07.11.23 – Deutsche Stahl- und Metallverarbeiter sehen internationale Wettbewerbsfähigkeit schwinden und starten Kampagne

„Wir. Formen. Fortschritt“

Angesichts der teilweise dramatischen Entwicklungen in den Unternehmen haben sich die 13 Fachverbände der Branche unter Federführung des WSM zusammengeschlossen, um sich mit der Kampagne „Wir. Formen. Fortschritt.“ direkt an die Bundesregierung zu wenden.

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Kampagnenstart der Initiative „Wir. Formen. Fortschritt”. (v.l.n.r.) Ulrich Flatken, Thomas Hüttenheim, Hubert Schmidt und Christian Vietmeyer. © WSM

 

Wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte, ist die Produktion der stahl- und metallverarbeitenden Unternehmen im dritten Quartal um 2,9 % im Vergleich zum Vorquartal gesunken.

Branche steckt in der Rezession
Das ist der zweite Rückgang in Folge, somit befindet sich die Branche in der Rezession. Die Vorjahreswerte konnten zum dritten Mal in Folge nicht erreicht werden. Insgesamt geht die Produktion im bisherigen Jahresvergleich nach neun Monaten um 2,6 % zurück. Der Ausblick auf das vierte Quartal wird von den Auftragseingängen bestimmt, die nach neun Monaten 3,8 % unter dem Vorjahresniveau liegen. Im dritten Quartal lagen die Bestellungen um 9,5 % niedriger als im Vorquartal 2/2023. Entsprechend pessimistisch schätzen die Unternehmen der Branche ihre Geschäftsentwicklung ein. Der Anteil der Unternehmer, die ihre Geschäftslage als gut bezeichnen, sinkt um weitere 2,8 % auf unter 20 %. Und die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate entwickeln sich noch dramatischer: 49 % gehen von einer Verschlechterung der Geschäftslage aus (+3,7 % zum Vormonat), nur noch 5,8 % bleiben mit Blick auf ihre Geschäftserwartung optimistisch (-0,6 % zum Vormonat).

Prognose für 2023 erneut abgesenkt
Laut Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM), geben die aktuellen Zahlen „Anlass zu größter Sorge“, zumal die Prognose für das Gesamtjahr aufgrund der anhaltenden Nachfrageschwäche erneut auf minus 3,0 % nach unten korrigiert werden musste.

Soll die Industrie „grüner“ werden, muss Berlin die Wettbewerbsfähigkeit des stahl- und metallverarbeitenden Mittelstands in Deutschland sicherstellen Der WSM, dessen 5000 mittelständische Mitgliedsunternehmen in Deutschland rund 500 000 Mitarbeiter beschäftigen, rechnet trotz der jüngst angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung nicht mit einer baldigen Trendwende: „Notwendig wären unter anderem eine sofortige Senkung der Energiekosten – und zwar unabhängig von der Betriebsgröße – und ein massiver Bürokratieabbau.

„Deutschlandexklusive Gründe“
Mit unserer Kampagne „Wir. Formen. Fortschritt.“ wollen wir auch der Bundesregierung deutlich machen, dass unsere Branche beim klimafreundlichen Umbau der Industrie nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung ist. Unsere Mitgliedsunternehmen stellen Produkte her, die für den Umbau der Industrie von zentraler Bedeutung sind, zum Beispiel Komponenten für Windkraftanlagen, die Elektromobilität oder den Ausbau der Schiene. Dass die Produktion dieser Komponenten naturgemäß energieintensiv ist, bedeutet nicht, dass sie keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zumal eine Verlagerung der Produktion ins Ausland produktions- und transportbedingt zu deutlich höheren CO2-Emissionen führen würde“, so Vietmeyer.

Unternehmerstimmen
Im Mittelpunkt der Kampagne „Wir. Formen. Fortschritt.“ stehen Erfahrungsberichte von mittelständischen Stahl- und Metallverarbeitern, die die Ursachen für die nachlassende internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen aufzeigen.

