08.12.20 – Multi Material Jetting

Multifunktionale Teile additiv fertigen

Eine Anlage für das Multi Material Jetting, mit der sich unterschiedliche Werkstoffe zu einem additiv gefertigten Bauteil vereinen lassen, hat das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme entwickelt. Realisierbar sind damit Produkte mit kombinierten Eigenschaften oder Funktionen.

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Anlage für das Multi Material Jetting von Hochleistungskomponenten mit kombinierten Eigenschaften oder Funktionen. © Fraunhofer IKTS

 
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Hochpräziser Materialauftrag von bis zu 1000 Tropfen pro Sekunde. © Fraunhofer IKTS

 
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Bei der additiven Fertigung wird das gewünschte Produkt bekanntlich nicht aus einem Stück geformt, sondern Schicht für Schicht aufgetragen. Dies ermöglicht die präzise, individuelle Fertigung mit genau definierten Produkteigenschaften. Wurden mit der ständig weiterentwickelten Technologie anfangs vor allem Kunststoffe verarbeitet, sind es seit einiger Zeit auch Metalle oder keramikbasierte Werkstoffe.

Einen großen Schritt weiter geht nun das Fraunhofer IKTS. Die Forschenden haben eine Anlage entwickelt, mit der die additive Fertigung von Multimaterialbauteilen möglich wird, basierend auf thermoplastischen Bindersystemen. Beim sogenannten Multi Material Jetting (MMJ) werden verschiedene Materialien mit ihren jeweiligen Merkmalen zu einem Produkt zusammengefügt. „Wir können derzeit bis zu vier Stoffe gleichzeitig verarbeiten“, berichtet Uwe Scheithauer, Wissenschaftler am IKTS. Die Einsatzgebiete sind vielfältig und liegen überall da, wo Unternehmen hochintegrierte, multifunktionale Bauteile mit individuell definierten Eigenschaften herstellen wollen.

Vom Tropfen zum Werkstück

Die Fertigung geschieht in einem fortlaufenden Prozess. Zunächst erfolgt die homogene Verteilung der pulverförmigen keramischen oder metallischen Ausgangsmaterialien in einer thermoplastischen Bindersubstanz. Die so hergestellten Massen werden in Mikrodosiersysteme (MDS) eingefüllt, worauf der eigentliche Fertigungsprozess startet. In den MDS werden die Massen bei rund 100 °C aufgeschmolzen, wodurch sie sehr fein dosierbar sind. Um eine präzise Positionierung der Tröpfchen zu realisieren, entwickelten die IKTS-Wissenschaftler eine entsprechende Software: Die Dosiersysteme legen computergesteuert hochpräzise Tropfen für Tropfen an der richtigen Stelle ab, wodurch sich das Bauteil punktweise aufbaut – bis zu 60 mm und 1000 Tropfen pro Sekunde. Die Anlage arbeitet mit einer Tropfengröße zwischen 300 und 1000 μm, was zu einer Höhe der aufgetragenen Schichten zwischen 100 und 200 μm führt. Maximal lassen sich derzeit Bauteile der Größe 20 x 20 x 18 cm herstellen.

„Das Entscheidende ist die individuelle Dosierung der Metall- oder Keramikmassen. Diese Dosierung sorgt dafür, dass das additiv gefertigte Endprodukt während der abschließenden Sinterung im Ofen die gewünschten Eigenschaften und Funktionen wie Festigkeit, thermische und elektrische Leitfähigkeit erhält“, sagt Scheithauer.

Keramisches Satellitentriebwerk mit integriertem Zünder

Ein hochkomplexes Bauteil wie der Zünder in einem Satellitentriebwerk aus Keramik kann mit der neuen IKTS-Anlage realisiert werden. In der Brennkammer eines solchen Triebwerks herrschen extrem hohe Temperaturen. Die hitzebeständige Keramik ist dafür ein besonders geeignetes Material. Mit MMJ lässt sich ein Zünder für das Triebwerk herstellen, der direkt integriert ist sowie elektrisch leitfähige und elektrisch isolierende Bereiche vereint in einem extrem robusten Bauteil. Nötig sind dazu drei Dosiersysteme: ein erstes für ein stützendes Supportmaterial, das während der Wärmebehandlung im Ofen zersetzt wird, ein zweites für die elektrisch leitfähige und ein drittes für die elektrisch isolierende Komponente. Auch im Bereich Consumerprodukte sind zahlreiche Anwendungen denkbar, etwa eine zweifarbige keramische Uhrenlünette, die als individuelles Einzelstück für einen Kunden produziert wird.

Aufgrund ihrer hohen Präzision und Flexibilität eignet sich die Anlage nicht nur für die Herstellung multifunktionaler Komponenten. „Wir könnten beispielsweise auch die Rohlinge für Werkstücke aus Hartmetall fertigen. Weil die Dosiersysteme extrem präzise arbeiten, sind die Rohlinge schon nahe an der Endkontur und müssen – anders als bei herkömmlichen Verfahren – kaum mehr aufwendig nachgeschliffen werden“, sagt Scheithauer.

Validierung und Kommerzialisierung

Das Projekt am IKTS hat gezeigt, dass die Technik auch in der Praxis funktioniert und skalierbar ist. Im nächsten Schritt folgt die Validierung für den Industrieeinsatz. Neben der Hardware bietet das IKTS Industriekunden auch die Material- und Softwareentwicklung für die Prozessüberwachung und -automatisierung an. Der Kunde erhält so alles aus einer Hand und nach seinen Anforderungen maßgeschneidert.

Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme
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