17.02.22 – Jahrespressekonferenz des VDW
Deutsche Werkzeugmaschinenindustrie startet nach Pandemie durch
„Die Werkzeugmaschinenindustrie hat gute Chancen auf ein erfolgreiches Jahr 2022“, sagte Franz-Xaver Bernhard, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken, jüngst auf der Jahrespressekonferenz des VDW. Ein Optimismus, der auf der hervorragenden Nachfrageentwicklung seit Mitte 2021 gründet.
Seit dem vergangenem Jahr befindet sich die Branche in einem starken Aufschwung, der bezogen auf Märkte und Abnehmerbranchen breit aufgestellt ist. Für 2022 wird, so Bernhard, ein Produktionsplus von 14 % prognostiziert. Die Nachfrageentwicklung zeige den großen Nachholbedarf bei den Investitionen weltweit, der gern mit Werkzeugmaschinen made in Germany gedeckt werde.
2021 ist der Auftragseingang insgesamt um 58 % gestiegen. Starker Treiber war das Ausland mit einem Anstieg von 62 %. Die inländischen Bestellungen legten ebenfalls kräftig um mehr als die Hälfte zu. Von den ausländischen Märkten hatten die Europäer nach vorläufigen Zahlen des VDW die Nase vorn. Sie steigerten ihre Bestellungen um 90 %, gefolgt von Amerika mit einem Zuwachs von 66 und Asien mit einem Anstieg von 61 %. China und die USA bleiben die beiden größten Märkte und wichtigsten Kunden mit hohen zweistelligen Zuwächsen von 65 und 92 %. In der Liste der Top 20 haben alle Länder ihre Nachfrage mindestens zweistellig nach oben gefahren, manche sogar dreistellig. Besonders gut liefen die Bestellungen aus Italien, Österreich, Tschechien, der Schweiz und Indien. Italien und Österreich profitierten von staatlicher Förderung.
2022 soll das globale Bruttoinlandsprodukt gemäß Prognosepartner Oxford Economics um 4,2 % wachsen, die Industrieproduktion um 4,4 % und die Investitionen um 4,3 %. Beim Investitionsanstieg führt der größte Abnehmer Europa die Triade an. „Davon können wir profitieren, denn die Auftragsbücher vieler Kunden sind gut gefüllt“, so Bernhard. Für Deutschland stellen sich einige Daten noch besser dar. Nach schwächerer Entwicklung im Vorjahr zieht die deutsche Industrie jetzt nach. Auch die beiden Frühindikatoren, Ifo-Geschäftsklima und Einkaufsmanagerindex, zeigen nach oben. „Gleichwohl ist die Prognose 2022 noch von Unsicherheit geprägt“, räumt Bernhard ein. An erster Stelle sind hier die hohen Infektionszahlen durch die Omikron-Variante zu nennen. Auch erschwere die erklärte No-Covid-Strategie Chinas eine Normalisierung der Lieferketten.
Erholung 2021 schneller als erwartet
Nach dem tiefen Einbruch der Werkzeugmaschinenindustrie durch die Pandemie 2020 ist die Branche mit guten Aufträgen im vergangenen Jahr wieder durchgestartet. Nach Schätzungen des VDW hat sie 2021 Maschinen und Dienstleistungen im Wert von rund 12,7 Milliarden Euro produziert. Das entspricht einem Zuwachs von 4 %.
Getrieben wurde das Geschäft durch den Export, der mit 8 % doppelt so stark wuchs wie die Produktion. Amerika führte das Auslandsgeschäft mit plus 13 % an, gefolgt von Asien mit plus 11 und dem Schlusslicht Europa mit plus 5 %. Unter den zehn größten Märkten legten Tschechien, Italien, Mexiko, China und die Niederlande zweistellig zu. China hat sich nach einem starken Rückgang 2020 wieder gefangen.
Der Inlandsabsatz ging demgegenüber durch die Investitionszurückhaltung der Automobilindustrie noch um 5 % zurück. Der nur leicht gestiegene Verbrauch von 1 % wurde durch die Importe gestützt, die um mehr als ein Zehntel zulegten. Die Kapazitätsauslastung lag im Januar 2022 bei 87,2 % im Vergleich zu 72,7 % ein Jahr zuvor. Mit 64 000 Mitarbeitern notierte die Beschäftigung im Dezember 6,1 % unter Vorjahr.
