31.05.21 – Querteilanlage

Richtgenau und produktiv

Eine Querteilanlage mit dem Anspruch besonders hoher Richtqualität und Produktivität hat GSW Schwabe bei einem schwedischen Kunden installiert. Mit bis zu 100 t pro Schicht verarbeitet die Anlage Stahl- und Aluminiummaterialien, aber auch Edelstahl, die teilweise pulverbeschichtet oder verzinkt sind.

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15-t-Haspel und Bandvorbereitung mit Einführhilfe, Abzugstreiber und Schopfschere. © GSW Schwabe

 
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Das spannungsfrei gerichtete Band verlässt die Feinrichtmaschine in die Schlaufengrube. © GSW Schwabe

 
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„Zunächst hatten wir die Linie mit fliegender Schere ohne Schlaufe angeboten“, erinnert sich Benjamin Schwabe, Vorstand des Kempener Anlagenherstellers. „Das war schon 2016. Als ich den schwedischen Kunden dann aber besuchte und die alte Ungerer-Linie mit Schlaufengrube sah, empfahl ich das Konzept auf eine herkömmliche Regelung mit Start-Stopp-Vorschub und Schere zu ändern.“ Der Kunde ging den Vorschlag mit.

Für und Wider der Ansätze

Die Vorteile dieser Technik liegen weniger auf der Kostenseite (hier ist man etwa neutral), sie sind vielmehr technischer Art: Bei einer fliegenden Schere werden ein teleskopierfähiges Auswerferförderband und ein Beschleunigungsband benötigt. Letzteres muss etwas länger als die maximale Tafellänge sein, sodass mit einem Schlaufensystem in den meisten Fällen Platz gespart wird. Außerdem muss die Tafel mit einem Bremsrollenpaar gezielt vom Beschleunigungsband in die Abstapelung übergeben werden: Es gibt also beim Materialfall noch eine nicht unerhebliche Vorwärtsbewegung.

Bei einer Start-Stopp-Scherenapplikation hingegen wird die Schere direkt vor den Fingern der Abstapelung positioniert, das Material selbst bewegt sich nicht mehr vorwärts und kann unmittelbar senkrecht abfallen. Belastung und Handling sind effizienter gelöst. Nachteile können sich jedoch bei der Produktivität ergeben. Bei langen Teilen ist hier eine fliegende Schere im Vorteil, weil die Synchronisierung der Geschwindigkeiten weniger Zeit benötigt als die Beschleunigung eines Walzenvorschubes von jeweils null. Außerdem können rutschige Oberflächen im Start-Stopp-Betrieb zu Problemen führen, weil das Material unter den Vorschubwalzen schlupft.

„Unser schwedischer Kunde foliert einen großen Teil seiner Produkte“, berichtet Oliver Laarmans, Projektleiter und Konstruktionschef bei GSW. „Dafür haben wir eine auf hohe Geschwindigkeiten angepasste Kaschiermaschine eingesetzt, allerdings vertragen sich Folie und Messrad nicht gut. Um eine effiziente Lösung zu erzielen, haben wir die Messradtechnik einfach umgedreht und das Laufrad an die Blechunterseite angestellt. Dort ist nicht foliert, sodass nichts schlupft.“ Die Technik überwacht die vorgeschobenen Längen und gleicht sie mit den vom Servomotor gemeldeten Inkrementen ab. Bei Abweichungen regelt das System nach, sodass immer gleich gute Produkte entstehen können.

Anforderungen abarbeiten

Die Ausbringung der Anlage liegt bei 40 m/min als tatsächliche Produktivität und wird schon ab circa 1500 mm Teilelänge erreicht. Haupttafelgröße ist 1250 x 2000 mm, von denen 20 Stück pro Minute automatisch und kratzfrei abgetafelt werden können. Herzstück der Linie ist eine Feinrichtmaschine, für die klare Anforderungen definiert wurden: beeinträchtigungsfreie Oberflächen und eine sehr hohe Richtqualität. Umgesetzt wurde dies per 6-high-Ausführung mit Zwischenwalzen sowie 21-Walzen-Ausführung mit engen Achsabständen.

