26.11.25 – Warum Ingenieure auf Zugstossdaten setzen, um die richtige Materialwahl zu treffen

Gestalten mit Wirkung

Von verstärkten Strukturbauteilen bis hin zu dünnen Batteriefolien – Materialien in der Automobil- und Elektronikindustrie sind extrem unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt. Dennoch setzen beide Branchen auf die Zugstoßprüfung, um Festigkeit, Energieaufnahme und das Versagensverhalten von Werkstoffen unter dynamischen Belastungen zu charakterisieren.

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Fallturmprüfung. © Instron

 
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Andrea Incardona, Werkstoffingenieur beim Prüfmaschinenhersteller Instron, erläutert, wie die Zugstoßprüfung Ingenieuren hilft, reale Einsatzbedingungen zu simulieren, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und sicherere, zuverlässigere Produkte zu entwickeln.

Moderne großformatige Automobilbauteile werden zunehmend so konstruiert, dass sie steigenden technischen Anforderungen gerecht werden – etwa durch verbesserte Crashenergieabsorption und geringeres Fahrzeuggewicht. Dabei kommen häufig Hybridwerkstoffe wie kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) oder mehrlagige Strukturen wie Aluminium-Kunststoff-Verbundmaterialien zum Einsatz. Diese Materialien zeigen unter hohen Dehnraten oft ein unvorhersehbares Verhalten, was die mechanische Charakterisierung unter realitätsnahen Bedingungen – wie sie etwa bei Crashereignissen auftreten – erschwert.

Im Gegensatz dazu sind Werkstoffe in der Elektronik, etwa dünne Polymerfolien, Klebstoffe oder Keramiken, deutlich kleiner dimensioniert und erfordern hochpräzise Prüfansätze. Schon geringfügige Schnittfehler bei der Probenvorbereitung oder Ausrichtungsfehler während der Prüfung können die Messergebnisse erheblich verfälschen und über die zulässigen Toleranzen hinaus beeinflussen.

Reale Umgebungsbedingungen bringen zusätzliche Variablen in die Werkstoffcharakterisierung ein. So sind beispielsweise Armaturenbretter oder Smartphone-Gehäuse starken Temperaturschwankungen ausgesetzt – von intensiver Sommerhitze bis hin zu eisigen Wintermorgen. Solche thermischen Belastungen beeinflussen die Materialeigenschaften erheblich und müssen bei der Prüfung berücksichtigt werden.

Der Versuchsaufbau ist dabei von zentraler Bedeutung. Einige Kunststoffe verformen sich unter Belastung allmählich, während andere plötzlich versagen. Daher müssen Greifmethoden, Probengeometrie und Aufprallgeschwindigkeit realitätsnah gewählt werden. Ein Test, der die tatsächlichen Einsatzbedingungen nicht korrekt simuliert, kann kritische Schwächen übersehen.

Warum Zugstoßprüfungen entscheidend sind

Die Zugstoßprüfung untersucht das Verhalten von Werkstoffen unter plötzlicher Belastung – ein zentraler Aspekt bei der Materialauswahl und Produktentwicklung.

Im Automobilbereich müssen Knautschzonen bei einem Aufprall Energie absorbieren, ohne zu versagen. In der Elektronik hingegen müssen Batteriebestandteile, Folien und andere Bauteile Schlägen, Hitze und dynamischen Belastungen standhalten, ohne ihre strukturelle Integrität zu verlieren.

Dabei ist nicht nur die reine Festigkeit eines Materials entscheidend, sondern auch dessen Versagensverhalten. Innenraumbauteile in Fahrzeugen sollen im Falle eines Bruchs in kleine, ungefährliche Fragmente zersplittern. In der Unterhaltungselektronik geben wiederholte Falltests Aufschluss über die Langzeitperformance und Lebensdauer unter Alltagsbedingungen.

Auch die Prüfverfahren variieren je nach Branche. In der Automobilindustrie kommen meist Proben in Hundeknochenform zum Einsatz – ideal für größere, steifere Materialien. In der Elektronik hingegen werden oft schmale Streifenproben verwendet, die sich besser für dünne, flexible Polymere eignen. Diese Geometrie reduziert Spannungsspitzen und spiegelt reale Einsatzbedingungen besser wider.

Ein gängiges Werkzeug für Zugstoßprüfungen sind Fallturmsysteme. Sie ermöglichen kontrollierte, reproduzierbare Aufprallgeschwindigkeiten bei variabler Stoßenergie. In einem typischen Aufbau wird die Probe vertikal zwischen Spannvorrichtungen eingespannt, während ein gewichteter Schlagkörper aus definierter Höhe fällt, um eine plötzliche Zugbelastung zu erzeugen – analog zu realen Belastungsszenarien wie einem Crash oder einem Fall.

