24.09.21 – Interview mit Daniel Ryfisch

Faktor Mensch – unerlässlich, um Vertrauen zu schaffen

Seit 1. September 2020 ist Daniel Ryfisch Project Director der Weltleitmessen „wire“, „Tube“ und „Valve World Expo“ und deren internationale Ausgaben. Er ist damit sowohl für die strategische Ausrichtung innerhalb der Messethemen als auch für den Ausbau des Auslandsmessegeschäfts zuständig. DRAHT sprach mit ihm über Impulse und Orientierung.

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Seit 1. September 2020 ist Daniel Ryfisch Project Director der Weltleitmessen „wire“, „Tube“ und „Valve World Expo“ und deren internationale Ausgaben. © Messe Düsseldorf

 
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Daniel Ryfisch: Eine virtuelle Veranstaltung ‚wire‘ und ‚Tube‘ wird es nicht geben, wir setzen auf Präsenz. © Messe Düsseldorf

 

DRAHT: Herr Ryfisch, Sie haben die ‚wire Düsseldorf‘ in Corona-Zeit als Project Director übernommen. Mit welchen besonderen Herausforderungen waren Sie konfrontiert?

Daniel Ryfisch: Für uns als Messemenschen, aber auch für unsere Aussteller, die sich im Vorfeld einer Messe über Monate, oft Jahre auf ihren Messeauftritt vorbereiten, war das natürlich ein schwerer Schlag. Die Pandemie nahm im Frühjahr 2020 dramatisch an Fahrt auf und so haben wir uns in Abstimmung mit vielen Vertretern aus der Branche, Verbänden, Partnern, Ausstellern, Besuchern entschlossen, ‚wire‘ und ‚Tube‘ in den Dezember 2020 zu verlegen, in der Hoffnung, dass die Pandemie dann abgeschwächt wäre.
Doch das passierte nicht und wir haben unsere Messen erneut verschieben müssen. Jetzt sollen beide Fachmessen gemeinsam vom 9. bis 13. Mai 2022 in Düsseldorf stattfinden.
Zwei Mal einen Messetermin zu finden, der mit der Branche abgestimmt passt, nicht mit zu vielen Wettbewerbsveranstaltungen weltweit kollidiert und gleichzeitig freie Kapazitäten auf dem sehr gut gebuchten Düsseldorfer Messegelände findet, stellt schon einmal eine Herausforderung dar.
Noch dazu müssen sämtliche Anmeldunterlagen ausgetauscht und angepasst werden, Marketing- Werbe- und Pressemaßnahmen aktualisiert und der neue Termin überall kommuniziert werden.
Ein umfangreiches, den Anforderungen und Vorgaben der Politik entsprechendes Hygienekonzept muss erarbeitet und auf die Bedürfnisse unserer Industriemessen und deren Zielgruppen angepasst werden. Wir sind dabei regelmäßig mit unseren Ausstellern ins Gespräch gegangen, haben versucht, so gut es ging, ihre Anregungen, Wünsche und Bedürfnisse bei der Findung eines neuen Termins zu berücksichtigen. Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelungen ist.

DRAHT: Auch die Auslandsmessen der ‚wire‘ mit Ausnahme der ‚wire China 2020‘ und der ‚wire Russia 2021‘ konnten nicht durchgeführt werden. Selbst wenn Veranstalter und Aussteller wollten, oftmals zwang die Pandemie Landesregierungen den Lockdown zu verhängen. Wie ist die eigene Lage der Messe Düsseldorf?

Daniel Ryfisch: Aktuell ist die Wiederaufnahme des Geschäfts an der Homebase Düsseldorf für den Herbst geplant. Im Messekalender stehen der ‚Caravan Salon Düsseldorf‘ (27.8.-5.9.), die ‚A+A‘ (26.10.-29.10.), die ‚Medica‘ und die ‚Compamed‘ (beide 15.11.-18.11.). Die Messe Düsseldorf beobachtet aufmerksam die aktuelle Situation und wird rechtzeitig in Abstimmung mit ihren Partnern die Lage neu bewerten und verantwortungsvoll entscheiden.
Die Durchführung ist von vielen Faktoren abhängig: Eine Voraussetzung ist unter anderem, dass Aussteller und Besucher anreisen können, dass sie hier in der Stadt untergebracht und bewirtet werden können. Das voranschreitende Impfgeschehen stimmt uns hierbei optimistisch.

DRAHT: Fenster in der Pandemie wurden immer wieder genutzt, Präsenzmessen stattfinden zu lassen. Veranstalten oder Absagen – Nach welchen Kriterien hat die Messe Düsseldorf Ihre Entscheidungen getroffen?

