09.12.24 – Interview mit Susanne Szczesny-Oßing

„Die Vorstellung: Unternehmertum ist männlich, 50+ und trägt schwarzen Anzug auflösen“

Susanne Szczesny-Oßing ist eine der wenigen Frauen in der Branche, die eine Spitzenposition einnehmen. Sie ist mehrfach ausgezeichnete Unternehmerin, zeigt sich von familiären Werten geleitet und ist auch wirtschaftspolitisch aktiv. BLECH+ROHRE-PROFILE-Chefredakteur Tilo Michal sprach mit ihr über „weibliches" Unternehmertum, Engagement und Verantwortung.

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Susanne Szczesny-Oßing. © EWM

 

Sie sind seit 1995 Mitglied der Geschäftsführung innerhalb der EWM-Gruppe, einem Familienunternehmen in einer männerdominierten Branche. Können Sie sagen, dass Sie es als Frau schwerer hatten, für das eigene Standing zu sorgen?

Susanne Szczesny-Oßing (SSO): Natürlich ist die Position als Frau in einer männerdominierten Branche eine besondere – und als weibliche Geschäftsführerin erst recht. Am Anfang meines Berufslebens war es für mich nicht immer einfach, damit entspannt umzugehen. Doch ich habe schnell gelernt, die besondere Aufmerksamkeit, die mir oft entgegengebracht wurde, nicht als Hindernis, sondern als Chance zu sehen. Heute nutze ich diese Aufmerksamkeit gezielt positiv, um wichtige wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen voranzubringen. Den eigenen Weg in einer männerdominierten Branche zu finden und zu gehen, war in Teilen fordernd – aber es ist und bleibt bis heute auch eine immense Bereicherung.

Ist es Ihnen schon passiert, dass Ihre fachliche Meinung nicht wertgeschätzt oder mindergewichtet worden ist, weil Sie eine Frau sind?

SSO: Ja, das ist natürlich - leider- passiert und solche Situationen lassen sich im Leben und im Geschäftsleben generell nicht immer vermeiden. Entscheidend ist aber, wie man damit umgeht. Man darf sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen und vor allem sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Für mich sind ein bodenständiges, authentisches und selbstbewusstes Auftreten die Schlüssel zum Erfolg – so gewinnt man langfristig die nötige Anerkennung, unabhängig von äußeren Umständen.

Wie sind Sie in die Branche gekommen und wann haben Sie gespürt, dass diese genau die Richtige für Sie ist?

SSO: Meine Laufbahn bei der EWM-Gruppe begann 1984, damals noch unter der Leitung meines Vaters Bernd und meines Onkels Michael Szczesny. Ich bin quasi ins Unternehmertum hineingeboren worden und habe mich Schritt für Schritt in neue Aufgabenbereiche eingearbeitet. Als Familienunternehmen sind für uns die Werte, die in der Familie wichtig sind, auch im Unternehmen von zentraler Bedeutung. Deshalb wusste ich schon früh, dass das eigene Unternehmen genau das Richtige für mich ist, und dass ich hier wirklich etwas bewegen möchte. Was aus meiner Sicht an unserer Schweißbranche besonders begeisternd ist, ist der offene, ehrliche und bodenständige Umgang miteinander – das passt perfekt zu meinen Werten und meinem Führungsstil.

Wie führen Sie? Würden Sie von sich sagen, dass Sie anders führen als ein Mann?

SSO: Ob sich mein Führungsstil als Frau überhaupt von dem meiner männlichen Kollegen unterscheidet, kann ich nicht genau sagen. Was für mich jedoch im Vordergrund steht, ist, dass mein Ansatz stark von dem Vertrauen in Teamarbeit und meinen persönlichen Werten geprägt ist. Entscheidend ist für mich, mit gutem Beispiel voranzugehen und im täglichen Arbeitsalltag vorzuleben, was mir selbst wichtig ist. Die Werte, die mir dabei besonders am Herzen liegen, sind Aufrichtigkeit, Verbindlichkeit, Bodenständigkeit, Respekt, Vertrauen und Wertschätzung. Diese Prinzipien leiten mich sowohl privat als auch im Umgang mit meinen Mitarbeitenden und in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern.