Doch wie ließ sich die ebenfalls geforderte Kosteneffizienz realisieren? In die Lösung dieser Aufgabe steckte GSW Schwabe schon in der Angebotsphase die meiste Denkarbeit: Eine 1500 mm breite Maschine, die 0,4 bis 3,0 mm dicke Bänder bei bis zu 350er Streckgrenzen feinrichten soll ... Wechselkassette oder nicht? Im Fall, das nicht: Was ist der kleinste Walzendurchmesser, der die hohe Leistung abdeckt? GSW riet zu einer Maschine ohne Wechselkassette und empfahl 48 mm Durchmesser. „Damit konnten wir uns gegen den Wettbewerb durchsetzen, der eine Maschine mit 60 mm Durchmesser angeboten hatte. Unsere Richtfähigkeit war damit wesentlich höher und half bei den Kernmaterialien, die im unteren Dickenbereich liegen, früh eine hohe Plastifizierung zu erzielen. Die Entscheidung gab uns aber auch eine Optimierung der Maschinenstruktur und des Verteilergetriebes vor, denn die Richtkräfte für diese Walzengröße sind enorm hoch“, resümiert Schwabe.

Mit 60 t richten

Eine weitere Anforderung war das Herausarbeiten von Defekten. Die Sichtweise bei GSW hierzu schildert Laarmans: „Als ,Defekt‘ bezeichnen wir alle Ebenheitsabweichungen, die über reguläre Coilkrümmung und Spannung im Material hinausgehen. Randwellen beispielsweise entstehen aufgrund von Auswalzungen und stellen im Grunde Längenunterschiede dar. Hat ein Coil diesen Defekt, benötigt man eine sogenannte Bombage – also ein aktives Überbiegen der Richtwalzen –, um der Sache Herr zu werden. Die richtige Einstellung bedarf neben viel Erfahrung auch einige Meter Material bis das coilspezifische Ergebnis passt. Bei unserem Kunden sollte schon das erste Blech perfekt sein – somit konnten wir diese Technologie nicht empfehlen.“ Neben dem möglichem Schrottanfall und einer deutlich höheren Grundinvestition ist der Anlagenbetrieb aufgrund der hohen Belastung des Walzen- und Lagersystems wesentlich verschleißanfälliger, sodass Walzen häufig nachgeschliffen werden müssen.

GSW entschied sich daher für eine hochleistungsfähige Feinrichtmaschine ohne Wechselkassette und ohne Bombage. Um den hohen Belastungen entgegenzuwirken, erhielt sie neben einer starken Aussteifung und überdimensionierten Spindelhubgetrieben mit einer Belastbarkeit von 4 x 25 t für insgesamt circa 60 t Richtkraft auch ein überarbeitetes Verteilergetriebe aus eigenem Hause und einen großen Reinigungshub (110 mm Weg) für guten Zugang. Durch Einsatz intelligenter Regelungstechnik konnte die Motorgröße mit 30 kW relativ moderat und damit kostengünstig ausfallen.

Walzen rückstandslos säubern

Die Walzenreinigung war der nächste Punkt, auf den der Kunde besonderen Wert legte. Hier pflegt GSW klassische Werte und verzichtet auf einzeln oder insgesamt ausziehbare Walzen. „Das hat wieder mit unserer Ausrichtung auf Effizienz zu tun,“ so der Vorstand. „Die Reinigungstechniken sind je nach Hersteller klasse gelöst; sie kosten aber immer deutlich mehr und schwächen teilweise das System.“

Mit einem Hersteller für technische Kunststoffe wurde daher ein Hartfilz ausgewählt, der in eine spezielle Klammer eingebaut wird. Der Filz ist so breit wie die Walzen und wird einfach in die Maschine gesteckt. Die Klammer fängt sich von selbst am Einlauf der Maschine. Dann wird einfach der Richtkopf zugestellt (ebenso die Zugwalzen, aber drucklos) und die „Vorwärts“-Taste gedrückt: innerhalb von Sekunden sind alle Walzen sauber, so die Erfahrung in Kempen. „Einen wichtigen Beitrag zur schnellen, effektiven Reinigung leisten auch unsere Zwischenwalzen“, betont Laarmans. „Wir bauen diese nicht spiralgenutet, sondern durchgängig hartverchromt und geschliffen. Wenn jetzt die Filzreinigung regelmäßig angewendet wird, entsteht ein optimales Reinigungsergebnis und ohne Rückstände auf den Walzen.“

