13.04.22 – Prozessautomatisierung

Drücken per Autopilot

Um beim Drücken die Prozessstabilität zu erhöhen, Bedienfehler zu vermeiden sowie Werkzeugkosten und Einrichtzeiten zu reduzieren, hat Leifeld Metal Spinning eine Lösung mit künstlicher Intelligenz entwickelt, die den Bediener per Autopilotmodus unterstützt und für hochwertige Ergebnisse sorgen soll.

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„Leifeld Smart Control“ arbeitet mit künstlicher Intelligenz und unterstützt den Bediener im Autopilotmodus. ©Leifeld Metal Spinning © Leifeld Metal Spinning

 
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Bei Einsatz eines Roboters ist mit der neuen Leifeld-Lösung auch eine mannlose Produktion möglich. ©Leifeld Metal Spinning © Leifeld Metal Spinning

 
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„Der Fachkräftemangel nimmt immer weiter zu, damit fehlen auch immer mehr qualifizierte Maschinenbediener“, betont Benedikt Nillies von Leifeld Metal Spinning. Mit dem Drückverfahren des Unternehmens können Verarbeiter dank einer flexiblen Steuerung der Drückrollenbewegung und einem Drückfutter alle verformbaren Materialien wie Stahl und Edelstahl oder Aluminium, Kupfer, Messing, Titan oder Molybdän in Form bringen. Dabei sind Wanddicken von wenigen Zehntelmillimetern möglich. „Was ist mit dem Expertenwissen, wenn erfahrene Metalldrücker in Rente gehen und der Nachwuchs fehlt?“, nimmt Nillies den Gedanken wieder auf. „Wäre es dann für einen Betrieb nicht besser, die Anforderung an den Bediener zu senken und das Know-how in die Steuerung zu verlagern?“

Aus dieser Idee entstand „Leifeld Smart Control“, für dessen Entwicklung Nillies als technischer Direktor verantwortlich war. Unterstützt durch Routinen, die mithilfe künstlicher Intelligenz entwickelt wurden, sollen sich damit Prozessanpassungen automatisieren oder die Prozessstabilität verbessern lassen – alles Punkte, die bislang von der Kompetenz, dem Geschick und Know-how des Maschinenbedieners abhingen. „Wir haben uns dazu im Vorfeld Fragen gestellt wie: Gibt es während der Umformung wiederkehrende mathematische Muster? Oder: Welche Strategien nutzen unterschiedliche Maschinenbediener bei der Bearbeitung?“, so Nillies.

Komplettes Konzept

Hardwareseitig besteht Leifeld Smart Control aus der Drückrolle mit Gabelrollenhalter, einem Kraftmesssensor und einer Werkzeugspanneinrichtung. „Der Gabelrollenhalter mit Kraftmesssensor lässt sich anstelle oder im Wechsel mit normalen Drückrollenhaltern zum manuellen, vom Bediener gesteuerten Drücken einsetzen“, erläutert Nillies. „Durch die automatische Kontaktierung funktioniert die Umschaltung zwischen Kraftsensor und normaler Drückrolle von allein über einen Werkzeugwechsel während der Bearbeitung.“ Aufgrund der Rückführung von Axial- und Radialkräften verbessert der Sensor die Steuerung der Drückrolle, es kann mit konstanter Kraft projiziert werden, und neben der Formgebung lassen sich auch die Wanddickenverläufe definieren.

Ein Softwarebaustein von Leifeld Smart Control ist der „Autopilot Konturaufnahme“. Steuert der Bediener die Konturaufnahme manuell, muss er zwischen Drückrolle und Drückfutter einen Kontakt herstellen. In der Regel ist dies vom Geschick des Bedieners abhängig oder bedingt den Einsatz harter Drückfutter. Mit dem Autopiloten ist mithilfe eines Kraftsensors ein automatisches Abtasten der Drückfutterkontur mit geringer, kontrollierter Kraft möglich. Die im Hintergrund laufende Kollisionsüberwachung verhindert dabei Beschädigungen. „Diese Funktion beschleunigt und vereinfacht das Einrichten der Teile erheblich und ermöglicht darüber hinaus den Einsatz weicher Drückfutter“, verspricht Nillies.

