01.06.23 – Von der Insel aufs Festland

Rapid.Tech 3D demonstriert feste Verankerung der additiven Fertigung in der Industrie

Vom 9. bis 11. Mai fand in Erfurt die 19. Rapid.Tech 3D statt. Die rund 2700 Besucher aus dem In- und Ausland lobten die erneut hohe Qualität von Fachkongress und Fachausstellung.

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Nach der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen AMTech Expo und der Rapid.Tech 3D – v. l. Harish Parvathaneni/Botschafter der Republik Indien in Deutschland, Michaela Küchler/Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Chennai/Indien, Aditya Chandavarkar/Mitgründer der AMTech Expo, Michael Kynast/Geschäftsführer der Messe Erfurt, Wolfgang Tiefensee/Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft des Freistaates Thüringen. © Christian Seeling/Messe Erfurt

 

Additive Manufacturing (AM) hat sich einen festen Platz in der Industrie erobert. Aus 3D-Druck-Inseln werden zunehmend durchgängige integrierte Lösungen, die vom Design bis zum finalen Produkt alle Glieder der Wertschöpfung umfassen und einen wichtigen Beitrag für widerstandsfähige und nachhaltige Lieferketten leisten. Die Dynamik bei Entwicklung und Anwendung neuer Materialien, Verfahren und Prozesse widerspiegelte sich augenfällig in den Vorträgen, Diskussionen und Präsentationen der Kongressmesse für additive Technologien.

„Die 19. Rapid.Tech 3D hat einmal mehr gezeigt, dass Erfurt eine wichtige Plattform für den konkreten anwenderbezogenen fachlichen Austausch zu Additive Manufacturing ist. Wir freuen uns über die sehr gute Resonanz und danken allen Akteuren und Unterstützern, die zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen haben“, resümierte Michael Kynast, Geschäftsführer der Messe Erfurt.

Inspirationen für konkrete Anwendungen und neue Wege

Inspirationen für konkrete Anwendungen sowie für neue Vorgehensweisen mittels fortschrittlicher Technologien vermittelten die mehr als 70 Expertenvorträge und 93 Ausstellerpräsentationen. Sie beleuchteten AM-Trends wie Multimaterialverarbeitung und Multifunktionsintegration, ebenso die Skalierung von Teilegrößen und -stückzahlen. Die Road-Maps der nächsten Jahre verdeutlichten insbesondere die Keynote-Sprecher. Franco Pinna von Ferrari zeigte auf, dass der italienische Sportwagenhersteller AM neben Prototyping und Ersatzteilproduktion zukünftig verstärkt für Gewichtsreduktion und Funktionsintegration nutzen will. Die Beherrschung von AM-Vielfalt in einem Konzern über eine Plattform zum Wissens- und Erfahrungsaustausch thematisierten Anja Rupprecht und Markus Bähr von Diehl Defence. Neben etablierten kunststoff- und metall-basierten AM-Verfahren arbeitet das Team an der Verarbeitung von Faserverbund-Kunststoffen im 3D-Druck, um hier eine Lücke in der Fertigung qualifizierter Serienteile zu schließen.

Neue 3D-Druck-Pfade der chemischen Industrie

Für das Erkennen und Umsetzen neuer Chancen plädierte der visionäre Schweizer Automobildesigner Frank Rinderknecht von Rinspeed. An die Stelle des allzu oft zu hörenden „Das geht nicht“ sollte die Haltung „Lasst es uns probieren“ treten. Additive und digitale Technologien mit ihren nahezu grenzenlosen Möglichkeiten böten sich dafür idealerweise an. Neue Pfade beim 3D-Druck beschreitet auch die chemische Industrie. Jurjen Meeuwissen, Senior Researcher bei Shell, berichtete über den Forschungsstand beim 3D-Druck von Katalysatoren für Gas-to-Liquid-Prozesse. Die Designfreiheit ermöglicht es, Grenzen der traditionellen Katalysatoren-Produktion aufzubrechen. Mit leistungsfähigeren Katalysatoren können Prozesse effizienter und energiesparender ablaufen. Stand und Perspektiven des 3D-Drucks in Chemie & Verfahrenstechnik waren außerdem Thema im gleichnamigen Fachforum, das erstmals veranstaltet wurde und u. a. Experten vom KAUST Catalysis Center Saudi-Arabien sowie von BASF und Accenture nach Erfurt führte.

 AM-Pionier Luft- und Raumfahrt

Zu den AM-Pionieren gehört die Luft- und Raumfahrt. Dr. Steffen Beyer, Manager SprayLab Additive Manufacturing & Industrialization Expert bei der Ariane Group, zeigte auf, dass der vor Jahren begonnene LBM-Prozess heute zu den etablierten Metall-3D-Druck-Verfahren gehört und damit gefertigte Teile erfolgreich qualifiziert sowie mit der Ariane 5 auch bereits ins Fliegen gekommen sind. Für das aktuelle Ariane-6-Projekt arbeiten die AM-Experten daran, Brennkammerkomponenten mittels Direct Energy Deposition (DED)-Verfahren schneller und damit deutlich kostengünstiger als bisher herzustellen. Insbesondere wird dafür das Potenzial des Kaltgasspritzens erschlossen.