Daniel Ryfisch: Im Ausland ist unser Geschäft bereits wieder angelaufen und auch in Düsseldorf stehen wir bereit: Allein im 2. Halbjahr 2020 veranstaltete unsere Tochter Messe Düsseldorf Shanghai sechs Messen mit mehr als 3200 Ausstellern und 160 000 Fachbesuchern.
Im April fanden bereits erfolgreich die Kunststoffmesse ‚Chinaplas‘ mit 3612 Ausstellern und 152 134 Besuchern sowie die Arbeitsschutzmesse ‚Ciosh‘ mit 1565 Ausstellern und 36 000 Besuchern statt. Insgesamt sind zehn Eigenveranstaltungen in diesem Jahr geplant.
Anfang des Jahres 2021 konnte auch das Russlandgeschäft neu starten. Russlands führende Modemesse, die ‚CPM‘ – Collection Première Moscow, bildete im Februar mit 10 762 Einkäufern und 550 präsentierten Modemarken den Auftakt für die Wiederaufnahme des Messebetriebs auf dem Gelände des Moskauer Kooperationspartners Expocentre.
Ende April folgte die ‚Neftegaz‘ mit 450 Ausstellern aus 23 Ländern und mehr als 14 000 Besuchern. Die Messe Düsseldorf Moskau wird 2021 zwölf Eigen- und Kooperationsveranstaltungen, Beteiligungen und Konferenzen veranstalten. Auch in Düsseldorf haben wir bereits bewiesen: Erfolgreiche Messen sind unter dem größtmöglichen Schutz für alle Beteiligten in Corona-Zeiten möglich.

DRAHT: Viele Messeveranstalter reagierten mit hybriden Angeboten. Unternehmen mit virtuellen Hausmessen – oft mit Erfolg und guter Resonanz.
In welche Richtungen denkt die Messe und welche Pläne gibt es dahingehend bereits für die ‚wire 2022‘?

Daniel Ryfisch: Eine virtuelle Veranstaltung ‚wire‘ und ‚Tube‘ wird es nicht geben, wir setzen auf Präsenz. Neue digitale Formate werden künftig unsere Präsenzmessen zwar ergänzen und in Kombination einen größeren Nutzen für unsere Kunden schaffen, dennoch sind wir überzeugt, dass die Branchen der Draht-, Kabel- und Rohrindustrie auch in Zukunft verstärkt auf Präsenzmessen setzen.
Natürlich arbeiten wir für ‚wire‘ und ‚Tube‘ an der Ausweitung digitaler tools, um das Angebot der Branchen auch digital noch weiter abzubilden und die match-making-Funktion auszubauen. Hier können sich Aussteller und Besucher bereits im Vorfeld der Präsenzmessen verlinken, Angebote und Nachfragen austauschen und ins Gespräch kommen.
Jedoch die persönliche Begegnung auf dem Messegelände, das Gespräch am Messestand, eine gemeinsam besuchte Pressekonferenz, die einige Aussteller begleitend zum Messegeschehen durchführen, und das Feierabend-Bier in einer pulsierenden Stadt wie Düsseldorf sind unschlagbare Elemente für eine Präsenzmesse.

DRAHT: Sie sind auch für den Ausbau des Auslandsmessegeschäfts zuständig. Die Messe Düsseldorf kooperiert mit SECRI in Shanghai zur ‚Wire Show‘. Auch diese Messe musste heuer Coronabedingt abgesagt werden. In Amerika arbeiten die Messe Düsseldorf mit der WAI bei der ‚Interwire‘ in Atlanta GA USA, zusammen. Wohin geht die Reise?

