02.12.22 – Fokus auf dem Leiterwerkstoff Kupfer (Cu-ETP)

Der Blick ins Innere von Kupferleitern

Im Labor für angewandte Produktionstechnik (LAP) an der Hochschule Trier wird die Lebensdauer von Kabeln und Leitungen in bewegten Anwendungen erforscht. Hierbei liegt der Fokus auf dem Leiterwerkstoff Kupfer (Cu-ETP), der vorwiegend in Kabeln und Leitungen zum Einsatz kommt [1].

Kupferleiter-.jpg

Abbildung 2: Gefügeuntersuchung eines Kupferleiters des Typs H07V-U (Cu-ETP); a) Stand der Technik (Ätzung mit Salpetersäure), b) Neue Gefügedarstellung (Ätzung mit Ammoniumpersulfat). [2]. © Hochschule Trier

 
Kupferleiter.jpg

Abbildung 3: Links: Neuwertiger Kupferleiter des Typs H07V-U mit dem Querschnitt 1,5 mm² (20x Vergrößerung), rechts: Kupferleiter des Typs H07V-U mit dem Querschnitt 1,5 mm² nach 537 Zyklen auf der MRB (20x Vergrößerung) [6]. © Hochschule trier

 
Alle Bilder anzeigen

Mechanische Belastungen bewirken bei Kupferleitern eine durch Gefügeveränderungen entstehende Rauheit an der Oberfläche, die mit der verbleibenden Lebensdauer der Leitungen korreliert. Der Blick ins Innere wird durch den Leitermantel verwehrt. Nur eine authentische metallographische Vorgehensweise entlockt dem Leiterwerkstoff seine Geheimnisse.

 In vorherigen Arbeiten wurde herausgefunden, dass mechanisch-dynamische Belastungen eine Rauheit auf der Leiteroberfläche erzeugen [2]. In Abbildung 1 ist die Oberflächenrauheit Sq über die Lebensdauer des Kupferleiters und deren makroskopische Rauheitsausbildung dargestellt. Diese mit mechanischer Belastung monoton, aber nicht lineare steigende Materialcharakteristik ermöglicht somit die Lebensdauerbestimmung von Kupferleitern in bewegten Anwendungen. Grund für diese Rauheitsausbildung sind Gefügeveränderungen infolge der plastischen Verformung des Werkstoffs, welche sich bis an die Oberfläche durchsetzen. Exakte Kenntnisse der Gefügeveränderungen sind also der Schlüssel zum Ursprung und Entstehung der Oberflächenrauheit.

 Durch die Metallographie können Gefügebilder erzeugt werden, die Untersuchungen der Veränderungen im Inneren des Kupferleiters ermöglichen. Das Endergebnis der metallographischen Untersuchung ist abhängig von der einwandfreien Durchführung der einzelnen Präparationsschritte. Es gilt also die Prozessschritte bei der Probenpräparation und ihre Auswirkung zu analysieren und ein Optimum bei jedem Schritt zu ermitteln.

Allgemeine Anforderungen
Basierend auf der allgemeinen Vorgehensweise in der Metallographie, darf bei der Probenentnahme kein Verfahren zum Einsatz kommen, welches zu Materialveränderungen führt. Auch beim Einfassen der Probe zur weiteren Bearbeitung darf das Material keine Reaktion mit der Probe eingehen und muss ähnliches Verhalten (Zähigkeit und Abrasionsverhalten) beim Schleifen oder Polieren aufweisen. Das anschließende Ätzen der polierten Probe dient der Freilegung von Gefügestrukturen und ermöglicht somit erst die metallographische Untersuchung. Durch die Ätzung sollen z.B. Korngrenzen, Korngrößenveränderungen oder unterschiedliche Legierungsbestandteile sichtbar gemacht werden.

