20.04.20 – Neue Werte des IMK-Indikators
Rezessionsgefahr steigt auf fast 80 %
Für das Quartal von April bis Ende Juni zeigt der Indikator, der die aktuellsten verfügbaren Daten über die Wirtschaftslage bündelt, ein Rezessionsrisiko von 78,1 % an – nach 34,8 % im März.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutsche Wirtschaft derzeit eine Rezession durchläuft, ist während des Shutdowns in den vergangenen Wochen drastisch gestiegen. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Für das Quartal von April bis Ende Juni zeigt der Indikator, der die aktuellsten verfügbaren Daten über die Wirtschaftslage bündelt, ein Rezessionsrisiko von 78,1 % an – nach 34,8 % im März. Das nach dem Ampelsystem arbeitende IMK-Frühwarnsystem schaltet deshalb auf „rot“ (akute Rezessionsgefahr bei mehr als 70 % Wahrscheinlichkeit).
Die Warnstufe wird dadurch unterstrichen, dass die statistische Streuung im Indikator – sie spiegelt die Verunsicherung vieler Wirtschaftsakteure wider – sehr hoch ist. „Die deutsche Wirtschaft wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Frühjahrs- und im Sommerquartal schrumpfen“, sagt Sebastian Dullien, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. „Wenn alles gut geht, könnte zum Jahresende eine wirtschaftliche Erholung einsetzen. Voraussetzung ist aber, dass es gelingt, ab Anfang Mai die Kontaktbeschränkungen ohne gravierende Rückfälle zu lockern. Zudem ist es wichtig, die Kaufkraft der Beschäftigten so gut wie möglich zu sichern. Und wenn es wieder möglich ist, einigermaßen normal zu konsumieren, sollte der Staat mit einem Konjunkturprogramm unterstützen.“
Dass sich die Rezessionswahrscheinlichkeit mehr als verdoppelt hat, beruht nach Analyse des IMK in erster Linie darauf, dass sich in der akuten Krise die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen drastisch verschlechtert haben, dass die Aktienmärkte eingebrochen sind und sich Stimmungsindikatoren eingetrübt haben. Hinzu kommt die sinkende Zahl offener Stellen und ein weiterer Rückgang der Auftragseingänge aus dem Ausland.
Auch der IMK-Finanzmarktstressindex, der einen breiten Kranz von Finanzmarktindikatoren zu einem einzigen Maß bündelt, ist deutlich angestiegen, allerdings bislang weniger stark als in der Finanzmarktkrise 2007/2008. IMK-Experte Thomas Theobald wertet das als kleinen Lichtblick: „Das lässt hoffen, dass die umfangreichen staatlichen Maßnahmen, etwa die Ausweitung der Kurzarbeit und die Liquiditätshilfen für Unternehmen, bei Finanzmarktteilnehmern ein gewisses Vertrauen auf eine absehbare Erholung der Absatzsituation erzeugen“, sagt Theobald.
„Die Bundesregierung hat national bisher viel richtig gemacht. Aber der Schock durch die Corona-Pandemie ist so groß und kam so plötzlich, dass die Wirtschaftspolitik ihn nicht vollständig ausgleichen kann.“ Zudem fehle „auf europäischer Ebene bisher ein durchgreifendes Signal an die Finanzmärkte in der Form der Einführung von Corona-Bonds“, so der Forscher. „Sich dieser gemeinsamen Anleihen zu verweigern, ist weder solidarisch noch ökonomisch sinnvoll für eine rasche wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise.“
Der neue Indikatorwert steht im Einklang mit der aktuellen Konjunkturprognose des IMK. Die Düsseldorfer Konjunkturexperten rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 4 % zurückgeht.
In den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft ein. Darüber hinaus berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch reagiert als das Bruttoinlandsprodukt.