Thomas Hüttenhein, Geschäftsführer der Schlager Industrieofenbau GmbH und in der Geschäftsleitung der Wilhelm Schulte-Wiese Gesenkschmiede GmbH+Co. KG, stellt zum Auftakt der Kampagne beispielsweise klar: „Unser Unternehmen produziert vor allem hochwertige Kleinserienteile, unter anderem für den Schienen- und Bergbau. Bei der Produktqualität sind wir weltweit führend, aber irgendwann ist für unsere Kunden der Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr bereit sind, den deutschen Energiekostenaufschlag zu zahlen. Eine exklusive Bürde, mit der wir übrigens nicht nur gegenüber Produzenten in Osteuropa oder Asien an Boden verlieren. Wer bessere Standortbedingungen sucht, wird in jedem einzelnen unserer Nachbarländer fündig – von Dänemark bis Frankreich. Und dabei geht es nicht nur um die Energiekosten, sondern um ein insgesamt attraktiveres Gesamtpaket. Es ist höchste Zeit, dass wir die rote Laterne abgeben.“

Ulrich Flatken, geschäftsführender Gesellschafter der Mecanindus Vogelsang Gruppe und Vizepräsident des WSM, betont, dass nicht nur die weltweit höchsten Energiekosten für sein Unternehmen ein Problem darstellen: „Das Maß ist voll – auch mit Blick auf die bürokratischen Belastungen für den deutschen Mittelstand. Wenn die EU eine Richtlinie verabschiedet, die unsere Unternehmen betrifft, können wir die Uhr danach stellen, dass uns die Folgen härter treffen werden als unsere Wettbewerber zum Beispiel in Frankreich oder Spanien. Warum das so ist? Weil wir Gold Plating betreiben. Unsere Politik interpretiert EU-Richtlinien regelmäßig strenger und härter als unsere Nachbarn. Das kann und darf so nicht weitergehen – vor allem, wenn man bedenkt, dass mit dem Lieferkettensorgfaltsplichtengesetz sowie der Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung die nächsten Bürokratiemonster vor der Tür stehen.“

Bundesregierung zum sofortigen Umlenken aufgefordert
Unter der Federführung des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung e.V. haben 13 Fachverbände* am 7. November 2023 die Kampagne „Wir. Formen. Fortschritt.“ gestartet. Dr.-Ing. Hubert Schmidt, WSM-Präsident, zur Bedeutung der Kampagne: „Ziel der Kampagne ist es, gegenüber der Politik bessere Standortbedingungen einzufordern und die Bedeutung der stahl- und metallverarbeitenden Industrie für die Transformation zu einer klimafreundlichen Industrie zu verdeutlichen.“

Kampagnenwebsite: www.wir-formen-fortschritt.de

Absender der Kampagne
– Industrieverband Bau- und Bedachungsbedarf – IV B+B
– Herstellerverband Haus+Garten e.V.
– Industrieverband Blechumformung e.V. – IBU
– Fachverband Industrie verschiedener Eisen- und Stahlwaren e.V. – IVEST
– Eisendraht- und Stahldraht-Vereinigung e.V. – ESV
– Verband der Deutschen Federnindustrie – VDFI
– Industrieverband Garten e.V. – IVG
– Industrieverband Härtetechnik – IHT
– Fachvereinigung Kaltwalzwerke e.V. – FVK
– Industrieverband Massivumformung e.V. – IMU
– Fachverband Metallwaren- und verwandte Industrien e.V. – FMI
– Fachverband Pulvermetallurgie – FPM
– Deutscher Schraubenverband e.V. – DSV

Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. (WSM)
Uerdinger Straße 58-62, 40474 Düsseldorf
Tel.: +49 211 95786822
cvietmeyer@wsm-net.de
www.wsm-net.de