30.04.21 – Messen und Prüfen von Druckfedern

Von der Idee zur ISO-Norm

Am Beispiel des Messens und Prüfens von Druckfedern wird erklärt, wie von der thematischen Idee über die Bildung eines Arbeitskreises im VDFI zunächst eine VDFI-Richtlinie entstanden ist, dann ein DIN-Normungsprojekt gestartet und daraus schließlich eine internationale Norm wurde.

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ISO-Sitzung 2018 in Berlin. © VDFI

 

Technische Federn gehören mit zu den ältesten Maschinenelementen. Trotzdem gab es lange Zeit keine Richtlinie, keine Norm, die das Messen und Prüfen von Druckfedern beschreibt. Die Einigung zwischen Federnherstellern und Abnehmern über das „Wie“ des Messens und Prüfens von Druckfedern fiel daher schwer.

Vor rund zehn Jahren gab es vermehrt Anfragen von VDFI-Mitgliedsfirmen zu Unstimmigkeiten bei der Beurteilung von Druckfedern, obwohl die Abnahmekriterien zwischen Federnherstellern und Abnehmern detailliert formuliert waren. Es gab keine einheitlichen Verfahren, bestimmte Merkmale zu bestimmen und so waren die Ergebnisse häufig verschieden. Dies führte zuweilen zu Streitigkeiten, da jeder behauptete, die Messung oder Prüfung „richtig“ durchgeführt zu haben.

VDFI-Arbeitskreis
Diese Mitgliederanfragen waren der Anlass dafür, Anfang des Jahres 2011 zu einem Arbeitskreis im VDFI einzuladen, um das richtige Durchführen des Messens und Prüfens von Federn abzubilden und damit zu vereinheitlichen. Die konstituierende Sitzung des Arbeitskreises fand am 17. Februar 2011 statt. An dieser Startsitzung nahmen Vertreter von 39 Firmen teil, was zeigte, dass großer Handlungsbedarf bestand.

Im Arbeitskreis wurden zunächst die Rahmenbedingungen diskutiert und festgelegt. Neben dem Bauteil, das beschrieben werden sollte (entschieden hatte man sich aufgrund der einfachen Geometrie für kaltgeformte zylindrische Druckfedern), sollten nur Mess- und Prüfmethoden gesammelt werden, die zwischen Hersteller und Kunde zum Einsatz kommen. Später sollten die Charakterisierung weiterer Federtypen folgen. Unberührt davon sollten die innerbetrieblichen Prüfungen bleiben. Außerdem sollten nur die Basics dargestellt werden, das heißt dass beispielsweise Relaxations- und Kriechversuche nicht Gegenstand der Beschreibung sein sollten.

Es wurde als nächstes überlegt, welche Merkmale einer Druckfeder überhaupt beschrieben werden sollen. Was ist für die Abnahme wichtig, welche Merkmale sind eher uninteressant? 13 Mess- und Prüfgrößen wurden als relevant erachtet, um diese auszuarbeiten.

Nachdem sich auf diese Merkmale geeinigt worden war, wurde überlegt, ob es sich um Mess- und/oder Prüfgrößen handelt. Intensiv diskutiert wurden danach die Mess- und Prüfmittel. Bei der Erstellung einer Richtlinie sollte man immer die Vielfalt der Industrie und die dort vorhandenen unterschiedlichen Möglichkeiten berücksichtigen. Die in der Richtlinie aufgeführten Mess- und Prüfmittel sollten also möglichst vielfältig sein. Für die letztlich aufgeführten Mess- und Prüfmittel einigte man sich im großen Konsens.

Eine große Diskussion war zu fast jeder Mess-/Prüfgröße, die geeignete Methode zu finden. Die gängigsten Methoden sollten außerdem beschrieben werden. Hier zeigt sich einmal wieder, wie selbst innerhalb einer Industrie unterschiedlich gemessen/geprüft wird. Das Beschreiben, also die Methode verständlich zu Papier zu bringen, war eine riesige Herausforderung.

VDFI-Richtlinie
Nachdem die Mess- und Prüfgrößen beschrieben, die Mess-/Prüfmittel festgelegt und die Methoden des Messens/Prüfens beschrieben waren und auch allgemeine Dinge wie die Umgebungsbedingungen und die Qualifikation der durchführenden Personen festgelegt waren, wurde nach drei Jahren intensiver Arbeit die VDFI-Richtlinie 6001, Teil 1, im Mai 2014 innerhalb des VDFI veröffentlicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten schon zehn Arbeitskreis-Sitzungen stattgefunden. Parallel wurde einige Sitzungen zuvor bereits mit der Erstellung der Richtlinie für Zugfedern und für Drehfedern begonnen.

