28.09.21 – Vorausschauende Prozessüberwachung

Wie lange hält das Schmiedewerkzeug?

Wie viele Bauteile lassen sich noch herstellen, bevor das Schmiedewerkzeug getauscht werden muss? Bisher können Umformtechniker diese Frage nicht exakt beantworten, sondern nur mit Erfahrungswissen abschätzen. An einer genauen Prognose arbeiten Wissenschaftler des Instituts für Integrierte Produktion Hannover.

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Ziel des Forschungsprojektes „Vorüber“ ist die Entwicklung eines kombinierten Messsystems zur vorausschauenden Überwachung von Gesenkschmiedeprozessen. © IPH

 
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Wie viele Pleuel lassen sich noch hochwertig schmieden, bevor das Werkzeug getauscht werden muss? © IPH

 

Ein kombiniertes Messsystem zur vorausschauenden Überwachung von Gesenkschmiedeprozessen entwickelt das IPH im Forschungsprojekt „Vorüber“, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird. „Unser Ziel ist eine Prognose auf quantitativer Basis“, sagt Projektleiter David Schellenberg. „Das System soll also exakt vorhersagen, ob man mit dem Werkzeug noch 1000 Bauteile schmieden kann, noch 300 oder nur noch 56.“

Messverfahren ergänzen sich

Für eine möglichst genaue Vorhersage entwickeln die Wissenschaftler ein kombiniertes System aus einem optischen und einem Kraftmessverfahren. „Wenn sich das Schmiedewerkzeug abnutzt, verändern sich sowohl die Form des Schmiedewerkzeugs als auch die auftretenden Kräfte“, so Schellenberg. Das optische Messsystem – beispielsweise eine Kamera oder ein Laserscanner – macht in regelmäßigen Abständen Aufnahmen von der Gravur des Schmiedewerkzeugs; das Kraftmesssystem erfasst parallel dazu den Kraftverlauf im Werkzeug beim Schmieden. Beide Messverfahren ergänzen sich und sollen im Zusammenspiel eine exakte Vorhersage liefern, so das Ziel der Forscher.

Zunächst soll im Forschungsprojekt ein mathematisches Modell erarbeitet werden, das eine Vorhersage der Reststandmenge des Schmiedewerkzeugs ermöglicht. Innerhalb dieses Modells stellen die Wissenschaftler dann eine Verschleißfunktion auf. Die Funktion speist sich aus den Daten, die das kombinierte Messsystem aufnimmt. Nach einigen Messungen soll sich auf ihrer Grundlage eine Prognose erstellen lassen: Wie viele Schmiedungen sind noch möglich, bis die Abnutzung zu stark wird? Je größer die Zahl der Messungen, desto genauer das Ergebnis, wobei sich die Verschleißfunktion selbst optimiert.

Enge Zusammenarbeit mit der Industrie

Schlussendlich soll das Schmiedewerkzeug optimal genutzt und weder zu früh noch zu spät getauscht werden. Denn wird es überstrapaziert, lässt sich die gewünschte Schmiedeteilqualität nicht mehr erreichen. Außerdem kann es vorkommen, dass das Werkzeug Risse bekommt oder bricht, was zusätzliche Stillstandzeiten, Kosten und Aufwände erwarten lässt. Am wirtschaftlichsten ist es für Unternehmen, jedes Schmiedewerkzeug so lange zu nutzen, wie es brauchbare Bauteile produziert und keinen Schaden nimmt – nicht länger, aber auch nicht kürzer.

Mit ihrer Forschung unterstützen die IPH-Ingenieure die deutsche Schmiedeindustrie, ihre Stückkosten zu senken und auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Um herauszufinden, welches Einsparpotenzial das Prognosemodell bietet, werden die Wissenschaftler gegen Ende des Projekts eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vornehmen. Im Forschungsprojekt arbeitet das IPH eng mit der Industrie zusammen. Im projektbegleitenden Ausschuss sind mehrere Schmiedeunternehmen vertreten, aber auch Firmen, die sich mit Sensortechnik oder künstlicher Intelligenz beschäftigen.

Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH
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