03.05.22 – Simulationssoftware

Werkzeuginbetriebnahme in einer Stunde

2006 investierte Feinwerktechnik Hago in eine 1250 t starke Transferpresse von Müller Weingarten. Ein Jahr später übernahm Schuler den Pressenhersteller und lieferte seither weitere Anlagen. Zu der Hardware kam 2019 die Software „Digisim“ hinzu, mit der sich der Teiledurchlauf simulieren und optimieren lässt.

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1970 gegründet, ist Hago Feinwerktechnik heute Generalist für hochwertige Blechteile. © Schuler

 
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Produziert wird in Küssaberg mit mehreren Pressen von Schuler und Müller Weingarten. © Schuler

 
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„Wir sind nun seit über 50 Jahren ein Zulieferer der Automobilindustrie“, erzählt Dierk Knoblauch, der seit mehr als drei Jahrzehnten bei Hago arbeitet. Als er anfing, hatte die größte Umformanlage gerade einmal eine Presskraft von 160 t. Heute leitet der Prokurist den Bereich Betriebsmittelbau, zu dem der Werkzeugbau gehört: „vom Auftragseingang bis zur Serienproduktion“, wie er selbst sagt. Auf den Werkzeugen entstehen komplexe Strukturteile für namhafte Automobilhersteller und deren Zulieferer: „Eigentlich schade, dass man sie in den Fahrzeugen selbst kaum zu Gesicht bekommt“, bedauert Knoblauch.

Dass nicht nur die Werkzeugkonstruktion, sondern auch die Simulation des Teiledurchlaufs am Computer sinnvoll ist, weiß Mitarbeiter Patrice Domigall aus seiner zwölfjährigen Erfahrung bei Hago: „Einmal haben wir erst beim Produktionsstart gemerkt, dass eine Führungssäule einem Greifer im Weg war.“ Zur Kollision kam es glücklicherweise nicht, doch durch die Neuprogrammierung der Bewegungskurve ging die Hubzahl in den Keller. Die Folge: „Wir hatten hohe Nacharbeitskosten und konnten das Teil nicht mehr mit Gewinn produzieren.“

Presse war früher einen halben Tag belegt

Die Schuler-Software Digisim hätte die Störkontur gleich erkannt, weiß der Werkzeugkonstrukteur: „Hinzu kommt, dass sich die Inbetriebnahme neuer Werkzeuge spürbar beschleunigt.“ Früher sei eine Presse mindestens einen halben Tag lang belegt gewesen, um die Bewegungskurven zu programmieren: „Heute hat der Maschinenbediener vielleicht noch eine Stunde Arbeit, nachdem er von uns das Datenblatt bekommen und die Werte eingegeben hat.“ Seine Aufgabe sei es nur noch, alles einmal abzufahren und auf mögliche Kollisionen zu prüfen: „Da sind wir um Einiges besser geworden.“

Auch sein Konstruktionskollege Matthias Vonderach, der wie Domigall eine Ausbildung zum technischen Zeichner bei Hago gemacht hat und nun schon 20 Jahre dabei ist, kann sich gut an die Zeit vor Digisim erinnern: „Wenn der Werkzeugraum nicht super ausgeleuchtet war, mussten bei der Inbetriebnahme sechs Leute um die Presse herumstehen und aufpassen.“ Sobald sich Greifer und Werkzeug gefährlich nahe kamen, musste einer die Hand heben: „Weil es sonst einfach teuer wird.“

 In der Simulation mit Digisim werden die Sicherheitsabstände bereits berücksichtigt: „Der Maschinenbediener macht nur noch den Feinschliff. Theoretisch kann er aber auch gleich den Startknopf drücken.“ Das gilt ebenso für die 630-t-Servopresse, die Hago an seinem Standort Iuka im US-amerikanischen Mississippi betreibt, so Vonderach: „Wir schicken das Datenblatt einfach rüber.“

„Die letzten zwei Hübe sind entscheidend“

Bereichsleiter Knoblauch will Digisim künftig auch verstärkt bei der Angebotserstellung einsetzen: „Die letzten zwei Hübe im Vergleich zum Wettbewerb sind entscheidend, ob wir einen Auftrag bekommen oder nicht.“ Doch bei einem Angebot könne man sich auch mal verschätzen – mit schwerwiegenden Folgen: „Wer zwölf Hübe pro Minute verkauft hat und es partout nicht über zehn schafft, muss mit dem Ergebnis leben.“

