorts in Würselen übernimmt die Projektleitung und Zellintegration des Roboters, während sich Laserline aus Mülheim-Kärlich um die Auslegung und Entwicklung von Strahlquelle und Optik kümmert. M. Braun Inertgas-Systeme aus Garching ist für den Bau einer Schutzgaszelle zuständig, BCT Steuerungs- und DV-Systeme aus Dortmund entwickelt Software und anlagenintegrierte Messtechnik.

Robuste Hard- und Software

Flexibel wird die Plug-in-Lösung, weil sie nach dem Blackbox-Prinzip funktioniert. „Uns interessiert nicht, was vorher oder nachher mit dem Bauteil passiert“, betont Bremer. „Wir arbeiten nicht ein statisches CAD-Modell ab, sondern nutzen dank robuster Systemtechnik und Software in adaptiven Prozessen die reale Geometrie. Durch intelligente Algorithmen kann sich die Zelle auch extremen Bauteilabweichungen anpassen und diese kompensieren.“ Die Betonung liegt bei Hard- und Software auf robust – vom Laserkopf und Roboter bis hin zum flexiblen Schutzgaskonzept und angepasster Bahnplanungsalgorithmen. Ein Hinweis, dass das Fraunhofer ILT nicht nur den Schweißprozess weiterentwickelt, sondern auch wichtige Aspekte wie den Einfluss der Robotergenauigkeit auf die Prozesssicherheit und Bauteilqualität erforscht.

Während Projektleiter Kuka in Würselen den Roboter in einer flexiblen Schutzgaszelle oxidationsempfindliche Werkstoffe wie Titan prozesssicher schweißen lässt, arbeiten die Aachener mit einer weiteren Roboteranlage ohne Schutzgaszelle bei nickel- und eisenbasierten Werkstoffen mit lokal aus der Düse ausströmendem Schutzgas. Wenn die Auftragsrate höher ausfällt, verwenden sie nach Bedarf zusätzlich eine wenige Zentimeter große Schutzgasglocke. „Auf diese Weise kommen alle drei Lösungen mit deutlich weniger teurem Schutzgas aus“, hebt Bremer hervor. „Das senkt die Betriebskosten erheblich.“ Innovative Prozesse sind dabei nicht nur Forschungsgegenstand, sondern auch Alltag am Fraunhofer ILT. „Bei den ersten Versionen der lokalen Schutzgasglocke hatten wir bei höheren Auftragsraten thermische Probleme“, berichtet der Forscher. „Da unsere Forscherkollegen im pulverbettbasierten selektiven Laserschmelzen (Laser Powder Bed Fusion, LPBF) aber bereits seit einigen Jahren an der Verarbeitung von Kupfer arbeiten, konnten wir mit ihrer Unterstützung auf einer Forschungsanlage das Bauteil mit innenliegenden Kühlstrukturen additiv aus Kupfer fertigen und das Problem so lösen.“ Für ihn ist es ein Beispiel dafür, was sich ergeben kann, wenn ein Institut fachübergreifend Lösungen entwickelt.

Preiswerte Roboteranlage

Mehr über die Erfolge von proaktiver Teamarbeit zeigt sich beim Blick in die Entwicklungshallen am Fraunhofer ILT. In Aachen stehen eine große und eine kompaktere Roboterzelle für die additive Fertigung. Auf diese neueste Entwicklung sind die Projektteilnehmer besonders stolz: Mit zusätzlicher finanzieller Unterstützung durch das BMBF entsteht eine preiswertere Variante der Prolmd-Roboteranlage für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). „Wir haben die Lösung von einem 3,1 m langen Roboterarm mit 90 kg Traglast auf etwa 2 m und 60 kg Traglast herunter skaliert“, berichtet der Wissenschaftler. „Am großen Roboter zeigen wir ein flexibles Wechselsystem mit Draht- und pulverbasierten Bearbeitungsköpfen, in der kleinen Zelle geht es um pulverbasiertes LMD, maschinenintegrierte Geometrievermessung und das neue CAM-Modul.“

Mit der neuen Zelle beweisen die Aachener in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern, dass sich auch eine kompakte Zelle für KMU realisieren lässt, die nochmals deutlich weniger als ein typisches Bearbeitungszentrum kostet.

Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT)
Steinbachstraße 15
52074 Aachen
Tel.: +49 241 89060
info@ilt.fraunhofer.de
www.ilt.fraunhofer.de
Autor: Nikolaus Fecht, freier Fachjournalist