Könnte man Ihre Motivation, wenn man Sie in einem Satz beschreiben müsste, in die Fassung bringen: „Ziel ist es, einen familiengeführten Hidden Champion in der Lichtbogenschweißtechnik zu einem deutlich sichtbaren Innovationstreiber weiterzuentwickeln…?“

SSO: Unsere eigene Motivation – sowohl die der Gründerfamilie Szczesny als auch die der erweiterten Geschäftsleitung – ist es, die EWM-Gruppe eigenständig weiterzuentwickeln. Das ist auch in unserem Wirkungsversprechen zusammengefasst: Wir schaffen vertrauensvolle und verlässliche Verbindungen für nachhaltiges Wachstum über Generationen hinweg. Insofern steckt in Ihrer Formulierung genau das, was auch unser langfristiges Ziel ist – einen bisher rein familiengeführten Hidden Champion in der Lichtbogenschweißtechnik zu einem noch sichtbareren Innovationstreiber weiterzuentwickeln.

Sie wurden dieses Jahr zur Vorbild-Unternehmerin der BMWK-Initiative „FRAUEN unternehmen“ ernannt und mit dem 2. Platz der rheinland-pfälzischen Initiative „Frauen im Mittelstand“ vom Innovator des Jahres gewürdigt. Was bedeuten solche Auszeichnungen für Sie?

SSO: Solche Auszeichnungen sind immer etwas Besonderes, denn sie sind eine Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit. Sie bestärken mich in meiner Überzeugung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben und motivieren mich auch für die Herausforderungen, die noch vor uns liegen. Mit diesen Auszeichnungen ist natürlich auch eine Verantwortung verbunden. Ich möchte andere Frauen ermutigen, Ihr Potential voll auszuschöpfen und sich ebenfalls für eine unternehmerische Karriere im Mittelstand zu entscheiden. Zudem setze ich weitaus früher an und versuche auch schon junge Mädchen für das Berufsbild der Unternehmerin zu begeistern und eingestaubte Rollenbilder wie „Unternehmertum ist männlich, 50+, im schwarzen Anzug“ aufzulösen. Meine Vorbildfunktion möchte ich positiv nutzen und damit meinen eigenen Wertevorstellungen gerecht werden.

Die Schlagworte „Nachhaltigkeit“ und „Fachkräftemangel“ sind omnipräsent. Sie investieren 10 % des Umsatzes in Forschung und Entwicklung und bezeichnen Wissen als Ihr wichtigstes Unternehmenswerkzeug…

SSO: ... und das ist es auch! Nur durch die erfolgreiche Weitergabe von Knowhow von Generation zu Generation können wir unseren nachhaltigen Erfolg sichern. Damit leisten wir unseren Beitrag gegen den Fachkräftemangel und investieren aktiv in die nächste Generation unserer Mitarbeitenden. So schaffen wir starke Verbindungen auf allen Ebenen – das ist sozusagen das Kerngeschäft unserer Branche. Und genau das bringen wir bei EWM in unserem vorhin bereits genannten Wirkungsversprechen auf den Punkt.

Sie sind ja über das Unternehmen hinaus noch Präsidentin der IHK Koblenz und haben einige weitere Ehrenämter inne, Engagement schreiben Sie also ganz groß! Wie schaffen Sie es, persönlich immer in der Balance zu bleiben?

SSO: Das klappt am besten, wenn man genau weiß, was man will und ein konkretes oder übergeordnetes Ziel vor Augen hat. Ob als CEO bei EWM, als Präsidentin der IHK Koblenz oder als Präsidentin des DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e. V. – ich nutze meine Stimme, um wichtige Anliegen voranzubringen und positive Veränderungen zu gestalten. Mein Ziel ist es immer, bessere Bedingungen für alle zu schaffen. Die vielen Aufgaben unter einen Hut zu bringen, funktioniert natürlich nur mit einem starken Team, das mir den Rücken freihält und mir den Freiraum gibt, mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren. Auch der Rückhalt innerhalb meiner Familie ist eine große Stütze. Erfolg ist nur durch guten Zusammenhalt möglich – sowohl im beruflichen Team als auch im privaten Umfeld.

Susanne Szczesny-Oßing kompakt

Susanne Szczesny-Oßing (Jg. 1964) ist seit 1995 Mitglied in der Geschäftsführung der EWM-Gruppe mit Sitz in Mündersbach und rund 700 Mitarbeitenden. Seit 2005 ist sie CEO. Ihre beruflichen Stationen führten sie über zwei duale Studiengänge zu EWM. EWM verkauft im Jahr rund 60.000 Schweißgeräte-Einheiten und -Komponenten und hat weltweit über 400 Vertriebs- und Service-Stützpunkte.

Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

www.ewm-group.com

https://www.innovator-des-jahres.com/das-sind-die-gewinnerinnen-des-publikumspreises-erfolgreiche-frauen/