In den vergangenen vier Jahren hat Hago auch einen Großteil der bestehenden Werkzeuge optimiert. „Wir sind ganz bewusst noch mal rangegangen, um die Performance zu verbessern“, betont Konstrukteur Vonderach. „Bei Digisim ist der Vorteil, dass ich die Optimierung im Vorfeld prüfen kann. Dadurch kann ich recht gut abwägen, ob es sich lohnt, das Geld zu investieren.“

Am besten bei der Konstruktion einsetzen

Domigall nennt einen Beispielfall, bei dem es dank der Software innerhalb weniger Stunden gelang, die Produktionskosten zu senken: „Ohne viel zu tun, konnten wir eine Steigerung um drei Hub erzielen.“ Mit weiteren kleineren Maßnahmen – etwa dem Einsatz von Magneten für eine ruhigere Teilablage – ließ sich die Ausbringungsleistung zusätzlich erhöhen. Am besten sei es jedoch, das Werkzeug gleich von Grund auf auch mithilfe von Digisim zu konstruieren: „Nacharbeit ist immer teurer, mühsam und zeitaufwendig.“

Auch die Sicherheit beim Einfahren neuer Werkzeuge steige deutlich, unterstreicht Vonderach: „Wir gehen mit einem besseren Gefühl hin.“ Weil die Werkzeuge viel Geld kosten, sei immer auch ein wenig Nervosität dabei: „Aber mit Digisim weiß ich, dass die Presse läuft, selbst wenn es mal eng wird. Das beruhigt ungemein.“ Und es entlastet den Maschinenbediener, der sonst in einer lauten Umgebung und oft unter Zeitdruck die Presse programmieren muss. „Die Sicherheit steht doch über allem“, stellt Knoblauch fest. „Wenn es nur bei einem von zehn Werkzeugen zu einem Crash kommt, ist das schon einer zu viel.“

Vollautomatische Optimierung in Vorbereitung

Doch das System habe auch seine Grenzen, ergänzt Vonderach: „Die Realität sieht in Stahl und Eisen manchmal anders aus.“ Faktoren wie Massenträgheit und Schwingungen der Teile, die sich auch bei kleineren Dimensionen durchaus bemerkbar machen, werden derzeit noch nicht in der Software berücksichtigt. Schuler entwickelt Digisim derzeit mit dem Ziel weiter, die einzelnen Optimierungsschritte zu automatisieren.

Bei der Frage, welcher Greifer am besten zu welchem Teil passt, kommt es ebenfalls auf die Erfahrung der Konstrukteure an. „Die Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied“, bringt es Knoblauch auf den Punkt. Oft komme es auch darauf an, das Material gut in die erste Umformstufe hineinzubekommen. Eine leichte Prägung der Platine könne die Schwingung reduzieren: „Das zeigt einem aber kein System, dazu braucht es den Praxisbezug des Konstrukteurs.“

Harmonische und weiche Übergänge

„Wir versuchen, in der Theorie das Maximum herauszuholen“, beschreibt Vonderach seine Arbeit. „Der Maschinenbediener gibt die Werte ein und taktet dann langsam hoch.“ Domigall ergänzt: „Selbst wenn er dann zum Beispiel nur 20 anstatt 25 Hub erreicht, laufen die Bewegungskurven erfahrungsgemäß ruhiger, als wenn er sie von Hand programmiert hätte.“ Die Software würde automatisch harmonische und weiche Übergänge berechnen, zeigt sich Knoblauch begeistert: „Das sieht man richtig, wenn man davor steht.“

„Das schont nicht nur die Maschine, sondern spart auch Energie“, zählt Vonderach weitere Vorteile auf. „Das ständige Beschleunigen und Abbremsen verbraucht ja viel davon.“ Alle drei ziehen deshalb ein rundum positives Fazit nach drei Jahren Erfahrung mit Digisim. „Das ist einfach eine professionelle Art und Weise, eine Transferpresse zu betreiben“, fasst Domigall zusammen.

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