01.03.19
Spagat zwischen Festigkeit und Restverformungs-Eigenschaften
Röhrs ist spezialisiert auf die Auslegung und Produktion technischer Federn, die hoher Beanspruchung ausgesetzt sind. Runddrahtfedern können oft mit dem am Markt erhältlichen Rundmaterial gefertigt werden, doch für Flachdrahtfedern oder die von Röhrs patentierte Schraubentellerfeder braucht der Draht einen rechteckigen Querschnitt.
„Uns ist wichtig, dass die Materialeigenschaften 1:1 die Anforderungen erfüllen, die wir in der Federauslegung definiert haben“, sagt Mario Posner, Konstrukteur bei Röhrs. Also walzt das Unternehmen – als einer der wenigen Hersteller weltweit – den runden Stahldraht selber zu Profilquerschnitten.
Allgemein gibt es für die Produktion von kaltgeformten Federn die Standard-Werkstoffnorm DIN EN 10270. Mit diesen Vorgaben ist der Rahmen gesetzt, in dem sich Hersteller von Standard-Werkstoffen für die Federherstellung meist bewegen. „Für Runddrahtfedern kann man das Material gut einsetzen“, erklärt Posner. „Es wird gewickelt oder gewunden, hat also nur eine Kaltverformung zu überstehen.“ Doch bei Federn aus Flachdrahtprofil geht Röhrs einen speziellen Weg. „Hier beziehen wir keine fertigen Sonderquerschnitte, sondern walzen die Drahtquerschnitte aus rundem Draht im Haus.“ Zum einen ist das Unternehmen damit flexibel, denn es lässt sich eine Vielzahl benötigter Querschnitte umsetzen, ohne Zeitverzug oder Lieferschwierigkeiten. Zum anderen haben die Federexperten die Materialeigenschaften zu 100 % unter Kontrolle – auch wenn das Walzen einige Herausforderungen birgt.
Eine Feder muss gemessen an ihrer Größe oft immense Kräfte aushalten. Insofern ist eine hohe Festigkeit des Materials gewünscht. Je höher allerdings die Festigkeit ist, desto geringer sind am Ende die Restverformungs-Eigenschaften. Nach dem Walzen durchläuft der Stahl die zweite Kaltverformung, das Wickeln oder Winden. In der Anwendung muss das Material außerdem der Dauerbelastung standhalten können, um vorzeitige Ausfälle zu vermeiden. „Das ist definitiv ein Spagat, den wir bei jeder einzelnen Feder erreichen wollen“, sagt Posner. Daher verwendet das Unternehmen teils eigene Werkstoffe der „Erco“-Linie, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen.
Basierend auf jahrzehntelanger Erfahrung sind die Grenzen definiert, wie weit die spezifischen Materialien technisch umformbar sind. Neben der Materialauswahl gilt es, das Walzen an sich korrekt durchzuführen. Je nach Materialdicke, gewünschtem Querschnitt und benötigtem Umformgrad erfolgt der Vorgang in bis zu neun Stichen beziehungsweise Umläufen, um den Werkstoff zu schonen. Der letzte Stich wird konisch angelegt, der Querschnitt also auf einer Seite weiter ausgewalzt als auf der anderen. Posner zu dieser letzten Hürde: „Der Draht wird am Ende um einen runden Dorn gewickelt. Die Seite am Dorn muss weiter ausgewalzt sein als an der Außenseite, damit wir im Endquerschnitt der fertigen Feder innen wie außen die gleiche Dicke erzielen.“
Vom Rohmaterial bis zur Anwendung
Bei der Produktion von Federn, die auf individuelle Anforderungen und Beanspruchung ausgelegt sind, hat Qualitätssicherung besondere Bedeutung. „Bei uns reicht es nicht, eine abschließende Qualitätskontrolle zu machen. Wir sind vom Wareneingang über einzelne Fertigungsschritte bis zur Simulation von Anwendungsbedingungen bei jedem Schritt dabei“, erklärt Sonja Geiger, Leiterin Qualitätssicherung bei Röhrs. Die Zertifizierung des Unternehmens nach DIN ISO 9001:2015 sowie DIN ISO 14001:2015 ist für Geiger und ihr zwölf Mitarbeiter starkes Team einfach nur Standard.
