04.03.21 – 30. Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquium
Nachhaltige und resiliente Produktion sichert Wettbewerbsfähigkeit
Wie das Internet of Production (IoP) Prozesse unterstützen und Unternehmen gleichzeitig krisenfest machen kann, wollen das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT während des 30. Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquiums (AWK) am 22. und 23. September 2021 im Eurogress Aachen und digital erörtern.
Das magische Wort der industriellen Produktion heißt: Produktivität. Bisher verhinderten die hinter dem Begriff stehenden Werte eine emissionslose und nachhaltige Produktion, obwohl sie technologisch und wirtschaftlich bereits möglich wäre. Doch veränderte Anforderungen des Kapitalmarktes, von einer reinen Finanzorientierung hin zur ganzheitlichen Betrachtung der Nachhaltigkeit, fordern von deutschen Unternehmen, den Produktivitätsbegriff neu zu erfassen. Wie das Internet of Production (IoP) diesen Prozess unterstützen und Unternehmen gleichzeitig krisenfest machen kann, wollen das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT während des 30. Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquiums (AWK) am 22. und 23. September 2021 im Eurogress Aachen und digital erörtern.
Mit den Auswirkungen der Coronapandemie, die viele produzierende Unternehmen trifft und die weltweite Wirtschaft langfristig verändert, ergeben sich andere richtungsweisende Fragen rund um die Zukunft der Produktionstechnik. Mit dem neuen Termin im Herbst dieses Jahres wird es beim 30. AWK deshalb auch darum gehen, die Resilienz der Unternehmen zu stärken: Ziel ist es, sie zu befähigen, erfolgreich mit einschneidenden Krisen umzugehen und in kurzer Zeit wieder rentabel wirtschaften zu können. Zugleich möchten die Veranstalter den unternehmerischen Blick in die Zukunft schärfen, damit die Produktionswende hin zu nachhaltiger Produktivität vollzogen werden kann. Für die Besucher der Veranstaltung soll das Kolloquium wichtige Impulse liefern, um im internationalen Vergleich langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das neue Leitthema des AWK’21 „Turning Data into Sustainability“ soll zeigen, wie produzierende Unternehmen durch bedarfsgerechte Datenerfassung und maschinelles Lernen zu schnellen, fehlerfreien Verbesserungen in der Serienproduktion gelangen, und wie sie dadurch resilient und nachhaltig produzieren können.
Überproduktion begrenzen und Ressourcenverbrauch senken
In den vergangenen 100 Jahren hat die Industrialisierung nahezu alle Wirtschaftsbereiche erfasst und durch kontinuierliche Kostenoptimierung, Zeiteinsparung und Qualitätssteigerung geprägt. Doch die daraus entstandene rein ökonomisch durchaus sinnvolle Überproduktion hat dazu geführt, dass der Ressourcenverbrauch und die CO2-Emissionen rapide angestiegen sind. Zwar können es sich deshalb heute große Teile der Bevölkerung leisten, gekaufte Güter wie Kleidung, Geräte, Fahrzeuge, Maschinen oder Infrastruktur zu besitzen und nicht zu nutzen, die Herstellung dieser Güter beansprucht jedoch Energie und Rohstoffe, deren Rückgewinnung oft unmöglich ist.
Dieses kapital- und ressourcenintensive Produktivitätsdenken wird heute vom Zukunftsbild einer stärker ökologisch denkenden Gesellschaft überholt. In der Folge verändert auch der Kapitalmarkt seine Ausrichtung: weg von den kapitalintensiven Geschäftsmodellen der Industrie. Der Fokus von Investoren wandelt sich – hin zu Themen der Umwelt, des Sozialwesens und der Unternehmenssteuerung, die produzierende Unternehmen zu nachhaltigen Veränderungen zwingen.