Deutsche Norm (DIN)
Im Februar 2015 wurde der Antrag zur Erstellung einer DIN-Norm zum Messen und Prüfen von Federn beim Deutschen Institut für Normung (DIN) eingereicht. Das Normenprojekt wurde im DIN-Normenausschuss Federn, Stanzteile und Blechformteile (NAFS) bearbeitet. Zwei Jahre nach Start des Normvorhabens, also im Februar 2017, fand eine öffentliche Normensitzung statt, bei der die eingegangenen Kommentare besprochen wurden und Konsens herbeigeführt wurde. Bereits im Mai 2017 erschien der Weißdruck der DIN 2021-1. Diese für ein Normenvorhaben schnelle Veröffentlichung einer Norm war nur aufgrund der Vorarbeit im VDFI-Arbeitskreis möglich. Berücksichtigt man diese Zeit der Konsensbildung, hat es rund sechs Jahre bis zur DIN-Norm gedauert.

Internationale Norm (ISO)
Die internationale Normung auf dem Gebiet technischer Federn geschieht im ISO/TC 227 „Springs“. Von den beteiligten und stimmberechtigen Ländern (dies sind derzeit zwölf: China, Deutschland, Finnland, Frankreich, Indien, Italien, Japan, Malaysia, Österreich Thailand, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika) stieg der Druck, das Messen und Prüfen von Federn auch international zu Normen. Vom VDFI wurde im europäischen Federnverband (ESF) dafür geworben, den deutschen Vorschlag, also die „frische“ DIN-Norm auf ISO-Ebene zu bearbeiten. Daraufhin gab es im ESF das Ziel, die DIN-Norm mit möglichst wenig inhaltlichen Änderungen als ISO-Norm durchzusetzen.

Die deutsche Norm wurde daraufhin ins Englische übersetzt und als Arbeitspapier dem ISO-Sekretariat zur Verfügung gestellt. Bei der ISO-Sitzung im Herbst 2017 in Bangkok/Thailand, hat der deutsche Projektleiter Tim Reiber, Reiber GmbH in Rodgau, das deutsche Normenprojekt und den Werdegang vorgestellt. Bei dieser Sitzung wurde eine neue WG (Working Group) gegründet, zu dessen Vorsitzendem ebenfalls Reiber gewählt wurde. Zu diesem Dokument gingen 101 Kommentare ein, zu denen auf den folgenden internationalen Sitzungen, die 2018 in Berlin, 2019 in Nagoya/Japan und 2020 als Videokonferenz stattgefunden haben, wiederum Einigung gefunden werden musste. Zwischen diesen Treffen fanden weitere Abstimmungen der europäisch beteiligten Länder in Frankfurt/Main, Paris und Mailand statt. Die Verhandlungen waren intensiv und anstrengend, nicht nur aufgrund der weiten Anreise, sondern auch, weil die Verhandlungen für die meisten Beteiligten in einer Fremdsprache stattfanden.

Bei den internationalen Treffen konnte festgestellt werden, dass die Bedeutung von Normungsarbeit für die Wirtschaft in Asien erheblich höher eingeschätzt wird als in europäischen Ländern, insbesondere in Deutschland. So müssen die finanziellen Aufwendungen für die Normungsarbeit, so auch die Reisetätigkeiten, von deutschen Beteiligten von der Industrie selbst getragen werden. Um den Status einer führenden Industrienation zu behalten, ist es nach Einschätzung der beteiligten deutschen und europäischen Firmen wichtig, sich an internationalen Normungsvorhaben aktiv zu beteiligen, um so auch den Inhalt der Normen mit beeinflussen zu können.

Nach intensiven und zähen Verhandlungen, aber auch schönen Erlebnissen, da sich die jeweiligen Gastgeberländer immer große Mühe gegeben haben, ist nun im Dezember 2020 der finale Normentwurf der ISO 22705-1 „Federn – Mess- und Prüfgrößen – Teil 1: Kaltgeformte zylindrische Schraubendruckfedern“ erschienen. An diesem Entwurf sind nur noch redaktionelle Änderungen zugelassen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Weißdruck der ISO in 2021 erscheinen wird.

Diese internationale Norm wird als „DIN EN ISO“ übernommen werden, so dass damit die DIN 2191-1 wieder zurückgezogen wird, da es nicht zwei Normen zum gleichen Thema geben darf.  Nach ziemlich genau zehn Jahren Arbeit konnte damit eine internationale Einigung zum Messen und Prüfen von Federn gefunden werden.

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