27.06.22 – Teilereinigung

Wenn das Lösemittel allein nicht das Mittel zur Lösung ist

In Autos regeln sie den Luftstrom von Heizung und Klimaanlage, sodass es der Fahrer im Sommer kühl und im Winter angenehm warm hat: Aktuatoren. Angetrieben werden die Komponenten zum Beispiel durch Schrittmotoren, wie sie auch Johnson Electric International in Murten in der Schweiz produziert.

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In den Entfettungsanlagen bei Johnson Electric sorgt der modifizierte Alkohol „RG Cleaner 63“ für Bauteilsauberkeit. © Richard Geiss

 
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Durch die Produktion laufen jeden Tag 450 000 Einzelteile für Schrittmotoren, die entfettet werden müssen. © Richard Geiss

 
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Rund 450 000 Statoren werden jeden Tag am Standort in der Nähe von Bern gestanzt, um anschließend in Montagelinien zu Schrittmotoren zusammengebaut zu werden. Damit die Motoren im Fahrzeug später zuverlässig arbeiten und ein Drehmoment von bis zu 80 Nm halten, müssen die Einzelteile des Schrittmotors hinreichend entfettet sein. Hier lag bei Johnson Electric International in der jüngeren Vergangenheit die Krux: Obwohl die Teile gereinigt worden waren, hielten sie den geforderten Ausreißkräften nicht mehr stand. Hilfe kam von Richard Geiss, dem Lösemittelspezialisten aus Offingen, sowie dem Schweizer Kompetenz- und Distributionspartner Thommen-Furler aus Rüti bei Büren.

450 000 Teile pro Tag entfetten

„Von den 450 000 Einzelteilen für Schrittmotoren, die bei uns jeden Tag durch die Produktion laufen, ergeben immer zwei Einzelteile einen Motor“, erläutert José Landeira, Metal Part Manager bei Johnson Electric International. Im Auto verbaut, steuern sie beispielsweise die Klappen der Heizung und Klimaanlage. Je luxuriöser das Fahrzeug, desto mehr dieser Schrittmotoren braucht es. „Bei einer gut ausgestatteten S-Klasse sind das circa 20 Stück“, so Landeira weiter, der seit 28 Jahren am Standort Murten arbeitet. 75 % der hier produzierten Bauteile gehen in die weltweite Automobilindustrie, darunter auch Schrittmotoren, die in drei Montagelinien produziert werden. 36 Millionen Stück verlassen jedes Jahr das Werk.

Bevor die beiden Einzelteile jedoch zu einem Schrittmotor zusammengesetzt werden, müssen sie hinreichend gereinigt werden. Denn kleinste Verschmutzungen können negative Auswirkungen auf die Ausreißkräfte des Schrittmotors haben. Die Entfettung der Statoren übernehmen in Murten zwei Anlagen von REK Reinigungstechnik, die seit 2015 im Einsatz sind. Beim Lösemittel vertraut Johnson Electric auf den modifizierten Alkohol „RG Cleaner 63“ von Richard Geiss. Der Alkohol befreit die Bauteile nicht nur von polaren Stoffen wie Salzen, Staub oder Metallabrieb, sondern löst auch unpolare Stoffe wie Fette und Öle.

Zu geringe Ausreißkräfte

„Die Ausreißkräfte unserer Schrittmotoren wurden mit der Zeit aber immer schwächer. Wir konnten uns nicht erklären, warum. Schließlich haben wir die Einzelteile wie gewohnt in unseren Anlagen entfettet“, so Landeira. Die Schrittmotoren müssen Ausreißkräfte von 80 Nm halten, um die strengen Anforderungen der internationalen Automobilindustrie zu erfüllen. Johnson Electric fährt die beiden REK-Dampfentfettungsanlagen im Dreischichtbetrieb, fünf Tage die Woche. „Zum Wochenbeginn waren die Messungen immer in Ordnung, aber zum Ende der Woche hin wurden sie immer schlechter.“

Das erste Gedanke war: Es könnte am Öleintrag liegen. Denn am Wochenende stehen beide Entfettungsanlagen still, und das Lösemittel wird destilliert, was die besseren Messergebnisse am Wochenanfang erklärt hätte. „Die Analysen in unserem Firmenlabor aber haben gezeigt, dass beide Lösemittelproben, die wir am Anfang und am Ende der Woche aus der Anlage entnommen hatten, keine großen Unterschiede aufwiesen. Im Gegenteil: Das Medium war sauber“, betont Manuel Huihui, Außendienstmitarbeiter bei Richard Geiss.