Daniel Ryfisch: Es war und ist immer unser Ziel, die Messen an der Homebase DUS zu stärken und weiter auszubauen. ‚wire‘ und ‚Tube‘ haben sich zu den Weltleitmessen ihrer Branchen entwickelt, weil sich hier alle zwei Jahre die Key-Player der Branchen treffen. Beide Messen gehören sowohl auf Aussteller- als auch auf Besucherseite- zu den internationalsten Fachmessen im Portfolio der Messe Düsseldorf.
Satelliten in internationalen Wachstumsmärkten sollen als regionale Hotspots die Themen Draht, Kabel und Rohre in diesen Regionen stärken und zusätzlich die Fachwelt auf unsere Weltleitmessen an der Homebase Düsseldorf aufmerksam machen.
Wir unterstützen unsere Aussteller bei einem Auftritt auf einer unserer Satellitenveranstaltung. Sowohl die Aufplanung als auch eine intensive Betreuung vor Ort sind uns wichtig. Noch dazu haben die Aussteller die Möglichkeit eines gemeinsamen, vom Bund geförderten Messauftritts durch den BMWi.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) beteiligt sich an Leitmessen der Draht-, Kabel- und Rohrindustrien beispielsweise in China, Indien oder Russland. Damit erhalten deutsche Aussteller eine perfekte Plattform zur Präsentation Ihrer Produkte und Neuheiten zu attraktiven Konditionen. 2020 wurde ein neues, junges und modernes Standbaukonzept entwickelt, das bei allen durch das BMWi-unterstützten, internationalen Satelliten eingesetzt werden soll.
Unter der Dachmarke ‚made in Germany‘ wird beim Standbau besonders auf die Fernwirkung und ein modernes Design Wert gelegt. Durch ein modular aufgebautes Standsystem können individuelle Ausstellerwünsche jetzt noch stärker berücksichtigt werden.
Betreut werden die Teilnehmer des deutschen Gemeinschaftsstandes vor Ort durch Kollegen der Messe Düsseldorf, die auch bei allen organisatorischen und technischen Abwicklungen behilflich sind. Kostenfreie Eintrittskarten für Kunden und Geschäftspartner sowie begleitende Werbe- und Pressemaßnahmen sorgen für eine optimale Platzierung der Fachmessen in der Öffentlichkeit, die Nutzung des Informationsstandes vor Ort mit Besprechungsräumen, Internetzugang und Lounge ist ebenso inbegriffen.

DRAHT: Corona hat vieles überlagert. Themen die uns länger als, wie zu hoffen, die Pandemie beschäftigten werden, aber genauso wenn nicht sogar wichtiger sind. Carbon footprint, Wasserstofftechnik,E-Mobilität, Lieferkettensicherheit, Rohstoffversorgung oder Künstliche Intelligenz, um nur einige zu nennen. Themen die sich sicher an vielen Messeständen widerspiegeln werden. Wird die Messe solche Themen aufgreifen?

Daniel Ryfisch: Hierzu sind tägliche Rundgänge, sogenannte ‚ecoMetal-trails‘ geplant, die auf unserer ecoMetals-Kampagne basieren. Nachhaltig, umweltfreundlich, energiesparend und innovativ: So wollen die meisten produzierenden Unternehmen im Licht der Öffentlichkeit glänzen. Doch der Weg dahin ist besonders in den ressourcenintensiven Technologieunternehmen der Draht-, Kabel- und Rohrindustrien oft lang. Bis ein Unternehmen es umgesetzt hat, die Ansprüche von Klimaeffizienz, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu vereinen, vergehen oft Jahre.
Zur Messelaufzeit im Mai 2022 führen die ‚ecoMetals-trails‘ zu Messeständen von Ausstellern, die nachhaltig, ressourcenschonend und emissionsreduziert produzieren. Die Aussteller erhalten die Chance, die Teilnehmer der trails gegen eine Schutzgebühr an ihrem Messestand persönlich und ausführlich über Innovationen aus ihrem Unternehmen zu informieren. Treffpunkt aller für Besucher kostenfreien Touren ist immer der ecoMetals-Informationscounter im Eingang Nord des Düsseldorfer Messegeländes.

DRAHT: 1986 fand die ‚wire‘ erstmals in Düsseldorf statt. Was ist das Kontinuum in all den Jahren? Wo wird und muss die Messe sich erneuern?

Daniel Ryfisch: Die ‚wire‘ hat sich seit ihrer Düsseldorfer Premiere im Jahr 1986 sehr erfolgreich weiterentwickelt und ist mittlerweile die Nr. 1 Veranstaltung der internationalen Draht- und Kabelindustrie. Ihr Angebot spiegelt den gesamten Markt im Bereich Drahtmaschinen und Drahtanlagen sowie Kabeltechnologien wider.
Seit Jahren immer wichtiger werdende Megatrends wie Elektromobilität, Wasserstoffenergie, Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Digitalisierung bestimmen zunehmend das Denken und Handel in den Branchen. Darauf reagieren wir als Messeveranstalter mit einem angepassten Angebot.

DRAHT: Corona hat Geschäftsreisen zurück gehen lassen. Unternehmen stellen fest wie hoch die Einsparungen sind. Inwieweit trifft der Klimawandel und die Diskussion darum internationale Messen? Sind bis dato von weither einfliegende Besucher noch zeitgemäß.