Mit der Digitalisierung die wahren Kosten der Produktion beziffern
Eine Antwort auf die daraus entstehenden Herausforderungen sehen die Veranstalter des Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquiums deshalb in einem Übergang zur nachhaltigen und emissionsfreien Gestaltung der Produktion. Als wichtigsten Befähiger einer solchen Produktionswende nennen die Aachener Forscher das sogenannte Internet of Production (IoP): die durchgängige Digitalisierung und Vernetzung von Maschinen und Anlagen innerhalb der Produktions- und Wertschöpfungskette.
Das IoP soll produzierenden Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit, Effizienz, Produktivität, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit verhelfen. Die sichere Verfügbarkeit von Daten, Informationen und Wissen zu jeder Zeit und an jedem Ort gilt als eines der wichtigsten Versprechen der Industrie 4.0 und bildet zugleich die Grundlage für die weiteren Entwicklungen. Für Wissenschaft und Industrie gilt es nun, sich mit den zentralen Fragen zu beschäftigen, die im Mittelpunkt des AWK’21 stehen werden: Welchen Wert hat die Vielfalt der aufgezeichneten Daten in den Unternehmen heute für produzierende Unternehmen? Wie lassen sich durch Algorithmen und Analysen sichere Prognosen treffen, um durchgängig Kontrolle über die Produktion zu erlangen und sowohl effizient und gewinnbringend als auch nachhaltig wirtschaften zu können?
„An vielen Stellen der Produktion stoßen wir mit herkömmlichen Methoden, Technologien und Prozessen an die Grenzen unserer Erkenntnis. Die Digitalisierung versetzt uns aber jetzt in die Lage, diese Grenzen zu überschreiten“, erläutert Professor Thomas Bergs, dessen Lehrstuhl für Technologie der Fertigungsverfahren an der RWTH Aachen in diesem Jahr die organisatorische Leitung der Veranstaltung innehat. „Je besser ich meine komplexen Prozesse und ihre Randbedingungen kenne, desto fundierter kann ich die wahren Kosten meiner Produkte benennen, wertvolle Ressourcen sparen und Emissionen senken.“
Das Internet of Production bildet damit einen Ausgangspunkt, um die Anforderungen zu bewältigen, die die Produktionswende an die produzierenden Unternehmen stellt: Auf Basis eines Digitalen Schattens bietet das IoP die Infrastruktur und schafft die Voraussetzungen, Rohdaten entlang des Produktlebenszyklus nutzen zu können. Die Transparenz, die daraus entlang aller Produktlebenszyklen und Wertschöpfungsstufen entsteht, kann dazu beitragen, dass die Produktion sich schließlich an den tatsächlichen Anforderungen und Bedarfsmengen der Kunden orientiert. Die Digitalisierung ermögliche es Unternehmen, beispielsweise Werkstoffe und Energie einzusparen, den Verschleiß an Werkzeugen und Maschinen zu verringern und kostspielige Hightech-Produkte leichter, robuster und effizienter zu machen.
Vor allem die Daten über die Bedarfe, die Entwicklung, die (Serien-)Produktion und die Nutzung von Gütern müssen dazu bereits in die Produktgestaltung und Produktionsplanung einfließen, damit die Produktion selbst kontinuierlich optimiert werden kann. Stellten Unternehmen bislang häufig noch den Mehrwert digitaler Vernetzung infrage, so offenbart sich in diesem Kontext ihr Beitrag zu einem nachhaltigeren Handeln: Die Bewertung der Leistungsfähigkeit von Unternehmen werde sich in den kommenden Jahren in allen produzierenden Branchen stark verschieben, so die Prognose der Aachener Wissenschaftler. Daher seien diese jetzt aufgerufen, ihr Leistungsangebot und ihre Wertschöpfung anhand der drei nachhaltigkeitsbezogenen Verantwortungsbereiche von Unternehmen zu bewerten und zu optimieren: Umwelt, Corporate Social Responsibility und Corporate Governance. Die Frage nach dem darauf bezogenen Wert eines Produktes so genau wie möglich beantworten zu können, ist eines der Ziele von Bergs und seinen Kollegen Christian Brecher, Robert Schmitt und Günther Schuh beim AWK’21.
