31.05.19
Schonender schmieden
Ein neuer Typ Schmiedezange soll Belastungen bei der Arbeit und auch den Krankenstand senken. Das ergonomische Werkzeug entwickeln Wissenschaftler am Institut für Integrierte Produktion Hannover gemeinsam mit Betrieben aus Schmiedebranche und Werkzeugbau. Gesucht sind weitere Projektpartner.
Smoother forging
A new type of forging grippers is intended to reduce stress at work, avoid pain and to reduce number of staff ill. The ergonomic tool is being developed by scientists at the Institute for Integrated Production in Hanover together with companies in the forging and toolmaking industries.
Die Arbeit im Schmiedebetrieb ist körperlich belastend. Schwere, glühende Teile werden mit einer Zange aus dem Ofen geholt, zur Presse gebracht und manchmal auch festgehalten, während sich der Hammer senkt. Die Werker müssen nicht nur schwer heben. Sie müssen auch Schläge und Schwingungen aushalten. Das belastet auf Dauer Rücken, Schulter und Handgelenk. Auch die Gefässe können geschädigt werden.
Ingenieure am Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH)entwickeln zurzeit eine ergonomische Schmiedezange. Sie soll Stöße und Schwingungen dämpfen, beim Greifen unterstützen und Belastung durch das Bauteilgewicht reduzieren. Das erleichtert die Arbeit und rechnet sich unterm Strich:Bleiben die Mitarbeiter gesund, spart das Kosten. Außerdem: Aufträge werden pünktlich fertiggestellt, ohne dass Überstunden zu machen wären. Zudem soll der Fachkräftemangel abgefedert werden. Auch in der Schmiedebranche fehlt Nachwuchs, und das Renteneintrittsalter steigt. Insoweit müssen Unternehmen mehr denn je die Gesundheit ihrer Mitarbeiter im Blick haben.
In dem Forschungsprojekt „Ergo Zang“ arbeitet das IPH mit kleinen und mittleren Unternehmen zusammen, insbesondere mit Schmiedebetrieben und Zangenherstellern. Zunächst wird untersucht, welche Tätigkeiten körperlich am stärksten belasten. Dafür werden Mitarbeiter vor Ort befragt und die Belastungen während der Arbeit gemessen – beispielsweise über Brustgurte, die den Puls und die Atemfrequenz erfassen.
„Wir wollen von Anfang an diejenigen einbeziehen, die die Zange später benutzen“, sagt Projektleiter David Schellenberg. „Ihr Wissen fließt in die Entwicklung ein, und gegen Ende des Forschungsprojekts werden sie die ergonomische Zange testen.“ Das sei auch für die Akzeptanz des neuen Werkzeugs unerlässlich. Denn die Schmiedezange wird voraussichtlich deutlich anders aussehen als jene Werkzeuge, die die Werker bisher gewohnt sind.
Auch Exosklette könnten entlasten
Um die Belastung beim Tragen sehr schwerer Schmiedeteile zu reduzieren, könnte beispielsweise ein Exoskelett eingesetzt werden. Denkbar ist auch ein Mechanismus, der die Zange auf Knopfdruck geschlossen hält, um Belastungen der Handgelenke zu reduzieren. Stöße könnten sich mit Schwingungsdämpfern abfedern lassen. „Derzeit sammeln wir noch Ideen“, sagt Schellenberg. Im Laufe des Projekts soll ein Demonstrator gefertigt werden. Praxistests in Schmiedeunternehmen sind für Ende 2020 geplant. Dann messen die Ingenieure erneut die Belastung während der Arbeit und vergleichen sie mit den alten Werten.
Eine einzige, ergonomisch perfekte Schmiedezange zu entwickeln, ist allerdings nicht das Ziel. „Je nach Anwendung gibt es unterschiedliche Werkzeuge. Das wird auch so bleiben“, sagt Schellenberg. Denn wenn 20 kg schwere Teile transportiert werden müssen, sind die Belastungen vollkommen anders als bei der Handhabung relativ leichter Werkstücke, die jedoch beim Freiformschmieden mit der Zange in Position gehalten werden müssen. „Wir entwickeln deshalb eine Art Baukasten aus vielen verschiedenen Lösungen und halten diese in einem Leitfaden fest“, sagt Schellenberg. Mit diesem Leitfaden könnten Werkzeugbauunternehmen später ergonomische Zangen für unterschiedliche Einsatzfälle entwickeln.
Das Forschungsprojekt „Entwicklung von ergonomisch optimierten Schmiedezangen zum kraftunterstützten und schwingungsgedämpften Handling von Schmiedeteilen“ ist 1. März gestartet und läuft über zwei Jahre. Finanziert wird es vom Bundeswirtschaftsministerium. Unternehmen, die sich am Projekt beteiligen möchten, melden sich bei Projektleiter Schellenberg.
Institut für Integrierte Produktion Hannover gemeinnützige GmbH (IPH)
Hollerithallee 6
30419 Hannover
Ansprechpartner ist David Schellenberg
Tel.: +49 511 279 76-336