03.03.21 – Leichtbau

Schwingfestigkeit hybrid gefügter Materialverbindungen

Zunehmend schärfere gesetzliche Emissionsgrenzwerte drängen die Automobilindustrie zu innovativen Leichtbaulösungen. In diesem Kontext gewinnt auch die Schwingfestigkeit gefügter Feinblechverbindungen an Bedeutung. Untersucht werden diese Eigenschaften im Rahmen des Forschungsprojektes „Alliance“.

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Bauteilähnliche Napfprobe als CAD- und CAE-Modell. © LBF

 
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Verlauf der relativen dynamischen Steifigkeit in Bezug zur thermoelastischen Spannung. © LBF

 

In dem EU-geförderten Forschungsprojekt Allliance entwickelte der Automobilhersteller Opel Automobile zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF und dem Fachgebiet SAM der Technischen Universität Darmstadt numerische Methoden auf Basis von Schwingfestigkeitsversuchen von Scherzug- und Schälzugproben zur Lebensdauerabschätzung für Multi-Material-Fügetechniken. Die Validierung der Methode erfolgte durch Wissenschaftler des Fraunhofer LBF mit Schwingfestigkeitsversuchen an bauteilähnlichen Tellerproben mit der Materialpaarung Stahl-Aluminium.

Der Einsatz bauteilähnlicher Tellerproben liefert praxisnahe Erkenntnisse über die Schwingfestigkeitseigenschaften von Strukturbauteilen, die sich in dieser Art nicht an den üblichen einfach überlappenden Standardproben ermitteln lassen. Die Schwingfestigkeitsversuche dienen als Grundlage für die Validierung numerischer Methoden zur Lebensdauerabschätzung und ermöglichen Einblicke in real auftretende Schädigungsmechanismen. Erste Einblicke in die komplexe Welt der Schwingfestigkeit hybrid gefügter Strukturbauteile bieten nun die Versuchsergebnisse aus dem Fraunhofer LBF.

„Das Potenzial dieses Fügeverfahrens, insbesondere für zukünftige Leichtbaukonzepte der Automobilindustrie, ist vielversprechend. Um es voll ausschöpfen zu können und für eine industrielle Anwendung zu nutzen, ist es jedoch zwingend erforderlich, Fertigungsprozesse weiter zu optimieren“, betont Dr. Jörg Baumgartner, der das Forschungsprojekt am Fraunhofer LBF betreut.

Möglichst praxisnahe Untersuchungen

Bei der Tellerprobe wird ein tiefgezogener Napf im Bereich des umgeformten Flansches mit einer fest eingespannten ebenen Grundplatte verbunden. So lassen sich Kräfte und Momente im Versuchsaufbau in beliebiger Richtung in den Napf einleiten und ein definierter Beanspruchungszustand als Kombination aus Scherzug und Schälzug einstellen. Die Probenform ermöglicht es damit, die Schwingfestigkeitseigenschaften struktureller Bauteile möglichst praxisnah und dennoch im Labormaßstab zu untersuchen.

Um das Leichtbaupotenzial von Strukturbauteilen in Multi-Materialbauweise zu ermitteln, führten die Darmstädter Forscher Schwingfestigkeitsversuche an geklebten, genieteten und hybrid gefügten Tellerproben durch. Dabei zeigten die geklebten Tellerproben deutlich höhere zyklische Beanspruchbarkeiten als genietete Tellerproben. Ähnliche Ergebnisse erbrachten die Versuche an Scherzugproben. Die hybriden Tellerproben jedoch wiesen geringere zyklische Beanspruchbarkeiten auf als die geklebten Tellerproben. „Einen möglichen Grund für dieses Verhalten vermuten wir in dem noch nicht optimierten hybriden Fertigungsprozess, wodurch eine unsachgemäße Verklebung beider Fügepartner resultiert. Dies lässt sich beim Vergleich der unterschiedlichen Chargen der hybriden Tellerproben erkennen“, so Baumgartner. Als hilfreicher Ansatz zeigte sich eine zusätzliche Fixierung der Bleche beim Setzen der Niete. Hierdurch konnte das Aufklaffen der beiden Bleche während des Fügeprozesses reduziert sowie eine Erhöhung der Fügequalität und Steigerung der Schwingfestigkeit erzielt werden.

Die vielversprechenden Ergebnisse des Alliance-Projektes betont auch Dr.-Ing. Boris Künkler, Manager CAE Methods, Expertise and Support Opel/Vauxhall: „Eines der Ziele im Projekt Alliance war die Entwicklung einer anwendungsorientierten Simulationsmethode zur zuverlässigen Betriebsfestigkeitsbewertung geklebter und stanzgenieteter Blechverbindungen. Dabei waren die Testergebnisse der am Fraunhofer LBF entwickelten und geprüften Tellerproben zur Validierung der Methode bei kombinierten Belastungszuständen extrem hilfreich.“

Förderer und Partner

Im Konsortium Alliance (Affordable Lightweight Automobiles Alliance) haben sich die Automobilhersteller Daimler, Volkswagen, Fiat-Chrysler, Volvo, Opel und Toyota, die Zulieferer Thyssenkrupp, Novelis, Batz und Benteler sowie die Wissenschaftspartner Swerea, Inspire, Fraunhofer LBF, RWTH-IKA, KIT-IPEK, Universität Florenz, Bax & Company und Ricardo zusammengeschlossen. Die Initiative Alliance wird von EUCAR und EARPA unterstützt. Gefördert wird sie durch European Union Horizon 2020.

Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit
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