 Dies mag einfach klingen, aber der Prozess und die möglichen Reaktionen auf die einzelnen Prozessschritte sind komplex. Dies wird an den speziellen Anforderungen der vorliegenden Probanden, deren runde Form und weiches Cu-Material untersucht werden sollen, deutlich. Der Schliff der Oberfläche muss eine repräsentative, randscharfe und ebene Fläche des Werkstoffs aufweisen, auf welchem das Gefüge genau zu erkennen ist. Außerdem darf die Oberfläche des präparierten Werkstoffs nicht durch die Bearbeitung (Schliff und Ätzung) während der Prozessschritte unzulässig verändert werden. Veränderungen können z.B. Verformungen, Ausbrüche, Kratzer oder auch Verschmierungen sein [3]. Bei Oberflächenuntersuchungen an elektrischen Leitern bestehen hohe Anforderungen an die Randschärfe [4]. Da es sich bei dem Probandenmaterial um Kupfer handelt, bei dem bereits ab 150 °C Gefügeveränderungen stattfinden können [5], ist auch der Einbettvorgang kritisch zu betrachten. Zum aktuellen Zeitpunkt existieren noch keine Verfahrensvorschriften für die einzelnen Prozessschritte zur Metallographie von Kupferleitern.

Prozessschritte der Probenpräparation und ihre Auswirkungen
Bisher existierende Gefügebilder von sauerstoffarmem Kupfer sind nur unzureichend Einschlüsse, Korngrenzen oder Oberflächenveränderungen u.ä. zu erkennen. Das Verfahren für Leitermaterialien muss also für deren Untersuchung neu definiert und auch explizit auf diese ausgerichtet werden. Nach der Probenextraktion (darunter ist die Entnahme eines Probanden zur Gefügeuntersuchung aus dem belasteten Leiter zu verstehen) ohne thermische Belastung erfolgt das Einbetten der Probe. Hier muss sowohl thermische, plastische als auch chemische Beeinflussung des Probanden vermieden werden. Wie bereits erwähnt ist Kupfer bereits ab 150 °C zu Gefügeveränderungen fähig. In der Standardanwendung wird ein Proband mit dem Warmeinbettverfahren bei ca. 180 °C eingebettet. Das Gefüge eines Kupferleiters ist am interpretationsfähigsten und am wenigsten beeinflusst, wenn die Proben kalteingebettet werden. Hierdurch können Rekristallisationen durch zu starkes Erhitzen im Randbereich ausgeschlossen werden. Nach dem Einbetten erfolgt das Schleifen und Polieren der Proben beginnend mit der Körnung 60 und endend mit der Körnung 4000 (Korndurchmesser 260 bis 4 µm). In der Literatur werden insgesamt bis zu 15 Schleifstufen angeführt. Im Fall von Kupferleitern konnte jedoch kein Unterschied zwischen den Proben, welche sorgfältig mit sämtlichen (15) Schleifstufen geschliffen wurden und den Proben, welche nur mit weniger Schleifstufen geschliffen wurden, festgestellt werden. Das beste Ergebnis ist bei Schliffen mit 800er-, 1000er-, 1200er- und 2500er-Schleifpapier zu erzielen. Der Anpressdruck lag konstant bei 15 Pa. Um einer zu starken Erwärmung entgegenzuwirken werden die Proben durchgehend mit Wasser gekühlt. Die Proben wurden jeweils 6 Minuten auf den einzelnen Schleifstufen geschliffen. Im Anschluss werden sämtliche Proben mit den drei Polituren MPA5010, MPA9010 und MPA11010 poliert (Hersteller FESTOOL). Die Proben werden jeweils für 5 Minuten je Politur poliert. Da die Proben beim Polieren nicht mit Wasser gekühlt werden, muss hier besonders auf den Anpressdruck während des Prozesses geachtet werden. Die Probenhalter der Schleifeinrichtung sollen lediglich auf den Proben aufliegen, um ein Herausschleudern der Proben zu verhindern, die Proben aber nicht fest an die Polierauflage drücken. Gegebenenfalls muss der Prozess nach wenigen Minuten gestoppt und die Temperatur der Proben geprüft werden. Falls die Proben zu warm geworden sind, sollten diese unter dem Mikroskop betrachtet werden, um eine Gefügeveränderung ausschließen zu können. Danach erfolgt der Ätzvorgang mit einer Lösung aus 100 ml destilliertem Wasser und 10 g Ammoniumpersulfat. Die einzelnen Kupferleiter werden mit der Lösung für 4 bis 5 Minuten benetzt. Es ist darauf zu achten, dass die Leiter vollständig mit der Lösung bedeckt sind und sich keine Sauerstoffblase zwischen dem Leiter und der Lösung bildet. Die Angriffswirkung ist sowohl von der Art als auch der Konzentration des Ätz- und Lösungsmittels abhängig. Es existieren verschiedene Ätzrezepte für Reinkupfer und Kupferlegierungen. Jedoch liegt keine ausführliche Anleitung für die Metallographie von niedrig legiertem bzw. reinem Kupfer wie für den Leiterwerkstoff Cu-ETP vor. Bisherige Darstellungen lassen keine aussagekräftige Interpretation des Gefüges zu (siehe Abb. 2a). Deutlich werden auch die Vorteile der hier beschrieben metallographische Vorgehensweise. Die anschließende Betrachtung der Proben erfolgt mittels Auflichtmikroskops bei 20 bis 100-facher Vergrößerung.