Bandmitte automatisch regeln

Im Bereich des Abwicklers wurde die vorhandene Beladetechnik (Bundhubwagen mit mehreren Stationen) übernommen und integriert. Den 15-t-Haspel hat GSW für die automatische Bandmittenregelung mit einer elektrischen Verfahrung ausgestattet; der Spreizdorn kann sowohl 500er als auch 600er Innendurchmesser ohne Adapter spannen und verfügt über einen speziellen Konusabschluss an der Spitze, der bei dünnen Bändern hilft, das Bandende im Innern des Coils aufrutschen zu lassen. Auch die Mittenregelung wurde von GSW entwickelt – sie funktioniert über spezielle Sensoren, die auf einer Positionierachse mit Geber und Linearschienen horizontal über dem Band verfahren werden können. Der Aufbau wurde mit einer Galgenkonstruktion am Haspelauslauf gelöst. „Viel günstiger und genauso effektiv wie der externe Zukauf“, freut sich Schwabe. Zum Vorzentrieren der Coils auf dem Haspeldorn werden konische Rollen – ebenfalls mit elektrischer Verstellachse – eingesetzt.

Das hintere Ende der Linie mit dem Palettenmagazin, das über Features wie die Anpassung für verschiedene Palettenformate oder eine automatische Zentrierung verfügt, war mit dem Kunden bereits abgesprochen, da wollte er nach dem Haspel noch eine Bandvorbereitung integrieren. Also rückte GSW die Einführhilfe kurzerhand von der Feinrichtmaschine weg und setzte einen Walzenabzug mit Schopfschere und zusätzlichem Schwenktisch dazwischen. „Diese Erweiterung hat uns ermöglicht, die Richtmaschine ohne eigene Zugwalzen zu bauen,“ berichtet der Konstruktionsleiter. „Allerdings hatten wir nun mit Haspel, Walzenabzug und Feinrichtmaschine drei Antriebe, die es aufeinander abzustimmen galt. Das war regeltechnisch nicht ohne Herausforderung – am Ende aber erfolgreich.“

Abstapeln mit Servotechnik

Als eine weitere Entwicklung wurde die Abstapelanlage, die GSW „Fingerstapler“ nennt, erstmals mit Servotechnik für die Bewegung der Rollenarme links und rechts realisiert. An sich funktioniert das System mit Edelstahlwangen, die für die jeweilige Ausgangsbreite motorisch zentral verstellt werden können. In diese Wangen sind einzelne Tragarme mit Rollenabschluss – die Finger – eingelassen, die in der Horizontalen ein- und ausfahren können. So nehmen sie das Material aus der Schere heraus entgehen und lassen es mit kurzem zeitlichen Versatz nach dem Schnitt gezielt fallen. Da die Schere einen senkrechten Schnittabfall ermöglicht, entsteht an ihrer Unterseite gleich die vordere seitliche Zentrierfläche. Hinten übernimmt das ein automatisch verstellbarer Hinteranschlag mit einer 100 mm breiten Stahlfläche. Die Lageabweichungen von Tafel zu Tafel können durch diese Maßnahmen auf circa ± 1 mm reduziert werden.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Technik mit Festhub über Pneumatikzylinder kann mit der servoelektrischen Verstellung die Fingerpositionierung sehr flexibel – kurz oder lang – gestaltet werden. So werden auch dünne Bänder optimal unterstützt, und schmale Materialien können von den Fingern unterstützt werden, ohne dass eine Durchdringung mit der hinteren Anschlagsplatte erfolgt. Im vorliegenden Fall wurde der komplette Stapelprozess automatisiert: von der aus dem Magazin eingeschleusten Palette über ihre Zentrierung, das Hochfahren unter die Staplerwangen, den getakteten Absenkprozess für den wachsenden Stapel bis hin zum Ausfahren mit Schwerlastrollenbahn. Das Magazin nimmt Paletten bis 2500 mm Länge auf; der Kunde fährt aber auch mit Europaletten und Sonderlängen bis 4000 mm. Dafür hat GSW kurzerhand die Zentrierstrecke zwischen Magazin und Stapelanlage verlängert, sodass von hier aus derartige Palettenausführungen einzeln eingeschleust werden können.

Neues Projekt in Sicht

„Das war bisher die komplexeste Linie aus unserem Haus“, hebt Schwabe hervor. „Vor allem freut mich die Zufriedenheit unseres Kunden. Nach Aussage des dortigen Projektleiters, freut man sich neben stark erhöhter Produktivität über eine nie dagewesene Ebenheitsqualität der Produkte.“ Und so plant man auch schon gemeinsam das nächste Projekt: die Modernisierung im eigenen Stahlservice.

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