Jeden Werkstoff, der bei Röhrs angeliefert wird, nimmt die Qualitätssicherung unter die Lupe. Zeugnisse und Datenblätter zum Material werden mit der Bestellung gegengeprüft. Eine Stichprobe muss unter anderem einen Test über sich ergehen lassen, ob die Vorgaben bis zum Riss eingehalten werden. „Das ist ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit“, sagt Geiger. „Dann geht es in die Fertigung, wo wir jeden grundlegenden Schritt begleiten.“ Alle Definitionen, die die Technik bezüglich Länge, Kräften, Hub+Co. festgelegt hat, werden kontinuierlich überprüft. „Die Anwendung beim Kunden ist dabei unser Ziel, und wenn etwas nicht exakt passt, geben wir die entsprechende Rückmeldung an die Kollegen, damit optimiert werden kann.“
Ist die Feder produziert, folgt die abschließende Qualitätssicherung. Zehn Prüfmaschinen testen die Produkte auf Herz und Nieren. Dabei wird bei Schraubentellerfedern, unabhängig von der Losgröße, jede einzelne auf alle relevanten Größen geprüft. „Bei anderen Federtypen entscheiden wir anhand von Anwendung und Kundenwunsch, ob eine Qualitätskontrolle mit Stichproben ausreicht.“ Der Mindest-Anspruch bei Röhrs ist: Jede Federn-Charge ist statistisch geprüft und erhält ein 3.1.Zeugnis.
„Das andere Extrem ist, dass wir jede einzelne Feder prüfen, durchnummerieren und alle Werte protokollieren. In manchen Industrien ist das wichtig.“ Zudem besteht die Möglichkeit, Federn einer Dauerprüfung unter Laborbedingungen zu unterziehen. Zum einen baut Röhrs damit kontinuierlich sein Know-how aus, denn es lässt sich detailliert untersuchen, wo kritische Punkte in Federgeometrie oder Werkstoff auftreten können. Zum anderen ist diese Dienstleistung auch für Kunden verfügbar. „Wir können dynamische und statische Dauerstandsprüfungen durchführen, also die Simulation von Millionen von Lastwechseln oder des eingespannten Zustandes über definierte Zeiträume hinweg“, erklärt Geiger. „Damit sehen wir genau, was in der Praxis mit der Feder passiert.“
Qualitätssicherung in Zahlen
– Die dynamische Dauerstandsprüfung auf einer servohydraulischen Universalprüfmaschine ist zwischen Raumtemperatur und 900 °C durchführbar. Abhängig von der Prüflingsgeometrie lassen sich bei 0,5 Hz bis 70 Hz Wiederholungsfrequenz Kräfte bis 63 kN simulieren.
– Die Zug- und Druckprüfmaschinen für die Serien- und Musterprüfung decken ein Kraftspektrum ab von 0,04 N bis 400 000 N.
– Bei Röhrs wurden allein 2018 in der Serienendprüfung über 400 000 Einzelfedern getestet.
Das Unternehmen ist auf die Auslegung und Produktion technischer Federn spezialisiert. Ein Fokus liegt auf dem Bereich Werkzeug- und Werkstückspannung für den Maschinenbau. Ferner entwickelt das Unternehmen individuelle Federtechnik für Branchen wie Mobilität, Medizintechnik oder Luft- und Raumfahrttechnik. Zum Portfolio zählen die von Röhrs patentierte Schraubentellerfeder sowie Mehrdraht-, Flachdraht- und Runddrahtfedern, Federsätze und Spezialfedern. Realisierbar sind Außendurchmesser von kleiner 2 mm bis 275 mm. Von der Federauslegung über das Walzen von Draht bis zu Werkzeugbau und Fertigung bleibt die gesamte Prozesskette inhouse.
Dr. Werner Röhrs GmbH+Co. KG
Oberstdorfer Straße 11-15
87527 Sonthofen
Ansprechpartner ist Ulrike Messenzehl
Tel.: +49 8321 614-0
ulrike.messenzehl@roehrs.de
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