27.07.23 – Toolkette auf 3D-Modellbasis ermöglicht agile Bordnetzentwicklung

Das Bordnetz der Zukunft

Mehrspannungsarchitekturen, intelligente Netzwerktopologien, komplexere Steuergeräte: E-Mobilität und automatisierte Fahrsysteme verändern das Bordnetzdesign von Grund auf und unterliegen kontinuierlichen Anpassungen. Die Entwicklung umfasst EE- und 3D-sowie Konfigurations-Datenmodelle und erfordert etwa detaillierte elektrische sowie thermodynamische Simulationen.

Bordnetz.jpg

© Smart Cable

 
Bordnetz-E-Auto.jpg

© Smart Cable

 
Alle Bilder anzeigen

Sich gegenseitig bedingende Teilbereiche wie Verschaltung, Geometrie, EE-Elemente und Software müssen effektiv zusammenwirken. Diesen Anspruch kann die bislang gebräuchliche, dokumentorientierte Vorgehensweise allerdings nicht mehr erfüllen, denn sie ist auf isolierte Prozesse ausgelegt. Bei der manuellen Übertragung von Daten schleichen sich schnell Fehler ein und konkrete Auswirkungen spezifischer Änderungen auf Produktionskosten oder funktionale Sicherheit sind aufgrund der zahlreichen Abhängigkeiten sehr aufwändig.

Integration von Validierung, Simulation und Kostenkalkulation in den Designprozess
Abhilfe schafft die modellbasierte Toolkette der smartCable GmbH. Mithilfe eines mitwachsenden digitalen Zwillings, auf den sämtliche Teilbereiche zugreifen, umspannt und verknüpft sie alle Entwicklungsschritte disziplinübergreifend. Vom ersten Entwurf der Bordnetzarchitektur bis hin zur endgültigen Fertigungsinformation bleibt der gesamte Prozess transparent und generativ.

2021 erreichte die Zahl der Neuzulassungen von E-Fahrzeugen in Deutschland mit insgesamt knapp 356 000 einen neuen Rekord (Quelle: Statista). Zugleich erobern erste autonomisierte Fahrsysteme auch europäische Straßen. So kontrolliert etwa der Staupilot der neuen Mercedes S-Klasse das Fahrzeug bis 60 km/h eigenständig und entspricht somit bereits der Ausbaustufe 3 des autonomen Fahrens. Doch mit alternativen Antrieben und KI-gestützter Steuerung entstehen auch neue Herausforderungen für die Automotive-Branche, wie Uwe Prüfer, Leiter Forschung und Entwicklung bei Smart Cable, betont: „Die Bordnetzentwicklung befindet sich im Umbruch. Kaum bis gar nicht automatisierte Prozessschritte und das klassische Silodenken innerhalb der unterschiedlichen Disziplinen werden der Entwicklung von Hochvolt-Netzen, dem Durchführen thermischer sowie elektrischer bzw. elektromagnetischer Simulationen, der Notwendigkeit von Redundanzen und angepassten Normierungen wie ISO 26262 nicht mehr gerecht.“

Denn bei der Koordination vieler Systeme mit einer manuellen Datenübertragung geschehen leicht Fehler, welche die Entwicklungskosten sowie -dauer in die Höhe treiben. Werden zudem etwa Änderungen auf der Geometrieebene vorgenommen, sind deren Auswirkungen auf andere Bereiche wie Verschaltung oder EMV-Management nicht unmittelbar sichtbar und die endgültigen Produktionskosten lediglich zu erahnen. Für eine effiziente und zielgerichtete Entwicklung ist es daher notwendig, Änderungen schnell und zuverlässig zwischen einzelnen Teildisziplinen zu errechnen und zu übermitteln, Simulationen und Validierungen nahtlos in den Prozess einzubinden sowie umfassende Application- und Product-Lifecycle-Management-Systeme (ALM/PLM) zu integrieren. „Die Bordnetzentwicklung muss sich von der dokumentbasierten Herangehensweise lösen, die viele manuelle Schritte sowie einen aufwändigen Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Systemen und Formaten erfordert“, bestätigt Prüfer. „Nur ein modellbasierter Ansatz kann die Teilbereiche entsprechend vernetzen und einen transparenten Entwicklungsprozess ermöglichen.“