Exakt und wiederholgenau fertigen

Auch die Kraft lässt sich mit Leifeld Smart Control während der Produktion automatisch regeln. Dafür sorgt der „Autopilot Wiedergabe“. „In der Regel fährt der Bediener in der Programmaufnahme festgelegte Bahnen im Koordinatensystem der Maschine ab, um das entsprechende Teil herzustellen“, schildert der technische Direktor. Mit zunehmender Stückzahl oder bei hohen Umformleistungen kommt es fast immer zur Wärmeausdehnung von Drückfutter und Werkzeugen. Dadurch reduziert sich zwangsläufig der Spalt zwischen Drückrollen und Drückfutter, wodurch die Umformkräfte ansteigen. Dies kann dazu führen, dass die Wandstärken negativ beeinflusst werden oder der Prozess bei sehr dünnen Wandstärken gefährdet ist. Um dies zu verhindern, muss der Bediener manuell ein Offset der Drückrolle beziehungsweise Supportachsen eingeben und es regelmäßig während des Prozesses anpassen. Mithilfe des Kraftsensors lassen sich die Umformkräfte überwachen und automatisch regeln, um so die in der Programmaufnahme erstellten Drück- oder Projizierteile exakt und wiederholgenau zu fertigen. Durch Einsatz der smarten Steuerungslösung ist eine geringe Qualitätskontrolle und Prozessbeobachtung durch den Bediener erforderlich – bei Einsatz eines Roboters ist auch eine mannlose Produktion möglich.

Projizierteile automatisiert herstellen

„Neben der Standardversion Leifeld Smart Control bieten wir auch eine „Plus“-Version an“, berichtet Harald Knechtel, Vertriebsleiter bei Leifeld. „Diese enthält zudem die Funktion „Autopilot Projizieren“, mit welcher der Bediener Fehler beim Einrichten der Teile noch zuverlässiger vermeiden und die Einrichtzeit weiter reduzieren kann.“ Dafür berechnet der Autopilot den für die herzustellenden Produkte erforderlichen Spalt anhand der aufgenommenen Kontur automatisch. Das gilt sowohl für einen statischen Spalt bei konischen Komponenten als auch bei einem dynamischen Spalt für einen sphärischen Konturverlauf, der sich an jeder Position der Drückrolle ändert.

Eine andere Möglichkeit, Bauteile automatisiert herzustellen, ist, dass der Autopilot keinem berechneten Spalt folgt, sondern das Werkstück mit einer vom Bediener programmierten, konstanten Kraft projiziert. Die bei einer Einsupportmaschine übliche Werkzeugauslenkung bleibt damit durch die einseitig wirkende Kraft der Drückrolle ohne Auswirkungen auf das Drückergebnis, und eine automatische Korrektur ist nicht erforderlich.

Drückteile effizienter fertigen

Mit „Leifeld Smart Control Premium“ erhält der Anwender zudem den Softwarebaustein „Autopilot Drücken“, der ihm das Fertigen mit automatisierten Routinen erlaubt: Ein durch KI ermitteltes mathematisches Modell berechnet anhand der Materialparameter die nötige Umformkraft und gibt diese dem Autopiloten vor. Ein Algorithmus bestimmt etwa die Rondenbegrenzungskurve während des Prozesses. Dafür zerlegt die Software die Drückstufe in einzelne Segmente und kann durch entsprechende Parametrierung die Form der Stufe beeinflussen. Jede Stufe liefert Daten und Positionen für die nächste. Zudem sind verschiedene Profile für verschiedene Umformstrategien parametrierbar. Dadurch wird ein optimiertes Drückprogramm erzeugt und dem Materialversagen in den einzelnen Drückstufen vorgebeugt. Ein empirisches Herantasten an die optimalen Drückstufen kann entfallen.

Wie kann das in der Praxis aussehen? Nillies nennt ein Beispiel: „Um eine Zylindergeometrie herzustellen, ist eine stufenweise Umformung mit zahlreichen Drückstufen erforderlich. Form und Anzahl der Drückstufen sind von Material, Rondenüberstand und Strategie abhängig. Der finale Glättüberlauf oder auch das Abstrecken bestimmen die Wandstärke des Fertigteils. Im ersten Schritt werden die Drückstufen inkrementell generiert. Dazu sind in der Steuerung verschiedene Drückstufenformen und Profile hinterlegt, die durch den Bediener anwählbar sind. Die Software berechnet automatisch die Rondenbegrenzungskurve beim Drücken, sodass es zu keinem Überfahren des Rondenrandes kommt. Dann folgt das finale Abstrecken auf die Endwandstärke.“

Leifeld Metal Spinning AG
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