15.10.20 – Brennen und Schweißen

Mit Hochdruck gewachsene Partnerschaft

Rund 75 000 Hydraulikzylinder, Dämpfer und Zylindersysteme verlassen jährlich das Werk von Liebherr-Components Kirchdorf. Immer dann, wenn Sonderkonstruktionen aus Stahl benötigt werden oder besondere Anforderungen an die Bearbeitung bestehen, vertraut der Hydraulikspezialist auf Jebens.

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Für die Hinterachse von Liebherr-Miningtrucks fertigt Jebens Spurstangenrohteile, die mit 930 mm Länge und 110 mm Dicke der Stabilisierung der Achsen dienen. © Liebherr-Components Kirchdorf

 
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Die Spurstangenrohteile fertigt Jebens aus Feinkornbaustahl S690. © Liebherr-Components Kirchdorf

 
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Als Hersteller von Mobilkranen und Hydraulikbaggern ist Liebherr international eine feste Größe. Mit elf anwendungsorientierten Sparten gilt das Unternehmen aber auch in anderen Branchen als technologischer Vorreiter. 1949 begann Hans Liebherr mit der Herstellung eines Turmdrehkranes in Kirchdorf an der Iller. Aus dieser Keimzelle entwickelte sich sein Unternehmen in 70 Jahren zu einer internationalen Firmengruppe in Familienhand. Hauptgeschäftsfelder sind heute Erdbewegung, Fahrzeugkrane sowie Aerospace und Verkehrstechnik. Hinzu kommen die Sparten Mining, Turmdrehkrane, Betontechnik, maritime Krane, Verzahntechnik und Automationssysteme sowie Komponenten, Hausgeräte und Hotels. Über 46 000 Mitarbeiter, weltweite Produktions- und Vertriebsstandorte sowie ein Gruppenumsatz von 10 Milliarden Euro im Jahr 2018 zeugen von einer eindrucksvollen Entwicklung aus eigener Kraft.

1958 wurde im Unternehmen der erste Hydraulikzylinder hergestellt – ein Geschäftsfeld, das mit der Unternehmensentwicklung an immer mehr Fahrt gewann. 2014 wurden die Entwicklung und Produktion von Hydraulikzylindern als eigenständiges Unternehmen gegründet – die Liebherr-Components Kirchdorf GmbH – und der Liebherr-Komponentensparte zugeordnet. An mittlerweile zwei Standorten in Kirchdorf und Oberopfingen vertreten, erwirtschaftete das junge Unternehmen 2018 mit 500 Mitarbeitern einen Umsatz von 120 Millionen Euro.

Schwerpunkt im Portfolio sind kundenspezifisch entwickelte Hydraulikzylinder für mobile oder stationäre Anwendungen. Mit drei Baureihen von Standardhydraulikzylindern, zum Beispiel für Baumaschinen oder Industrieanwendungen, bietet das Unternehmen aber auch vordefinierte Zylinder in einer breiten Auswahl an Abmessungen, Befestigungsarten, Ölanschlüssen und Oberflächenveredelungen. Wartungsarme Stoßdämpfer sowie Gelenk- und Spurstangen für Miningtrucks, faserverstärkte Komponenten und Zylinder-Sensorik runden das Portfolio ab. Nicht zuletzt agiert Liebherr-Components als Komplettanbieter hydraulischer Systeme am Markt. Hierfür wurde das Leistungsangebot durch kundenspezifische Hydraulikaggregate erweitert.

Komplexer Entwicklungsprozess

Um die geforderte Lebensdauer und Zuverlässigkeit der Zylinder auch bei hartem Dauereinsatz zu gewährleisten, setzen die Spezialisten in Kirchdorf auf intensive Entwicklungsprozesse. Mit FEM-Berechnungen simulieren sie das Produktverhalten unter realen Einsatzbedingungen. Hohe Fertigungstiefe, ein moderner Maschinenpark sowie eigenentwickelte Verfahren und Maschinen für die Prototypen- und Serienproduktion sind Grundlage einer ebenso reproduzierbaren wie wirtschaftlichen Herstellung der anspruchsvollen Hydraulikzylinder. Der bislang größte Zylinder, der am Standort Kirchdorf entwickelt und produziert wurde, hat ein Gewicht von 8,6 t. Mit einer eingefahrenen Länge von 11 850 mm und 5000 mm Hublänge leistet er in einem Mininggerät Schwerstarbeit. Ihn übertrifft – zumindest leistungstechnisch – noch ein Schrottscherenzylinder, der mit einer Druckkraft von 7800 kN seiner Arbeit nachgeht.

Bei kundenspezifisch zu entwickelnden Hydraulikzylindern gibt stets ein komplexes Lastenheft die Kundenerwartungen vor. Für Liebherr-Components gilt es, die Vielzahl dieser Vorgaben bei der Konstruktion und Fertigung zu berücksichtigen. Um selbst extreme Anforderungen an die Funktionsfähigkeit unter harten Umgebungsbedingungen zur Zufriedenheit des Kunden erfüllen zu können, arbeitet man von Anfang an in sogenannten Experten-Teams. Hier prüfen Spezialisten aus der Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Programmierung und Fertigung bis zur Montage die Aufgabenstellung und Lösungsansätze aus jeder Perspektive.

Die Realisierung eines Sonderzylinders im Mining-Bereich dauert von der Entwicklung über Prototypenbau und Feldversuche bis zur finalen Kundenfreigabe mehrere Jahre. Während der zwei- bis dreijährigen Feldtests erfolgen regelmäßige Bewertungen mit anschließenden Optimierungszyklen. Erst nach endgültiger Freigabe beginnt die Serienproduktion eines kundenspezifisch entwickelten Zylinders. Dieser aufwendige Prozess ist zwingende Voraussetzung, um die hohen Lebensdauererwartungen von bis zu 72 000 Betriebsstunden zu erfüllen: Bis zu 20 000 Betriebsstunden sind sie im Dauereinsatz, bevor eine erste Dichtung ersetzt werden muss.

