27.01.23 – Aus der Forschung
Neue Achse schafft mehr Reichweite für E-Autos
Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Fahrzeugleichtbau der Universität Siegen haben eine neue Hinterachse für Elektro-Kleinwagen entwickelt. Die Achse schafft in der Karosserie mehr Platz für die Batterie – die Reichweite der E-Autos lässt sich so um etwa 115 km steigern.
Die begrenzte Reichweite ist ein wesentlicher Kritikpunkt speziell bei kleineren Elektro-Autos. Eine Innovation des Lehrstuhls für Fahrzeugleichtbau der Universität Siegen ermöglicht hier eine deutliche Verbesserung: Xiangfan Fang und sein Team haben eine neue Hinterachse für batteriebetriebene Kleinwagen entwickelt, die in der Karosserie mehr Raum für die Batterie lässt. So können größere Antriebsbatterien eingebaut werden, wodurch sich die Reichweite der Autos um 35 % steigern lässt – das entspricht rund 115 km. Die neue Hinterachse wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „E-MLTA“ (Entwicklung und Erprobung einer bauraumsparenden Mehrlenker-Torsionsachse) zusammen mit Ford, VW und weiteren Projektpartnern entwickelt. Das Projekt wurde aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) NRW mit insgesamt 1,6 Mio. Euro gefördert.
„Unsere Idee war eigentlich ganz einfach: Wir haben die Hinterachse ‚umgedreht‘ und den Querträger der Achse so nach hinten, in Richtung Kofferraum verlagert“, sagt Prof. Fang. „Damit vergrößert sich nach vorne die Fläche, die unter dem Auto für die Batterie zur Verfügung steht.“ Um die gewohnten Fahreigenschaften des Autos zu erhalten, mussten die Siegener Fahrzeugbauer an der Achse jedoch noch weitere Anpassungen vornehmen: Mehrere Lenker und Gelenke sorgen unter anderem dafür, dass sich das Auto beim Bremsen normal verhält und nicht mit dem Heck nach oben geht. „Wir haben die neue Achse zunächst am Computer konstruiert und virtuell in die Karosserie integriert, um die Eigenschaften genau berechnen und simulieren zu können“, erklärt Projekt-Mitarbeiter Jens Olschewski. Basierend auf diesen Daten sei im Anschluss der Prototyp der Stahlachse entstanden.
Im nächsten Schritt wurde die Achse mit den Projektpartnern aus der Industrie in Hardware umgesetzt und in einen Fiesta eingebaut, den Projektpartner Ford den Wissenschaftlern als Testwagen zur Verfügung gestellt hatte. Um das Gewicht der Batterie zu simulieren, wurden unter dem Boden des Benziners schwere Metallplatten angebracht. Anschließend wurde das Auto mit umfangreicher Messtechnik ausgestattet und im Prüfstand sowie auf einer Teststrecke der Firma Ford in Belgien von Experten ausführlich getestet. Zusätzlich führte das Siegener Forscherteam Testfahrten mit allen Mitarbeitern des Projektkonsortiums auf dem Verkehrsübungsplatz in Olpe durch. Bei den Tests zeigte sich, dass Komfort und Sicherheit des Fahrzeugs erhalten bleiben. Bei der Fahrdynamik schnitt der Testwagen in einigen Punkten leicht schlechter ab als Autos mit herkömmlicher Hinterachse. „Die Differenz ist aber so gering, dass wir sie durch weitere Abstimmungen sicherlich kompensieren können“, ist Xiangfan Fang überzeugt. Vertreter der beiden Projektpartner Ford und VW hätten sich von den Ergebnissen insgesamt beeindruckt gezeigt.
Aktuell arbeiten Xiangfan Fang und sein Team daran, das neue Achs-Konzept noch weiter zu verbessern. Parallel laufen Gespräche mit mehreren Autoherstellern mit dem Ziel, die Hinterachse serienmäßig in Elektro-Kleinwagen einzubauen. „Wir wären sehr stolz darauf, wenn in einigen Jahren E-Autos mit unserer Achse durch die Gegend fahren“, sagt Xiangfan Fang.
Lehrstuhl für Fahrzeugleichtbau
der Universität Siegen
Breite Straße 11, 57076 Siegen
Ansprechpartner ist Xiangfan Fang
Tel.: +49 271 740 4670
xiangfan.fang@uni-siegen.de
Hintergrund
An dem Projekt E-MLTA waren neben VW und Ford auch die Firmen Mubea, Vorwerk Autotec, Schmedthenke Werkzeugbau und CP Autosport GmbH beteiligt. Als weiterer Projektpartner war die Technische Hochschule Köln mit im Boot. Zum Team des Lehrstuhls für Fahrzeugleichtbau der Universität Siegen (FLB) gehörten neben Prof. Dr.-Ing. Xiangfan Fang und Jens Olschewski auch Dr. Timo Schlichting und Tobias Nießing. Von den 1,6 Mio. Euro Fördermitteln gingen 530 000 Euro an die Universität Siegen.