Daniel Ryfisch: Natürlich haben wir in diesen Zeiten verstärkt festgestellt, dass virtuelle Meetings erfolgreich sein können, sie machen einen reinen Informationsaustausch in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und eingeschränkten Reisen erst möglich.
Doch auch ein noch so professionell und straff durchgeführtes virtuelles Meeting kann eine Präsenzveranstaltung nicht ersetzen. Das Gefühl, ein Messegelände zu betreten, die Atmosphäre aufzunehmen und sich dann ins Messegeschehen zu begeben, ist durch nichts zu ersetzen.
Die große Mehrheit unserer Aussteller hat sich klar für eine Präsenzveranstaltung in 2022 ausgesprochen. Eine virtuelle Veranstaltung ist eine gute Ergänzung, wird aber nie Ersatz für eine Präsenzmesse sein können.

DRAHT: Einmal um die ganzen Welt: Das Jahr 2022 ist voller ‚wire‘-Messen: im Februar ‚wire Southeast Asia‘, Mai ‚wire Düsseldorf‘, September ‚wire China‘, Oktober ‚wire South America‘ und im November ‚wire India‘. Wollen und können Aussteller das stemmen? Orientieren Besucher dann eher regional oder zur Weltleitmesse ‚wire‘ in Düsseldorf

Daniel Ryfisch: Einmal um die ganze Welt, ja, das klingt sehr ambitioniert. Daher unterstützen wir unsere Branchen durch gezielte Messevorbereitung, der Unterstützung einer BMWi-Beteiligung, einer intensiven Betreuung im Vorfeld und während der Laufzeiten vor Ort.
Natürlich ist uns bewusst, dass ein Großteil der Aussteller seinen Fokus auf eine oder zwei Messebeteiligungen pro Jahr legt. Da will es gut überlegt sein, welchen ausländischen Markt man intensiver durch eine Messepräsenz bearbeiten möchte. Daher bieten wir unseren Kunden ein ganzes Menü an weltweiten Veranstaltungen, aus denen sie auswählen können.
Sie haben die Möglichkeit, ihre Maschinen, Anlagen, Produkte und Dienstleistungen auf unterschiedlichen Kontinenten zu präsentieren, sich damit weltweit aufzustellen. Wir unterstützen unsere Aussteller bei ihren internationalen Messeauftritten, schaffen so eine Plattform für internationale Begegnungen und öffnen die Tür zu neuen Absatzmärkten.

DRAHT: Wie hat die Messe Düsseldorf die Zeit im Gesamten überstanden? Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?

Daniel Ryfisch: Fest steht: Die Geschäftsgrundlage für Messen bleibt erhalten. Das zeigten der hohe Zuspruch unserer Kunden und Partner, die Anmeldestände unserer anstehenden Messen sowie unsere bereits in der Pandemie abgehaltenen erfolgreichen Messen im In- und Ausland.
Beim Wiederaufleben der Wirtschaft werden Messen eine zentrale Rolle spielen. Die Branchen benötigen schließlich Plattformen für Präsentation, Information, Austausch und Networking. Hinzu kommen zahlreichen Betriebe aus Handwerk, Messebau, Transport, Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel, die mit den Veranstaltungen zusammenhängen.
Gerade in Zeiten des Wandels ist es wichtiger denn je, dass sich Industrievertreter informieren, austauschen und sich gegenseitig ihre Innovationen präsentieren. Insbesondere Präsenzmessen bieten den Faktor Mensch – unerlässlich, um Vertrauen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir mittel- bis langfristig wieder einen Aufschwung für unser Geschäft.

Zur Person
Seit 1. September 2020 ist Daniel Ryfisch Project Director der Weltleitmessen Messen „wire“, „Tube“ und „Valva World Expo“ und deren internationale Satelliten in China, Thailand, Brasilien, Russland und Indien. Er ist damit sowohl für die strategische Ausrichtung innerhalb der Messethemen als auch für den Ausbau des Auslandsmessegeschäfts zuständig. Er berichtet weiter an Friedrich-Georg Kehrer, der seinen Schwerpunkt als Global Portfolio Director auf die Erschließung neuer Geschäftsfelder im Bereich wire, Tube und Flow Technologies richtet. Daniel Ryfisch bringt viel Erfahrung aus dem internationalen und nationalen Messegeschäft mit. Der 40-jährige Diplom-Volkswirt startete nach mehreren Auslandsaufenthalten in den USA und Asien 2007 als Trainee bei der Messe Düsseldorf und arbeitete dort ab 2008 als Projektreferent für die weltweiten Satelliten der Fachmessen wire, Tube und Metec in Russland, Indien, China und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Bereits seit 2015 verantwortet Daniel Ryfisch die wire und Tube auf operativer Ebene als Deputy Director.

Das Interview führte DRAHT-Chefredakteur Jörg Dambock (–jd–).

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