Vertieft wurden die aktuellen AM-Fragestellungen in den neun Fachforen. Neben Chemie & Verfahrenstechnik stand mit Nachbearbeitung & Qualitätssicherung ein weiteres neues Forum auf dem Programm. Es widmete sich genau den Themen, welche AM-Anwender am meisten umtreiben: die Gestaltung und Gewährleistung durchgängiger und reproduzierbarer AM-Prozessketten. Branchen- bzw. technologiespezifische AM-Neuheiten standen in den Fachforen Design, Medizin, Mobilität, Luftfahrt, Software & Prozesse sowie Innovationen in AM auf der Agenda. Neueste Ergebnisse aus der AM-Forschung wurden im Forum Wissenschaft vorgestellt.

Innovationen zum Anfassen

Innovationen zum Anfassen erlebten die Besucher in der Fachausstellung. AIM3D aus Rostock stellte seinen neuen Multimaterialdrucker vor, mit dem auf Basis von Standard-Spritzgussgranulaten Produkte aus Metallen, Keramiken und Kunststoffen – auch als Hybridbauteile – ohne Maschinenumrüstung gedruckt werden können. Eine Forschergruppe der HTWK Leipzig und der Hochschule Mittweida demonstrierte, wie sich stark belastbare Fassadenknoten aus Stahl-Grobmaterial additiv deutlich wirtschaftlicher herstellen lassen als herkömmliche Aluminiumknoten. Der langjährige Rapid.Tech 3D-Aussteller FIT aus dem bayerischen Lupburg offerierte einmal mehr die Vielfalt der additiven Fertigung. Am Stand konnten die Besucher u. a. robustes additiv gefertigtes Mobiliar aus biobasierten Kunststoffen testen. Hightech-Medizinprodukte im Mikrobereich verkörpern dagegen patientenindividuelle und minimalinvasiv implantierbare Aortenstents, die FIT auf dem Fachkongress vorstellte. Das Potenzial der additiven Fertigung für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft demonstrierten die Forschenden des Projektes SAMSax. In diesem Reallabor an der TU Bergakademie Freiberg arbeiten Teams sächsischer Universitäten daran, Reststoffe aus Industrie und Landwirtschaft so aufzubereiten, dass damit additiv neue Produkte hergestellt werden können.

 Zahlreiche weitere im AM-Bereich etablierte Anbieter und Anwender wie Arburg, Farsoon, Intamsys, Sinterit, Stratasys, Toolcraft und Trumpf sowie innovative Start-ups und Hochschulprojekte zeigten in Erfurt ihr aktuelles Leistungsspektrum.

 Das enorme Potenzial des 3D-Drucks verkörperten einmal mehr die Final-Exponate des Wettbewerbs 3D Pioneers Challenge, allen voran das Sieger-Projekt des französischen Start-ups Lattice Medical. Das Team hat eine vollständig resorbierbare Bio-Prothese für eine natürliche, einfache und risikofreie Brustrekonstruktion nach einer Mastektomie entwickelt.

Verstärkte Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern

Die Rapid.Tech 3D hat bei ihrer 19. Auflage zugleich wesentliche Richtungen ihrer zukünftigen Entwicklung aufgezeigt. Dazu gehört eine noch stärkere Zusammenarbeit mit Partnern und Multiplikatoren auf nationaler und internationaler Ebene. So wird die Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im VDMA e. V. ab 2024 ideeller Träger der Rapid.Tech 3D. Zur Gestaltung der Zusammenarbeit haben Vorstand und Arbeitsgemeinschaft AM des VDMA sowie das Management der Messe Erfurt am Rande der diesjährigen Veranstaltung umfassende Gespräche geführt. Die Arbeitsgemeinschaft AM wird sich intensiv in die inhaltliche Ausrichtung des Kongresses und der Fachausstellung einbringen. Bereits in diesem Jahr hat sich der VDMA mit einem Format zum Thema Bildung engagiert. Gemeinsam mit dem Netzwerk Building 3D organisierte die Arbeitsgemeinschaft AM eine Podiumsdiskussion zu den Kriterien für eine erfolgreiche Aus- und Weiterbildung in der additiven Fertigung. Dabei erörterten Fachleute aus Industrie und Bildung Ansätze, um Angebote und Nachfragen bei Mitarbeiter-Qualifizierungen passgenau zusammenzubringen.

Mehrjährige Kooperation mit indischer AMTech Expo vereinbart

Der Wissensaustausch ist auch ein Aspekt der Kooperation mit dem indischen Partner AMTech Expo, Indiens größter Business-Networking-Plattform für additive Fertigungstechnologie. Als übergreifendes Ziel der in Erfurt vereinbarten mehrjährigen Zusammenarbeit formulierten beide Seiten, die AM-Ökosysteme beider Länder gemeinsam weiter voranzubringen. Mit der gegenseitigen Unterstützung als Partnerveranstaltungen sollen der Kompetenz- und Technologietransfer zwischen den AM-Communities Indiens und Deutschlands gefördert werden.

Vormerken: Im kommenden Jahr findet die Rapid.Tech 3D vom 14. bis 16. Mai 2024 als Jubiläums-Veranstaltung (20 Jahre) statt.

www.rapidtech-3d.de