30.09.20 – Abstreckgleitziehen

Fertigung von Mikrosonden

Für messtechnische Anwendungen werden Mikrosonden aus Tantal benötigt. Gefertigt werden diese aus einer Ronde, die mittels Abstreckgleitziehen über eine Kapillare gepresst wird. Das Ziehverhältnis beträgt β = 1,7. Die Fertigung ebnet den Weg für den Einsatz hochsensibler Temperaturmesstechnik.

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Schematische Darstellung der Fertigungskette von Mikrosonden. © BIAS

 
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Per Abstreckgleitziehen und Lasersublimationsschneiden hergestellte Sonde aus Tantal. © Klett

 

Um Schweißprozesse an die heutigen Anforderungen anzupassen und für künftige Herausforderungen auszulegen, ist ein umfangreiches Prozessverständnis unerlässlich. Es gilt insbesondere Prozessimperfektionen zu vermeiden, die einen signifikanten Einfluss auf die Nahtqualität besitzen, zum Beispiel Poren, Spritzer, damit verbundener Materialverlust in der Schweißnaht sowie eine ungleichmäßige Schweißnaht.

Als Ursache solcher Fehler ist ein unruhiges Schmelzbad anzuführen, das beim Laserstrahltiefschweißen durch eine hochdynamische Dampfkapillare entsteht. Die Dynamik resultiert aus dem Zusammenwirken mehrerer, den Prozess beherrschender Faktoren. Für das Verständnis stellt die Temperatur an der Kapillarwand eine aufschlussreiche Messgröße dar, die aber schwer zu erfassen ist.

Herausforderungen und Prozessführung

Um die Temperatur messen zu können, muss die Zugänglichkeit zum Messort gewährleistet sein. Zudem muss diese Zugänglichkeit hinreichend lange Bestand haben. Dazu gehört, dass beim Tiefschweißen die Dichtheit der Sonde gegenüber der Schmelze gegeben ist. Für Herstellung und Montage der Sonde fiel die Wahl auf das Abstreckgleitziehen. Mit diesem Umformverfahren ist es möglich, durch die Ziehspaltbreite zum einen die auftretenden Falten entlang der Zarge einzuebnen und zum anderen die Dichtheit des Napfes über der Kapillare zu gewährleisten.

Weitere Herausforderungen sind die Handhabung der Kapillare mit einem Außendurchmesser von 1,05 mm und einem Innendurchmesser von 0,65 mm sowie die Platzierung der Tantalronden zentrisch auf dem Ziehring mit einem Durchmesser von 1,16 mm. Positioniert wird die Kapillare daher in einem Adapter, der sich in der Stempelaufnahme einer einachsigen, für Umformprozesse im Mikrobereich optimierten Servopresse befindet. Über einen Kugelgewindetrieb wird die als Stempel fungierende Kapillare auf den Ziehring zubewegt. Über dessen Öffnung befindet sich die Ronde aus Tantal, die auf einer zweiten Ronde aus austenitischem, rostfreien Edelstahl 1.4301 liegt. Beide Ronden sind derart positioniert, dass sie zentrisch über der Öffnung des Ziehrings liegen.

Im Vorfeld der Fertigung zeigte sich, dass die Ronden aus Tantal der Belastung beim Abstreckgleitziehen nicht standhalten und die Folie am Stempelradius reißt. Durch eine zusätzliche Ronde aus dem Werkstoff 1.4301 werden Prozessfehler dieser Art bei der Umformung verhindert. Die Verwendung eines Opferblechs ist im Makrobereich ein probates Hilfsmittel, wenn beispielsweise Grenzformänderungskurven mittels Marciniak-Werkzeug aufgenommen werden. Im vorliegenden Fall bergen der scharfe Stempelradius und der relativ kleine Ziehspalt die Gefahr des Materialversagens am Stempelradius, was durch ein zusätzliches Opferblech vermieden wird. Die Tantalronden weisen eine Dicke von 20 µm und einen Durchmesser von 1,8 mm auf, im Falle der Edelstahlronde beträgt die Dicke 50 µm bei einem Durchmesser von 1,8 mm. Die Rondenpositionierung zentrisch über dem Ziehring wird durch Verwendung einer Zentrierfolie umgesetzt.

Zweistufige Qualitätsprüfung

Nach der Fertigung findet eine visuelle Qualitätssicherung statt. Im ersten Fall wird geprüft, ob eine Beschädigung der umgeformten Ronden durch das Abstreckgleitziehen stattfand und ein hinreichender Reibschluss zwischen der Kapillare und den entstandenen, einseitig offenen Hohlzylindern besteht. Im zweiten Fall sichert die Qualitätsprüfung, dass der Hohlzylinder aus Tantal unbeschädigt aus dem Lasersublimationsschneiden hervorging. Damit das zu messende System nicht durch aufschmelzende Fremdstoffe verändert und so die pyrometrische Temperaturmessung beeinflusst wird, musste in einem zweiten Prozessschritt die Kappe aus Edelstahl im Bereich der Stirnseite entfernt werden. Dies erfolgt durch Lasersublimationsschneiden mittels Ultrakurzpulslaser. Die Sonden werden in einer Bohrung im zu schweißenden Werkstück positioniert und ermöglichen für das Pyrometer den Zugang zum Messort.

Lewin Rathmann, Ronald Pordzik, Bremer Institut für angewandte Strahltechnik
Frank Vollertsen, Bremer Institut für angewandte Strahltechnik, Universität Bremen

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