01.12.22 – Schweißtechnik
Schweißdatenmanagement im Offroaderbau
Bei der Konzeption von Anlagen arbeiten OEM und Tier1 oft mit Zulieferern Hand in Hand. So greift der Magna-Konzern bei der Qualitätssicherung und Optimierung der Produktionsabläufe auf Schweißtechnik von Fronius zurück. Der Rahmen des „Mercedes G“ etwa wird unter Verwendung der Software „Weldcube Premium“ gefügt.
Der Automobilzulieferer Magna hat rund um Graz eine breit gefächerte Produktionsinfrastruktur geschaffen: Magna Presstec in Lebring – eine halbe Autostunde südöstlich von Graz – fertigt die Basis des G-Modells. Magna Steyr Fahrzeugtechnik in Graz bringt den Offroader dann zur Vollendung.
„Innerhalb des Magna-Konzerns mit seinen rund 158 000 Mitarbeitern weltweit ist Magna Presstec in die Unternehmensgruppe Cosma eingegliedert“, ordnet Kurt Hartmann ein, Bereichsleiter Qualitätssicherung und Schweißaufsicht für die Rahmenproduktion der Mercedes-G-Linie. Presstec selbst beschäftigt rund 1200 Mitarbeiter – aufgeteilt auf die österreichischen Standorte Weiz und Lebring sowie das slowakische Bratislava. Der Automobilzulieferer stellt hochwertige Fahrwerkskomponenten und Strukturbauteile aus Aluminium und Stahl her. „Zu unseren Kunden zählen VW, Audi, BMW, Daimler und Porsche“, schildert Hartmann.
Offroader erfordern hohe Schweißnahtqualität
Der Mercedes G gilt als eines der geländegängigsten und alltagstauglichsten Fahrzeuge weltweit. Seine große Bodenfreiheit und die inkludierte Wattiefe lassen erahnen: Das Fahrzeug soll besonders harten Offroadbedingungen standhalten. Zugkraft und Langlebigkeit müssen gewährleistet sein, wenn der G bei hoher Geschwindigkeit heftigen Stößen in unwegsamem Gelände ausgesetzt ist. Wie bei Langzeittests im steilen Gelände des Schöckl bei Graz: Auf einem spektakulären Bergkurs werden die Fahrzeuge auf Herz und Nieren getestet. Dem Rahmenbau der G-Klasse muss daher volle Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hohe Ansprüche gelten insbesondere an die Qualität der Schweißnähte.
„Bei dem verwendeten Stahl handelt es sich überwiegend um Blechstärken von 2 bis 4 mm, die mit 657 Schweißnähten zusammengefügt werden. Die gesamte Schweißnahtlänge umfasst 76 m pro Rahmen. Die Herausforderung liegt für uns im Wesentlichen darin, den 4,2 m langen Fahrwerkrahmen Schicht für Schicht aufzubauen – immer innerhalb der vom Kunden vorgegebenen Toleranzen und geforderten Spitzenqualität,“ verdeutlicht Hartmann. Bei der Ausstattung der Produktionsanlage waren die Anforderungen an die Fügetechnik daher: Hohe Lichtbogenstabilität bei perfektem Einbrand, um die nötige Stabilität des massiven Rahmens generieren zu können. Gefordert waren zudem ein möglichst geringer Verzug, eine kontrollierbare Wärmeeinbringung und hohe Schweißgeschwindigkeiten.
„Der Pulse-Multi-Control-Prozess von Fronius konnte unsere Anforderungen bestens erfüllen“, versichert der Bereichsleiter. „Dafür war die modulare Schweißgeräteplattform ,TPS 500i' Voraussetzung. Einfache Bedienung und die problemlose Anbindung an den Roboter sollten das Paket für uns abrunden. Aktuell haben wir auf der Mercedes G-Linie mittlerweile 36 dieser Schweißsysteme im Einsatz. Zusätzlich auch einige ,TPS 320i'-Systeme für etwaige Handschweißarbeiten zur Qualitätskontrolle.“
Drei Produktionsabschnitte
„Unser Anspruch ist, dass jeder Rahmen absolut gleich ist – Abweichungen gilt es auszuschließen“, betont Hartmann. Produziert wird in einer Werkhalle mit über 100 m Länge. Die in weiten Teilen autonome Produktion entspricht hohen Standards, und eng abgestimmte Robotersysteme greifen nahtlos ineinander. Dadurch ist es möglich, dass alle 10 min ein robuster, aus vielen Einzelteilen gefügter G-Rahmen die Halle verlässt.