Metallographische Untersuchung von neuwertigen und mechanisch belasteten Kupferleitern
Mit dem oben beschrieben metallographische Verfahren lassen sich nunmehr die eingangs erwähnter Rauheiten und Risse als Verschleißmechanismen, die über die Belastungsdauer von Kabel und Leitungen entstehen, deutlich erkennen und damit interpretieren. Dafür werden Kabel des Typs H07V-U mit einem Querschnitt von 1,5 mm² auf der Mehrfachbiegeanlage mit zwei Rollen in Anlehnung an DIN EN 50396 bis zum Bruch belastet. Anschließend wird ein Längsschliff der Oberfläche angefertigt, um Gefügeveränderungen darzustellen. Zusätzlich wird die Oberflächenrauheit der Probanden angegeben, welche mithilfe des Konfokalmikroskops Confovis Toolinspect S gemessen wird. Abbildung 3 zeigt deutlich erstmalig im Vergleich zum unbelasteten Neuleiter die durch Kornveränderungen und Risse entstehende Rauheit. Somit ist die Ausbildung der Rauheit durch eine neue metallographische Vorgehensweise sichtbar geworden und kann in Zukunft weiter untersucht werden.

Quellenangaben
 [1] Deutsches Kupfer-Institut 2000 – Kupfer in der Elektrotechnik.
 [2] Ehlenz T (2020), “Multiphysikalische Betrachtung von Kabeln und Leitungen unter mechanisch- dynamischer Belastung,“ Dissertation FAU Erlangen-Nürnberg, Düren: Shaker
 [3] Petzow, Günter (2006): Metallographisches, Keramographisches, Plastographisches Ätzen, 6. Auflage. Gebrüder Borntraeger, Stuttgart
 [4] Schwab, Rainer (2019): Werkstoffkunde und Werkstoffprüfungen für Dummies, 3. Auflage. WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
 [5] Bargel, H.-J. und Schulze, G. (2018): Werkstoffkunde. Springer-Lehrbuch, Berlin, Heidelberg
 [6] Baron, P., et al. Surface roughness and its structural orientation caused by internal microstructural changes in mechanically stressed copper conductors. J Mater Sci 57, 15549–15559 (2022). https://doi.org/10.1007/s10853-022-07579-w

Die Autoren des Beitrags sind Maria Schomer, Philipp Baron, Philipp Lenz und Armin Wittmann (Professur für Produktionstechnik), Hochschule Trier.

Hochschule Trier
Labor für angewandte Produktionstechnik
Schneidershof, 54293 Trier
Ansprechpartner ist Philipp Baron
Tel.. +49 651 8103-766
p.baron@mb.hochschule-trier.de
www.hochschule-trier.de