AWK’21: Hybrider Informations-Hub für die Trends der Produktionstechnik
Das Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquium ist Netzwerktreffen und Informations-Hub zugleich. Teilnehmer unterschiedlicher Disziplinen tauschen sich traditionell alle drei Jahre in Aachen über die Produktion von morgen aus. Begleitet durch ein international hochkarätig besetztes Vortragsprogramm und mit thematischen Besichtigungstouren durch die gastgebenden Forschungseinrichtungen bietet die Konferenz auch nach der Verschiebung auf den September 2021 wieder einen umfassenden Einblick in die Trends der angewandten Forschung und Entwicklung für Fach- und Führungskräfte aus Industrie und Wissenschaft.
Zusätzlich zur gewohnten Präsenzveranstaltung gibt es zum 30. Aachener Werkzeugmaschinen-Kolloquium eine Premiere: Neben der analogen Veranstaltung im Aachener Eurogress wird es erstmals auch eine digitale Übertragung weiter Teile des Veranstaltungsprogramms geben. Durch den Einsatz einer Online-Plattform ist sichergestellt, dass nicht nur die Teilnehmer vor Ort in Aachen, sondern unabhängig von möglicherweise weiter andauernden pandemiebedingten Reisebeschränkungen auch ein weltweites Fachpublikum der Veranstaltung beiwohnen kann.
Vier Vortragssessions mit interdisziplinären Perspektiven
In zwei mal zwei parallelen Vortragssessions können die Teilnehmer sich aus erster Hand über die Ergebnisse angewandter Forschung und die praktische Umsetzung in der Produktion informieren. Dafür wurden interdisziplinäre Referenten aus Wissenschaft, Entwicklung und Management führender Unternehmen unterschiedlicher Branchen eingeladen, die gemeinsam in Experten-Arbeitskreisen die Vortragsthemen erarbeiten.
Die vier Sessions umfassen jeweils mehrere Vorträge zu den Themen „Architektur einer vernetzten, adaptiven Produktion“, „Der Digitale Zwilling im Production Cycle“, „Data Sciences in Production“ sowie „Sustainable Productivity“. Im Mittelpunkt steht dabei nun mit Bezug auf das angepasste Veranstaltungsmotto auch die Frage, wie sich der Wert der jeweiligen technologischen und wirtschaftlichen Innovationen bemessen, ausschöpfen und im Sinne einer zukünftig nachhaltigeren Produktion umsetzen lässt.
Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT vereint langjähriges Wissen und Erfahrung aus allen Gebieten der Produktionstechnik. In den Bereichen Prozesstechnologie, Produktionsmaschinen, Produktionsqualität und Messtechnik sowie Technologiemanagement bietet das Fraunhofer IPT seinen Kunden und Projektpartnern angewandte Forschung und Entwicklung für die vernetzte, adaptive Produktion. Das Leistungsspektrum des Instituts orientiert sich an den individuellen Aufgaben und Herausforderungen innerhalb bestimmter Branchen, Technologien und Produktbereiche, darunter Automobilbau und -zulieferer, Energie, Life Sciences, Luftfahrt, Maschinen- und Anlagenbau, Optik, Präzisions- und Mikrotechnik sowie Werkzeug- und Formenbau.
Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen fördert die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie mit richtungsweisender Grundlagenforschung, angewandter Forschung sowie mit daraus resultierenden Beratungs- und Implementierungsprojekten im Bereich der Produktionstechnik. In den Forschungsfeldern Technologie der Fertigungsverfahren, Werkzeugmaschinen, Produktionssystematik, Getriebetechnik sowie Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement werden mit Industriepartnern unterschiedlichster Branchen praxisgerechte Lösungen zur Rationalisierung der Produktion erarbeitet.