10.12.20 – Energiewende

Hochspannungsmessung für sichere Stromversorgung

Forscher der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) entwickeln weltweit erstmals transportable Prüfeinrichtungen für zukünftige „Stromautobahnen“ mit sehr hohen Gleichspannungen

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© PTB

 

Im Zuge der Energiewende wird Strom zukünftig nicht mehr nur mit etablierter Wechselstromtechnik transportiert, sondern zunehmend auch mit der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ). Auf den „Stromautobahnen“, wie den geplanten Nord-Süd-Trassen, kann sie Strom verlustärmer und in größerer Menge vom windreichen Norden in den industriellen Süden und Westen bringen.

Doch moderne Energienetze sind äußerst komplexe Systeme mit einer wachsenden Anzahl dezentraler, regenerativer Stromproduzenten. Dieses stets schwankende Angebot der elektrischen Energie führt zu verringerter Spannungsqualität und sorgt für mehr Instabilität im Übertragungsnetz – ein Stresstest für viele Komponenten und damit ein Risiko für die Versorgungssicherheit. Bisher fehlen noch einheitliche Normen, nach denen Netzkomponenten auf ihre Tauglichkeit unter diesen speziellen neuen Bedingungen geprüft werden. Und hier kommt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ins Spiel.

„Wir sind an gleich zwei europäischen Forschungsprojekten beteiligt, die sehr praktisch zu einer verlässlichen und sicheren Stromversorgung beitragen werden“, erklärt Johann Meisner, Leiter der PTB-Arbeitsgruppe Hochspannungsmesstechnik. „Einerseits wollen wir die messtechnische Grundlage dafür schaffen, dass Netzkomponenten standardisiert auf ihre Eignung bei neuartigen Bedingungen geprüft werden können.“ Dafür will die PTB zum Beispiel Kalibrierdienstleistungen für die Industrie bei überlagerten Hochspannungsformen, wie z.B. Blitz- und Schaltstoßspannungen auf hohen Gleich- oder Wechselspannungen, aufbauen. Die genaue Messung solcher Hochspannungsformen hat einen erheblichen Einfluss auf die Lebensdauer von Komponenten im Stromnetz. Gleichzeitig sind die Erkenntnisse aus dem von Johann Meisner koordinierten Forschungsprojekt die Basis für eine grundlegende Überarbeitung der internationalen Hochspannungsnormenreihe IEC 60060, die weltweit die Prüfung von Hochspannungsmesstechnik regelt.

In einem weiteren europäischen Forschungsprojekt steht die Messung des Energieverlusts im Mittelpunkt. Denn trotz Gleichstromtechnik geht bei langen Transportwegen quer durch Deutschland und Europa auch Energie verloren. Um diese Verluste beziffern zu können, ist insbesondere im Hochspannungsbereich für die Abrechnung von Kosten wichtig – denn wo viel Energie transportiert wird, geht es auch um viel Geld.

Im Rahmen dieser Projekte entwickelt die PTB, allen voran der Doktorand Stephan Passon, unter anderem zwei Hochspannungsmesssysteme – eines für Messungen von einzigartiger Genauigkeit bis 1,2 Mio. V und ein zweites für Messungen sogar bis 2 Mio. V. Mit Letzterem haben die Forscher bereits äußerst erfolgreich Testmessungen durchgeführt. Mithilfe der Spannungsteiler soll in der PTB ein Standard aufgebaut werden, mit dem die rückgeführte Kalibrierung von Gleich-spannungsmesseinrichtungen und die Prüfung von Systemkomponenten bis 2 Mio. V möglich wird, wie sie in zukünftigen Hochspannungsnetzen weltweit eingesetzt werden sollen. Die Genauigkeit dieser Messungen ist somit entscheidend für den verlässlichen Betrieb von HGÜ-Leitungen und damit für die Versorgungssicherheit des gesamten europäischen Stromnetzes.

Die hier vorgestellten Forschungsprojekte sind Teil der umfassenden Bestrebungen der PTB, die metrologischen Herausforderungen der Energiewende zu begleiten. Hierfür hat die PTB ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam zusammengestellt.

Weitere Information zu den europäischen Forschungsprojekten: EMPIR-Forschungsprojekt 19NRM07 HV-com²: Support for standardisation of high voltage testing with composite and combined wave shapes
www.ptb.de/empir2020/hv-com2/home/

Leitung des Projektes: PTB EMPIR-Forschungsprojekt 19ENG02 FutureEnergy: Metrology for future energy transmission www.ptb.de/empir2018/futureenergy/project/

Autorin des Beitrags ist Imke Frischmuth von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB).

Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Bundesallee 100, 38116 Braunschweig
Ansprechpartner ist Johann Meisner
Tel.: +49 531 592-2320
johann.meisner@ptb.de
www.ptb.de