17.09.15

Hohlwellen schmieden

Windenergie ohne Leichtbau geht schlecht. Sonst wird Elektrizität zwar generiert, aber der Wirkungsgrad liegt danieder. Geldwerte Chancen bietet hier die Nutzung freiformgeschmiedeter, leichter Generatorwellen. Numerische Simulation mit Gefügeberechnung ist dabei ein Ansatzpunkt, die Schmiedeabläufe realistisch auszulegen. 

Hohlwellen schmieden

Schmiedeprozess am Institut für Bildsame Formgebung.

 

Moderne Windkraftanlagen weisen heute eine Höhe von über 200 m auf und stellen eine elektrische Leistung bis zu 5 MW zur Verfügung. Die höhere elektrische Leistung führt ebenfalls dazu, dass der Generator oben auf dem Maschinenhaus deutlich größer ausgelegt werden muss. Im Hinblick darauf ist es notwendig, Leichtbaupotenzial zu identifizieren und umzusetzen. Ein möglicher Ansatzpunkt besteht darin, eine gewichtsoptimierte Hohlwelle für die Übertragung der Rotorbewegung auf den Generator zu fertigen. Üblicherweise wird diese Hohlwelle aus Gusseisen mit Kugelgraphit hergestellt. Für eine Anlage mit einer Leistung von 5 MW ergibt sich hierbei ein Gewicht von 33,4 t. Eine alternative Möglichkeit zur Fertigung besteht im Freiformschmieden. Gegenüber den Gussprozessen bietet das Verfahren den Vorteil, dass durch die Warmumformung des Werkstoffs ein feinkörniges Gefüge mit guten mechanischen Eigenschaften realisiert werden kann. Für einen üblichen Vergütungsstahl wie 42CrMo4 liegt die Dauerfestigkeit unter tordierender Beanspruchung, die maßgeblich für den beabsichtigten Einsatzfall ist, rund 50 % über der von Kugelgraphit.

In Bezug auf den Fertigungsprozess ist das Freiformschmieden von Hohlwellen mit Herausforderungen verbunden. Insbesondere ist es von sehr großer Bedeutung, dass im gesamten Bauteil ein feinkörniges Gefüge sichergestellt werden kann, damit homogene mechanische Eigenschaften vorliegen und die Prüfung mittels Ultraschall ermöglicht wird.

Da die benötigten Versuche für das Hohlwellenschmieden mit Stückgewichten von bis zu 30 t aufwändig sind, wurde hierfür eine Machbarkeitsstudie in verkleinertem Maßstab durchgeführt. Dazu wurde eine industriell realistische Hohlwelle auf einen Labormaßstab mit einem Gewicht von etwa 180 kg verkleinert. Das Vorgehen basiert darauf, unter Verwendung der numerischen Simulation den Prozess auszulegen und eine passende Schmiedestrategie zu wählen. Im Anschluss daran wurden Versuchsschmiedungen auf der Schmiedeanlage des IBF durchgeführt, um die Ergebnisse der numerischen Simulation zu validieren und eine Schmiedung unter realistischen Prozessbedingungen durchzuführen.

Zur Untersuchung des Prozesses wurde eine Hohlwelle in einem aus sieben Stichen bestehenden Schmiedeprozess auf einer 6,3 MN Schmiedepresse am Institut für Bildsame Formgebung IBF geschmiedet, siehe Abbildung 1. Dabei ergab sich eine gute Übereinstimmung zwischen einerseits der Prozessplanung – siehe Abbildung 1, links)– der simulierten Endgeometrie (Abbildung 1, Mitte) sowie der erreichten Endgeometrie, siehe Abbildung 1, rechts. Die gewählte Prozessroute erwies sich somit als geeignet, um die Herstellung einer Hohlwelle durch Freiformschmieden zu ermöglichen.

Die Mikrostruktur ist von hoher Bedeutung für die finalen Eigenschaften des Bauteils. Daher wurden Modelle zur Vorhersage für den verwendeten Werkstoff in das numerische Simulationsmodell integriert. Zur Validierung der Mikrostrukturberechnung wurde der geschmiedete Demonstrator metallographisch ausgewertet und mit der Simulation verglichen, siehe Abbildung 2. Es ergab sich grundsätzlich eine gute Übereinstimmung von Simulation und Versuch, da die simulierte Korngröße unter Beachtung der Standardabweichung bei der metallographischen Untersuchung mit der realen Korngröße korrespondiert. Somit kann für die weiteren Untersuchungen das Mikrostrukturmodell dazu verwendet werden, um die Korngröße vorherzusagen.

Ein weiterer Schritt bestand darin, den Prozess im Hinblick auf die Mikrostruktur zu optimieren. Hierbei sollten die Schmiedeparameter ermittelt werden, die zum Erreichen verbesserter Bauteileigenschaften verwendet werden. Dabei wurde mithilfe der numerischen Simulation ermittelt, dass bevorzugt eine großen Höhenabnahme und ein großes Bissverhältnis angewandt werden sollten, um im Bauteil eine homogene und feinkörnige Mikrostruktur zu erzielen.

Fazit

Die gezeigten Untersuchungen verdeutlichen, dass es sich beim Freiformschmieden grundsätzlich um eine anwendbare Herstellungsroute zur Fertigung von Hohlwellen handelt. Zudem kann die numerische Simulation dafür angewendet werden, um mit hinreichender Genauigkeit die Geometrie- und Mikrostrukturentwicklung beim Freiformschmieden vorherzusagen und ermöglicht so eine effiziente Planung von Schmiedeprozessen. Für weitere Untersuchungen ist insbesondere die Übertragung auf eine industriell relevante Geometrie von besonderem Interesse.

Martin Wolfgarten, Dirk Rosenstock und Gerhard Hirt, Institut für Bildsame Formgebung der RWTH Aachen

RWTH Aachen
Institut für Bildsame Formgebung IBF
Intzestraße 10, 52072 Aachen
Ansprechpartner ist Martin Wolfgarten
Tel.: +49 241 805907
wolfgarten@ibf.rwth-aachen.de
www.ibf.rwth-aachen.de

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