Die digitale Bildkorrelation (DIC) kann in den Fallturm integriert werden und erlaubt die zeitaufgelöste Visualisierung von Dehnungsfeldern. Besonders bei Faserverbundwerkstoffen – die aufgrund ihrer hohen Anisotropie komplexe lokale Deformationen zeigen – liefert DIC wichtige Zusatzinformationen, die mit reinen Kraftmessungen nicht erfasst werden können.

Das „9450“-Fallturmsystem von Instron wurde entwickelt, um den vielfältigen Anforderungen moderner Zugstoßprüfungen gerecht zu werden. Es bietet einen flexiblen Geschwindigkeitsbereich von 0,77 m/s bis 24 m/s sowie wählbare Aufprallenergien zwischen 0,3 J und 1800 J – ideal für die Prüfung unterschiedlichster Materialien und Anwendungen.

Zum Zubehör für Zugstoßprüfungen gehören integrierte Kraftaufnehmer, die Kräfte von 0,45 kN bis 30 kN erfassen. So wird höchste Messgenauigkeit sowohl bei niedrigen Kräften – etwa bei Folien – als auch bei hochfesten Verbundwerkstoffen gewährleistet.

Darüber hinaus lässt sich das „9450“-System nahtlos mit Hochgeschwindigkeitskameras und DIC-Software kombinieren. So entstehen CAE-fähige (Computer-Aided Engineering) Daten, die es Ingenieuren ermöglichen, Konstruktionen zu optimieren und den Bedarf an physischen Prototypen deutlich zu reduzieren.

Wie die Zugstoßprüfung die Werkstoffentwicklung verbessert

Die Zugstoßprüfung unterstützt Ingenieure entlang des gesamten Entwicklungsprozesses – von der Formulierung eines Rohpolymers bis hin zur Wahl des optimalen Verarbeitungsverfahrens. Ein Beispiel: Nanoporöse Polymerfilme in Lithium-Ionen-Batterien müssen eine präzise Balance finden – ausreichend Porosität für den Ionentransport, aber gleichzeitig genug Festigkeit, um die strukturelle Funktionalität zu gewährleisten.

Prüfungen über verschiedene Dehnraten und Temperaturbereiche hinweg helfen dabei, mechanische Eigenschaften gezielt abzustimmen und so eine sichere, zuverlässige Leistung sicherzustellen. Bei Kunststoffen kann die Zugstoßprüfung beispielsweise die Glasübergangstemperatur aufzeigen – ein entscheidender Faktor für die Auslegung langlebiger und sicherer Produkte.

Ob bei dünnen Folien in der Elektronik oder verstärkten Strukturen im Fahrzeugbau: Die Zugstoßprüfung schlägt die Brücke zwischen Werkstoffwissenschaft und realer Anwendung. Durch die realitätsnahe Simulation dynamischer Belastungen ermöglicht sie es Ingenieuren, Versagensmechanismen frühzeitig zu erkennen, Konstruktionen zu optimieren und die passenden Materialien auszuwählen.

Für eine ausführlichere Betrachtung von Prüfaufbauten und -methoden besuchen Sie Instron.com und erfahren Sie, wie Zugstoßprüfungen im Elektroniksektor mit dem „Instron 9450“ durchgeführt werden können.

ITW Test and Measurement Italia S.r.l.

Instron CEAST Division

Via Airauda 12

10044 Pianezza, TO/Italien

Tel.: +39 011 9685502

erica_deserti@instron.com

www.instron.com

Über Instron

Instron ist ein weltweit führender Anbieter von Prüfmaschinen für die Werkstoff- und Strukturprüfung. Als global agierendes Unternehmen bietet Instron Komplettlösungen aus einer Hand und entwickelt sowie wartet Produkte zur Prüfung der mechanischen Eigenschaften und Leistungsfähigkeit unterschiedlichster Materialien, Bauteile und Strukturen unter vielfältigen Einsatzbedingungen. Instron-Systeme decken das Spektrum von hochsensiblen Filamenten bis hin zu fortschrittlichen hochfesten Legierungen ab und bieten Kunden umfassende Lösungen für Forschung, Qualitätskontrolle und Lebensdauerprüfung. Darüber hinaus umfasst das Dienstleistungsangebot von Instron umfangreiche Serviceleistungen wie Unterstützung bei der Labororganisation, Kalibrierungskompetenz und gezielte Anwenderschulungen.