07.04.22 – Ohne Unterstützung ihrer Abnehmer geraten Zulieferer in Schieflage

Alle in ein Boot

Die nächste Preiswelle bei Stahl und drastische Energiepreiserhöhungen rollen auf Zulieferer zu. Hersteller, die jetzt – trotz Kostensprüngen und unsicherer Versorgungslage – nicht mit ihren Partnern kooperieren, haben vielleicht bald keine mehr. Denn deren Liquiditätsreserven schrumpfen täglich.

Christian-Vietmeyer.jpg

„Das deutsche Erfolgsmodell des arbeitsteiligen globalen Wirtschaftens wankt“, warnt Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM). Er fordert von allen Beteiligten in der Lieferkette Fairness, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein. © WSM

 

Stahl verarbeitende Unternehmen geraten im Corona- und Ukraine-Sturm unweigerlich in Schieflage. „Das deutsche Erfolgsmodell des arbeitsteiligen globalen Wirtschaftens wankt. Die sich aufbauende dritte Welle umschiffen Zulieferer und Kunden nur gemeinsam“, warnt Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung (WSM). Er spricht für rund 5000 Unternehmen mit etwa 500 000 Arbeitsplätzen.

Erzeugerpreise 50 bis 80 Prozent über Vorjahresniveau

Erst 2021, dann zum Jahresbeginn 2022 und nun schon wieder: Zum dritten Mal in Folge schießen Vormaterialpreise ungehemmt in die Höhe. Vietmeyer: „Bereits im Februar lagen die Erzeugerpreise vieler Stahl- und Aluminiumprodukte 50 Prozent über dem bereits sehr hohen Vorjahresniveau, bei legiertem Material sehen wir Anstiege von 80 Prozent. Und diese Lage spitzt sich gerade weiter zu.“ Verarbeiter von Stahl und Aluminium trifft das mit voller Wucht: Zulieferer haben Materialkostenanteile von 40 bis 60 Prozent.

Lieferkette braucht Fairness, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein

Die gesamte Versorgungslage ist zunehmend bedrohlicher. Rohstoffe, Komponenten und Energie fehlen oder sind unbezahlbar, der gefürchtete Erdgasmangel könnte die gesamte Stahlverarbeitung kaltstellen. Nahezu die gesamte industrielle Wertschöpfungskette ist betroffen. Und nicht immer lassen sich die enormen Preissprünge mit den Krisen und Konflikten erklären. Oftmals besteht gar kein Zusammenhang zwischen Preisanstieg und dem Ukraine-Krieg als Begründung dafür. In diesem gigantischen Sturm müssen alle in ein Boot – für Mitstreiter, die das Krisen- und Konfliktszenario dazu nutzen, eigene Preisvorteile durchzudrücken, ist dort kein Platz. „Mitnahmeeffekte darf es nicht geben“, betont Vietmeyer. „In der bis aufs letzte Glied angespannten Lieferkette sind mehr denn je Fairness, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten gefordert.“ Das „Flaggschiff Industrie“ schlingert und braucht vereinte Kräfte, um den Kurs zu halten.

www.wsm-net.de