Herausforderung Lieferengpässe
„Engpässe in den Lieferketten von Elektronikbauteilen und Metallerzeugnissen waren das beherrschende Thema für die Industrie im vergangenen Jahr, und sie dauern an“, betont Bernhard. In der Werkzeugmaschinenindustrie hatten sie laut einer Umfrage Ende 2021 nahezu alle Hersteller erreicht.
Insbesondere der Chipmangel trifft die Firmen zweifach. Einerseits ist die Lieferfähigkeit des wichtigen Abnehmers Automobilindustrie eingeschränkt. Andererseits fehlen Chips für Steuerungen, einer der wichtigsten Komponenten in der Werkzeugmaschine, aber auch für Gateways, Edge Computer oder Antriebe. Das verzögert die Auslieferung bestellter Maschinen.
Die Einfluss- und Kompensationsmöglichkeiten sind für die Werkzeugmaschinenindustrie kurzfristig sehr begrenzt. Die Umstellung auf eine neue Chipgeneration braucht Zeit, weil schnell Entwicklungsaufwände von mehreren Mannjahren entstehen können. „Einstweilen bleibt nur, bei der Materialbeschaffung hohe Kreativität an den Tag zu legen und höhere Preise in Kauf zu nehmen, die gegebenenfalls nicht weitergegeben werden können“, so der VDW-Vorsitzende. Mittelfristig werde es immer wichtiger, stabile Lieferketten aufzubauen und die Zahl der Lieferanten zu diversifizieren, um Abhängigkeiten zu reduzieren.
Herausforderung Fachkräftemangel
Fast alle Werkzeugmaschinenunternehmen sehen den Fachkräftemangel ähnlich gravierend wie die Lieferengpässe. Über zwei Drittel der Hersteller wollen nach einer Umfrage im laufenden Jahr ihre Stammbelegschaft aufstocken. Demgegenüber war die Zahl der freien Stellen im Maschinenbau im Dezember 2021 etwa doppelt so hoch wie Ende 2020. Auch die Zahlen der Bewerber um eine Ausbildungsstelle sowie der abgeschlossenen Ausbildungsverträge sind rückläufig.
Bernhard forderte Unternehmen und Politik gleichermaßen auf, die Attraktivität der Berufsausbildung offensiv herauszustellen. Unternehmen müssten eine gute Ausbildung und spezielle Förderung bieten, Auszubildende müssten nach der Ausbildung durch Weiterbildungsangebote, Aufstiegschancen und eine angemessene Gehaltsentwicklung an das Unternehmen gebunden werden. Die Politik müsse gewerblich-technische Berufsschulen unterstützen, die auch ein regionaler Wirtschaftsfaktor sein können. Um die Digitalisierung weiter zu forcieren, müsse viel mehr Berufsschulen die eigenständige Budgetierung zugestanden werden, die ihnen erlaubt, in eigener Verantwortung zu investieren.
Energiewende bietet Potenzial
Mit der angekündigten Energiewende rückt auch der Umbau der Energiewirtschaft in den Fokus. Der VDW lässt aktuell vom Münchner Beratungsunternehmen Strategy Engineers untersuchen, welches Potenzial für die Werkzeugmaschinenindustrie entsteht. Die Studie ist in der Abschlussphase und wird den VDW-Mitgliedern in der zweiten Märzhälfte vorgestellt.
Die meisten großen Industrieländer haben ambitionierte Strategien zur Verringerung des CO2-Ausstosses entwickelt. Zentrale Stellschraube ist dabei der Energiesektor, wo derzeit 25 % der Emissionen entstehen. Grundlegende Bausteine sind der Ausbau emissionsarmer Energien, Stromnetzausbau und Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Aufgrund niedriger Stückzahlen und langer Lebensdauer stand die Energiewirtschaft bislang nicht im Fokus der Werkzeugmaschinenhersteller. Nun aber führen die höheren Investitionen zu steigenden Stückzahlen von mechanischen Komponenten. „Wie groß das Volumen in den einzelnen Bereichen sein wird, hängt vom Tempo der Transformation ab“, sagt Bernhard abschließend. Jetzt müsse die Politik verlässliche Rahmenbedingungen für den Umbau schaffen, damit sich Unternehmen umorientieren könnten, die hier Chancen sehen.