Bearbeitung von Feinkornstahl

Viele Komponenten von Liebherr werden aus Guss oder Schmiedeteilen gefertigt. Bei Rohteilen für Köpfe, Spur-, Lenk- oder Kolbenstangen vertraut der Hydraulikspezialist seit Langem auf die Kompetenz von Jebens. Diese beginnt bei der Materialverfügbarkeit: Mit einem der größten Lager in Europa an hochqualitativen Stählen im Dickenbereich von 100 bis 650 mm – darunter hochfeste Güten wie S690 und ASME-zertifizierte Materialien – zählt Jebens zu den zentralen Blechlieferanten von Liebherr-Components Kirchdorf.

Bei Sonderkonstruktionen oder Prototypen ist überdies die langjährige Erfahrung der geprüften Schweißer und Schweißfachingenieure des Spezialisten aus Korntal-Münchingen gefragt. So fertigt Jebens beispielsweise Spurstangenrohteile für die Hinterachse von Miningtrucks. Mit 930 mm Länge und 110 mm Dicke dienen diese Spurstangen zur Stabilisierung der Achsen. Aus dem gleichen Feinkornbaustahl S690 fertigt der Brennschnittspezialist Kolbenstangenrohteile für Schwenkrotatoren, die 360-Grad-Drehungen und bestimmte Winkelbewegungen von Baggerschaufeln ermöglichen. Mit einer Länge von 524 mm bei 80 mm Durchmesser gehören sie mit einem Gewicht von 23 kg zu den Leichtgewichten im Aufgabenspektrum. Für Liebherr ist entscheidend, dass diese Teile aus hochfestem Stahl keine weitere Schweißbearbeitung in Kirchdorf erfordern.

Neben diesen Brennteilen liefert Jebens auch Gabelköpfe in unterschiedlichen Werkstoffgüten als einbaufertige Schweißbaugruppen. Anders als bei Versionen aus unlegierten Baustählen wie S235 oder S355 erfordert die Bearbeitung der bis 200 mm dicken Bleche aus Feinkornstahl der Güte S690 eine präzise Temperaturführung. Beispielhaft dafür steht ein 281 kg schwerer Gabelkopf für den Prototyp eines Mobilkran-Ausschiebezylinders. Der hochfeste Stahl musste zunächst gezielt vorgewärmt werden, bevor Laschen und Bodenplatte geschnitten wurden. Nach dem Schneiden bearbeitete Jebens die Bodenplatte mechanisch und verschweißte sie dann mit den Laschen. Anschließend wurde die Baugruppe kontrolliert abgekühlt und erneut mechanisch bearbeitet. Wolfgang Kurz, strategischer Einkäufer, betont: „Für uns ist es ein entscheidender Vorteil, dass wir nicht nur ein reines Brennteil bekommen, sondern einbaufertige Bauteile.“

Zentrale Rolle von ASME-Materialien

Mit Materialumschlaggeräten, die mit langen Auslegern in Häfen oder auf Schrottplätzen im harten Dauereinsatz sind, ist eine zusätzliche Anforderung an Jebens verbunden. Bei diesen Maschinen ist zwischen zwei Hubzylindern ein Energierückgewinnungszylinder platziert. Dieser mit Stickstoff gefüllte Gaszylinder nimmt im Liebherr-Portfolio eine bedeutende Rolle ein. Sein Bau erfordert für eine weltweite Einsetzbarkeit Material mit ASME-Zertifizierung. Bei Jebens erhält der Hydraulik-Spezialist jederzeit ASME-Werkstoff in gewünschten Mengen und Abmessungen. Als Tochterunternehmen von Dillinger hat Jebens zudem Zugriff auf dreifach zertifiziertes Material. „Diese umfangreiche Zertifizierung ist nicht üblich und macht den Werkstoff für uns individuell einsetzbar“, so Kurz. Auch Wolfgang Schwenk, Teamleiter Konstruktion Kranbereich, weiß die sichere Materialverfügbarkeit und die Bearbeitungskompetenz des Unternehmens zu schätzen: „Um die Anforderungen gemäß der Druckbehälterrichtlinie für die USA einzuhalten, benötigen wir einen Partner wie Jebens.“

Ob Brennschnitte, Baugruppen oder fertigbearbeitete Komponenten: Die Erwartungen von Liebherr an den langjährigen Lieferanten sind hoch. Alle Teile gilt es, nach Zeichnung in der vorgeschriebenen Qualität, Menge und Lieferzeit zu fertigen – in Losgrößen von zwei bis 200 Stück. Insbesondere im Projektgeschäft muss die Lieferung obendrein sehr schnell erfolgen, damit Liebherr die Zeitvorgaben seiner Kunden einhalten kann. „Auch aufgrund der lokalen Nähe ist Jebens für uns ein zentraler Lieferant“, sagt Kurz. „Speziell beim zunehmend relevanten Projektgeschäft brauchen wir jemanden, der jederzeit schnell reagieren kann und die notwendigen Fertigungskompetenzen hat.“

Jebens GmbH
Daimlerstraße 35 – 37
70825 Korntal-Münchingen
Tel.: +49 711 80020
info@jebens.dillinger.biz
www.jebens.de

Liebherr-Components Kirchdorf GmbH
St. Vitus 1
88457 Kirchdorf an der Iller
Tel.: +49 7354 800
info.cok@liebherr.com
www.liebherr.com