10.03.23 – Product Carbon Footprint schnell ermitteln

Mit „FRED“ zu CO2-freien Drahtformteilen

Drahtformteile sind unersetzlich in allen Industriezweigen. Aufgrund der Herstellung des Vormaterials aus Erz oder Schrott und mit mehreren Erwärmungsvorgängen in der gesamten Prozesskette sind diese Bauteile energieintensiv und weisen nach aktuellem Stand der Technik signifikante CO2-Emissionen auf. „FRED“ (Footprint Reduction Tool), entstanden auf verbandlicher Basis, erlaubt es, den Product Carbon Footprint dieser Bauteile schnell und akkurat zu ermitteln.

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In der ersten Phase dieses Projektes wurde das Tool „FRED“ entwickelt, mit dem PCFs für Massivumformteile berechnet werden können. © Prosimalys

 
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Bild 1: Forderungen des Stakeholderumfelds für die produzierende Industrie. © Prosimalys

 
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CO2-intensive Produkte und ihr Umfeld
Draht oder Produkte daraus sind energie- und damit CO2-intensive Bauteile. Der Ausgangswerkstoff wird aus Erz oder Schrott erzeugt. Die Reduzierung des Metalls aus Erz ist dabei sehr CO2-intensiv, unabhängig ob Stahl oder Aluminium erzeugt wird. Die Schrottroute weist einen deutlich geringeren CO2-Footprint auf, verbraucht aber trotzdem aufgrund der Aufheizung deutlich oberhalb des Schmelzpunktes viel Energie und führt damit, je nach verwendeter Energie, zu einem großen CO2-Ausstoß. Folgeprozesse wie Aufheizen zum Auswalzen oder Wärmebehandlungsprozesse bis zum fertigen Produkt erzeugen weitere CO2-Emissionen. Die Umformprozesse selbst sind die geringeren Energieverbraucher entlang der Kette.

 Energieverbrauch ist heute auch immer mit CO2-Emissionen verbunden. In der Maßnahme „Klima“ des European Green Deal wird eine Verringerung der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% gegenüber 1990 festgelegt, sowie die Klimaneutralität bis 2050 gefordert [1]. Über die CO2-Bepreisung wird schon heute in geringem Umfang und zukünftig verstärkt die Emission von CO2 wirtschaftlich bedeutsam. Sich nicht mit diesem Thema auseinanderzusetzen wird mittelfristig sowieso keinem Stakeholder vermittelbar sein. Besonders die Automobilindustrie treibt derzeit schon die Lieferkette an, sich mit dem Thema der CO2-Emission in der Produktion zu beschäftigen. Einerseits gibt es Forderungen, den Product Carbon Footprint (PCF) von gelieferten Komponenten zu beziffern, andererseits werden kontinuierliche Maßnahmen gefordert, den PCF zu reduzieren. Auch die in den Arbeitsmarkt einrückende Generation achtet stärker auf die Umweltstrategien ihrer möglichen Arbeitgeber. Man kommt also nicht umhin, sich mit dem CO2-Ausstoß seiner Produktion und dessen Reduzierung zu beschäftigen. Die Branchen der Metallverarbeitung und weiterer Zulieferer in Deutschland stellen sich proaktiv dieser Herausforderung. Im Dezember 2020 startete deshalb das Projekt „NOCARBforging2050“ mit der ersten Phase „FRED“.

„FRED“ – Footprint Reduction Tool
In der ersten Phase dieses Projektes wurde das Tool „FRED“ entwickelt, mit dem PCFs für Massivumformteile berechnet werden können. Es nahmen über 50 Firmen und Partner der Massivumformung teil. „FRED“ ist als Webanwendung konzipiert. Für die Berechnung eines PCF werden einige Grunddaten eingegeben: Bauteilgewicht, verwendeter Strommix, PCF des Vormaterials und einige andere Daten. Die Anwender geben dann die individuelle Prozessfolge ihres Produkts ein. Für diese Prozesse werden aus einer Datenbank die spezifischen Verbräuche von elektrischer Energie, Gas und weiteren Stoffen ausgelesen. Die Datenbank stellt zentrale Werte (zum Beispiel deutscher Strommix), branchenbezogene Werte (zum Beispiel „liegende Kaltumformpresse 630 t“) oder firmenindividuell eingegebene Daten (zum Beispiel „Nedschroef 3“) zur Verfügung. Zudem werden für die einzelnen Prozesse die technisch bedingten Werkstoffverluste angegeben. Mit diesen Angaben wird für das Endprodukt die Menge des emittierten CO2 berechnet.