Generative Entwicklung mit digitalem Zwilling
Die Toolkette von Smart Cable funktioniert dementsprechend auf der Grundlage eines disziplinübergreifenden Datenmodells, bei dem es sich um einen digitalen Zwilling des physischen Bordnetzes handelt. Dieser wächst dynamisch mit dem Fortschritt der Entwicklung. Alle Akteure wie Designer oder Fertigungsplaner greifen über jeweils auf ihren Teilbereich ausgelegte Schnittstellen, sogenannte Views, auf das zentrale Modell zu. Dabei kann es sich etwa um Architekturzeichnungen, EE-Entwürfe, 3D-Topologien, Simulationen oder Konfigurationsdateien handeln. „Jeder Punkt in der 3D-Topologie verweist über das Datenmodell auf die entsprechenden Pendants in der unmaßstäblichen Kabelsatzzeichnung und der maßstäblichen Formbrettzeichnung“, erläutert Prüfer. „So stellen wir sicher, dass sämtliche Access Points über denselben konstruktiven Inhalt verfügen.“

Weil Modifikationen in einem bestimmten Teilbereich nicht manuell auf andere übertragen werden müssen, sondern durch einen Algorithmus generativ in das zentrale 3D-Datenmodell einberechnet werden, sinkt die Fehleranfälligkeit und Änderungen bleiben zu jedem Zeitpunkt rückverfolgbar. Wird das 3D-Modell modifiziert, lassen sich darüber hinaus auch die Auswirkungen auf die elektromagnetische sowie thermische Verträglichkeit oder die endgültigen Herstellungskosten automatisch ermitteln. Zudem sind individuell erweiterbare Regelkataloge integriert, auf deren Basis der Algorithmus die Konformität der Entwicklungsschritte mit den jeweiligen Vorgaben und Qualitätsanforderungen, z.B. seitens des OEM oder des Gesetzgebers, überprüft. Auch Simulationen, die für E-Mobilität und autonome Fahrsysteme unverzichtbar sind, lassen sich unmittelbar aus dem zentralen Datenmodell ableiten, ohne manuell aufbereitet werden zu müssen. Dies spart nicht nur wertvolle Entwicklungszeit und reduziert so die Time-to-Market, sondern ermöglicht auch eine vollständige Kostenkontrolle.

Skalierbare Software mit integrierter Engineering Knowledge Base
„Technologische Fortschritte erfordern Agilität, sodass sich die entsprechenden Softwarekomponenten flexibel an neue Bedingungen anpassen müssen“, so Prüfer. „Um diese hohe Skalierbarkeit zu ermöglichen, verwendet unsere generative Toolkette eine CAD-Plattform und ein Datenmodell ohne Größenbeschränkungen.“ Dabei arbeitet smartCable bereits seit Jahren eng mit dem CAD-Entwickler Dassault Systèmes zusammen. So sind die Lösungen direkt in die in der Branche weit verbreitete CATIA-Entwicklungsumgebung integriert, anstatt über externe Schnittstellen aufwändig importiert werden zu müssen. Darüber hinaus bietet die eigens konzipierte Engineering Knowledge Base die Grundlage, um Validierungen und Testings im Designprozess zu automatisieren. Das patentierte Verfahren bereitet Ingenieurwissen so auf, dass Algorithmen darauf basierend Entscheidungen treffen können. „Auf diese Weise emuliert die smartCable-Toolkette die Vorgehensweise eines erfahrenen Designers, sodass viele manuelle Schritte entfallen und die gesamte Entwicklungszeit massiv verkürzt wird“, resümiert Prüfer.

Smart Cable GmbH
Elritzenweg 3, 91056 Erlangen
Tel.: +49 9131 49813
info@smartcable.de
www.smartcable.de

Zum Unternehmen
Die Smart Cable GmbH wurde 2011 in Erlangen gegründet. Das Unternehmen entwickelt modellbasierte, intelligente und domänenübergreifende IT-Lösungen für den Entwicklungsprozess des Bordnetzes vom Architekturdesign bis zum Manufacturing. Das Unternehmen  ist Mitglied im Verein „ProSTEP iViP“ und beteiligt sich an der Entwicklung von Standardaustauschsystemen (KBL, VEC) in den entsprechenden Arbeitskreisen. Als CAA-Partner von Dassault Systèmes greifen die Software-Lösungen von Smart Cable direkt auf das CATIA-Datenmodell zu. In allen smartCable-Tools wird Ingenieurwissen so aufbereitet, dass Algorithmen darauf aufbauend Entscheidungen treffen können. Derzeit arbeitet das Unternehmen an einem Forschungsprojekt zum autonomen Fahren (Roboter-Taxi) mit.