Gefertigt wird in drei Abschnitten: Vorder- und Hinterbau werden simultan produziert. Zu Beginn bestücken Mitarbeiter die Schweißvorrichtungen. In den Zellen werden die Komponenten dann per Schweißrobotern gefügt. Ein Handlingroboter nimmt die fertigen Komponenten auf, transportiert sie zur nächsten Zelle und bringt sie dort in Position. Am Ende jedes Abschnitts folgt eine für Mitarbeiter unzugängliche Zelle. Diese dient zum einen dem Ausschweißen der langen Nähte, zum anderen wird sie als Abkühlstation oder als komplexe Station verwendet, zum Beispiel für das Squeezing: Dabei werden die Unterschalen mit den Oberschalen der Längsträger verschachtelt, in Position gebracht und unter Druck verschweißt. Im Unterbau – dem letzten Fertigungsabschnitt – werden schließlich Vorder- und Hinterbau miteinander verheiratet. Die letzten Arbeitsschritte beinhalten schließlich das Stanzen von ausgekoppelten Anbindungspunkten für das Fahrwerk. Zusätzlich schießt eine Hubzündung 192 Bolzen auf den Rahmen. Abschließend werden die Qualität der Schweißnähte kontrolliert, etwaige Schweißspritzer entfernt und gegebenenfalls Schweißnähte nachgearbeitet. Final vermisst robotergesteuerte Lasertechnik den Rahmen nochmals exakt und prüft, ob er allen Qualitätskriterien entspricht.
Engmaschiges Schweißdatenmanagement
Um für die G-Linie den hohen Grad der Automatisierung bei hoher Qualität gewährleisten zu können, lag der Fokus von vornherein auf der Integration von Monitoring- und Datenanalysetools für Schweißprozesse. Der Automobilzulieferer suchte nach einer Kooperation mit Fügetechnikspezialisten, deren Systeme und Lösungen die hundertprozentige digitale Nachverfolgbarkeit der Schweißprozesse möglich machen. Hier gelang es Fronius erstmals, ein umfangreiches Schweißdatenmanagementsystem in der Fertigung eines Tier1-Lieferanten zu etablieren und den Nutzen der unterschiedlichen im Einsatz befindlichen Softwaresysteme aufzuzeigen: mit den Softwarelösungen Weldcube Premium und „Central User Management“ von der Qualitätssicherung bis zu Predictive Maintenance.
„Weldcube Premium ist ein wesentlicher Pfeiler unseres Qualitätsmanagements“, betont Hartmann. „Die absolute Nachverfolgbarkeit jeder einzelnen Schweißnaht ist für uns enorm wichtig.“ An den Qualitätskontrollplätzen bekommen die geschulten Mitarbeiter via Terminal genaue Informationen zu auffälligen oder fehlerhaften Nähten. Sondierte Stellen werden einer detaillierten Sichtprobe unterzogen und gegebenenfalls nachgearbeitet. Erst dann wird der G-Rahmen für weitere Prozessschritte freigegeben. Die gesammelten Daten fließen in die Optimierung der automatisierten Schweißprozesse ein. Weldcube Premium zeichnet jeden Millimeter Schweißnaht auf. So lassen sich die Kosten für Verbrauchsmaterialien wie Gas und Schweißdraht analysieren. Darüber hinaus könnte uns „Predictive Maintenance mittels Weldcube Premium ... Einsparpotenzial aufzeigen, wenn zum Beispiel das Schweißdatenmanagement genaue Wartungsintervalle vorgibt“, überlegt Hartmann. „Über den Zustand von Kontaktrohren, Rohrbögen, Brennern und Vorschubgeräten wüssten wir immer genau Bescheid. So könnten wir die Geräte rechtzeitig servicieren, um fehlerhafte Schweißnähte, Nacharbeit oder gar Bauteilausschuss zu vermeiden.“
Auch die Fronius-Lösung Central User Management unterstützt Magna heute im Qualitätsmanagement, indem Benutzer- und Schweißberechtigungen zentral verwaltet werden. Mit einer Chipkarte authentifiziert sich der Schweißer am Schweißgerät, sodass nur spezifisch geschulte Mitarbeiter mit den vorgesehenen Parametern arbeiten können.
Der für Magna zuständige Fronius-Key-Account-Manager Christoph Pangerl ist sich sicher: „Die Erkenntnisse aus der Kooperation mit Magna Presstec sind überaus wertvoll. Wir konnten sie direkt in unsere Produktentwicklung einfließen lassen. Unsere Softwarelösungen haben wir damit einem breiten Kundenkreis zugänglich gemacht.“ Hartmann führt den Gedanken fort: „Speziell das Schweißdatenmanagement hilft uns, unsere Fügetechnik in allen Bereichen zu optimieren. Fronius hat uns ein mächtiges Tool an die Hand gegeben. Das Potenzial ist riesig. Und mit Unterstützung der Fronius-Experten können wir dieses System gewinnbringend einsetzen.“
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