Die Anlagen schäumen

Wie aber konnte es sein, dass die Teile verschmutzt waren, nachdem sie aus den Entfettungsanlagen kamen? Zur Ursachenforschung untersuchten die Lösemittelspezialisten von Richard Geiss alle Prozessschritte bei Johnson Electric in Murten, entnahmen Proben aus den einzelnen Waschbädern und maßen den Abdampfrückstand in den Entfettungsanlagen. „Das ging weit über normale Serviceanalysen hinaus“, betont Landeira. Neben dem Lösemittel wurde auch die gesamte Anlagentechnik überprüft.

Das Ergebnis: Die bei Johnson Electric installierten Anlagen neigten unter den eingestellten Parametern zum Schäumen, und dieses Schäumen verschmutzte die Teile nach dem Reinigen wieder. Verantwortlich dafür war das Zusammenspiel aus eingetragenem Öl in das Lösemittelbad und Druckunterschied in den Kammern der Dampfentfettungsanlagen. So zog der Lösemitteldampf, der sich beim Reinigungsprozess auf die Teile legt, Öl mit, und dieses Öl setzte sich dann auf den gereinigten Teilen ab.

Den Schaum brechen

Zur Lösung des Entfettungsproblems wurden in Rücksprache mit einem auf die Anlagen spezialisierten Servicetechniker der Druckunterschied in den Anlagen verringert und weitere Anlagenparameter optimiert. Darüber hinaus wurde in beiden Dampfentfettungsanlagen der Entschäumer „Geiss Distil“ zum Einsatz gebracht. Der Schaumbrecher verhindert die Schaumbildung in organischen Lösemitteln, die durch Tenside, Silikone oder Fluorcarbonharze verursacht werden kann. Die enthaltene Entschäumerkomponente wirkt in Destillationsprozessen organischer Lösemittel stark schaumbrechend, sodass ein Überkochen oder Überschäumen bei der Destillation verhindert wird.

„Diese Umstellung hat geholfen. Wir können jetzt wieder problemlos die strengen Anforderungen der Automobilindustrie erfüllen“, verdeutlicht Landeira. Damit meint er nicht nur die internationalen Normen nach ISO, sondern auch Empfehlungen und Normungen des Verbandes der Automobilindustrie sowie die Norm IATF 16949. Diese vereint allgemeine Forderungen an Qualitätsmanagementsysteme der Automobilindustrie, der sich rund ein Drittel der mehr als hundert weltweit existierenden Automobilhersteller angeschlossen hat. Dazu gehören unter anderem BMW, Chrysler, Daimler, VW, Fiat, Ford und General Motors.

Lösemittel zur Hälfte sparen

Johnson Electric hat heute in Murten nicht nur einen stabilen, sondern auch einen optimierten Entfettungsprozess. Denn im Vergleich zu vorher spart das Unternehmen dank der Anlagenjustierung und des Entschäumers Geiss Distil die Hälfte an Lösemittel. Jede Woche gibt das Team von Landeira rund 2 cl des Entschäumers in die REK-Entfettungsanlagen. Das klingt nach wenig, hat aber einen großen Effekt: „Wo wir früher alle drei Monate fast 700 l Lösemittel austauschen mussten, kommen wir mit dem Lösemittel jetzt sechs bis acht Monate aus. Das bringt uns nicht nur einen stabilen Prozess, sondern spart natürlich auch erheblich Kosten“, berichtet der Metal Part Manager.

In seinen Augen lag der Schlüssel zur Lösung des Entfettungsproblems vor allem in der konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten: den Lösemittelspezialisten von Richard Geiss, dem Anlagenhersteller REK und der Thommen-Furler AG. „Wenn wir nicht den Austausch und die Unterstützung von allen drei Seiten gehabt hätten, wären wir dem Problem vielleicht nie auf die Schliche gekommen“, sagt Landeira. „Gerade die Profis von Richard Geiss standen uns von Problembeginn an mit ihrem Know-how und ihrer Hilfe zur Seite. Die Betreuung durch Geiss und das Team von Thommen-Furler ist wirklich klasse.“

Sabrina Deininger, Redakteurin bei Jensen Media

Richard Geiss GmbH

Lüßhof 100

89362 Offingen

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