 Die Datenbankwerte stammen aus Abfragen von Energie- und Stoffverbräuchen bei produzierenden Unternehmen, und werden als Mittel- sowie Min- und Max-Wert zur Verfügung gestellt. Damit stellt „FRED“ für Metallverarbeitungsprozesse einzigartig realistische und detaillierte Auswertungen zur Verfügung. Bild 2 stellt die Einlog-Seite, die Eingabe der Grunddaten und der Prozessfolge, sowie ein Berechnungsergebnis für ein beispielhaftes Verbindungselement dar.

  Dieses Ergebnis an einem typischen Verbindungselement lässt sich in seiner Grundcharakteristik an vielen massiv umgeformten Bauteilen wiederfinden: Der eingesetzte Werkstoff hat den größten Anteil am PCF. An zweiter Stelle folgt die Wärmebehandlung. Die Anteile werden dadurch beeinflusst, ob der verwendete Stahl aus der Roh- oder Elektrostahlroute kommt (hier: Rohstahl), oder ob z.B. Aluminium eingesetzt wird. Aufgrund der vielen möglichen unterschiedlichen Konstellationen lässt sich aber keine einfache Faustregel für die Verteilungen aufstellen, sondern die Berechnung basierend auf industriellen Daten ist absolut notwendig, um die Stellschrauben und deren Wichtung zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks zu identifizieren.

Wege zur Senkung der CO2-Emissionen
Der Weg zur Senkung bis hin zur Vermeidung von CO2-Emissionen führt über grünen elektrischen Strom. Dieser ermöglicht es, Stahl über die Direktreduktionsroute via grünem Wasserstoff, über die Schrott-Elektroroute oder in ganz neuen Ansätzen [2] mit deutlich reduzierten CO2-Emissionen herzustellen. In einer ISO14067-konformen cradle-to-gate Betrachtung darf aber die Vorkette bei der Erzeugung grünen Stroms nicht vernachlässigt werden – auch grüner Strom ist heute nicht 100% CO2-frei. Auch (Wieder-) Erwärmungsvorgänge in der Prozesskette sind elektrisch denkbar, alternativ mit Wasserstoff [3] oder mit Methan, welche aus Strom synthetisch hergestellt werden. Der beste Weg zur Reduzierung von CO2Emissionen ist es aber, weniger Werkstoff zu verarbeiten (z.B. höherfeste Güten, die zu kleineren Bauteilen führen) und dabei Wärmebehandlungsvorgänge zu entfeinern (z.B. durch die Verwendung von ausscheidungshärtenden Werkstoffen statt Vergütungsstählen) oder ganz zu vermeiden (z.B. durch die Ausnutzung von Kaltverfestigung als Ersatz für eine Wärmebehandlung).

 Mit der Berechenbarkeit von CO2-Emissionen mit „FRED“ für beliebige Prozessketten ist die Basis geschaffen, um die Kundenanfragen zu CO2-Emissionen zu beantworten und Ideen zur ihrer Senkung zu bewerten. „FRED“ schickt sich dabei an, nicht nur in der Massivumformung eingesetzt zu werden. Auch die Federnindustrie, die Gussbranche, die Eisen- und Stahldrahthersteller und Kunststoffverarbeiter haben Interesse an einer Zusammenarbeit geäußert. Damit ist die Draht herstellende und -verarbeitende Industrie im Verbund mit anderen Zulieferern mit einem starken und von den Kunden akzeptierten Tool für die kommenden Anforderungen gerüstet.

[1] N.N.: Klimaneutralität, Europäische Kommission https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/climate-action-and-green-deal_de, abgerufen am 27. Dez. 2021
[2] Raabe, D. et. al.: Sustainable steel through hydrogen plasma reduction of iron ore: Process, kinetics, microstructure, chemistry, Acta Materialia, Volume 213, July 2021
[3] N.N.: First in the world to heat steel using hydrogen, 2021, https://www.ovako.com/en/newsevents/stories/first-in-the-world-to-heat-steel-using-hydrogen/, abgerufen am 27. Dez. 2021

Weitere Informationen zu FRED finden Sie unter www.fred-footprint.de

Der Autor des Beitrags ist Dr.-Ing. H.-W. Raedt.

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