27.08.19

Retrofit anstatt Ersatz

Unitechnik hat bei Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt die hydraulischen Verspann-Antriebe einer Streck-Biege-Richtanlage elektrisch ersetzt. Das Ergebnis ist bares Geld wert. Die Streckgrade sind genauer, die Abläufe stabiler und die Stillstandszeiten gesunken.

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Die neuen elektrischen Antriebe werden geregelt über „Sinamics S120“-Wechselrichtermodule mit Active-Line-Einspeiseeinheit. © Unitechnik

 
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Die bisherigen hydraulischen Verspann-Antriebe der Streck-Biege-Richtanlage wurden ersetzt durch elektrische Antriebe. © Unitechnik

 

Arcelor Mittal zählt zu den größten Stahlherstellern in Deutschland. 7 Mio. t Rohstahl produziert das Unternehmen pro Jahr. Deutschlandweit gibt es vier Produktionsstandorte. Hierzu gehört auch das integrierte Flachstahlwerk in Eisenhüttenstadt. Es ist auf die Produktion hochwertiger Flachstähle spezialisiert.

Teilbereich der Produktion im Kaltwalzwerk ist die Streck-Biege-Richtanlage. Sie richtet Bänder verschiedener Stahlmarken mit 0,4 mm bis 2,25 mm Banddicke und Breiten von 600 mm bis 1850 mm. Bestehend aus vier Rollen, die über je ein Planetengetriebe von einem gemeinsamen Hauptantrieb angetrieben werden, ist die Einheit seit 1978 im Einsatz. „Erzeugt wurde der Streckgrad über veraltete Regelkarten. Vom Hersteller werden dafür allerdings weder Ersatzteile noch Serviceleistungen angeboten“, sagt Mathias Wagner von Arcelor Mittal. „Wir standen daher vor der Frage, ob wir langfristig eine neue Maschine anschaffen oder die bestehende modernisieren.“

Zudem sei die Verwendung eines Messrads zur Geschwindigkeitsmessung störanfällig gewesen und habe zu Ausfällen der Anlage geführt. Gemeinsam mit Unitechnik entwickelte das Unternehmen ein Retrofit, das minimale Stillstandszeiten garantiert. „Die sinnvollste Vorgehensweise war aus unserer Sicht die Modernisierung der hydraulischen Antriebe hin zu einer elektrischen Variante. Im ersten Schritt haben wir daher die neuen Antriebe dimensioniert und die erforderliche Schaltanlage geplant“, erklärt Thomas Hoffmann, Vertriebsleiter Unitechnik Automatisierungs GmbH.

Software regelt Verspann-Antriebe

Zur Auswahl und Optimierung der neuen Antriebe wurden die notwendigen Drehzahlen und Drehmomente komplett neu berechnet. Die Adaption der mechanischen Eigenschaften der Planetengetriebe in das mathematische Modell zur Sollwertberechnung der Verspann-Antriebe war dabei eine besondere Herausforderung. „Dabei war unter anderem zu beachten, dass die übertragbaren Momente und die Momentenverteilung auf die einzelnen Rollen der Streck-Biege-Richtanlage korrekt ausgegeben werden“, erklärt Holger Becker, Antriebsspezialist bei Unitechnik. Um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, hat Unitechnik daher die Software für die Regelung der elektrischen Verspann-Antriebe vor der Inbetriebnahme implementiert und parallel zur laufenden Anlage getestet. Die abschließende Montage und Inbetriebnahme der neuen Verspann-Antriebe erfolgte in einem fünftägigen Wartungsstillstand. „Im Rahmen der Inbetriebnahme haben wir dann zusätzlich noch eine Optimierung der Streckgradregelung vorgenommen“, berichtet Becker. Im Ergebnis beträgt die maximale Bandgeschwindigkeit im Betrieb mit dem Streckrichter 360 m/min. Für das Recken des Bandes steht ein maximaler Bandzug von 250 kN zur Verfügung.

Zur Regelung der Verspann-Antriebe werden „Sinamics S120“-Wechselrichtermodule mit einer Active-Line-Einspeiseeinheit eingesetzt. Die Drehzahl-Istwerte werden über Impulsgeber erfasst. Verschleißbedingte Vibration wird durch zusätzliche Schwingungssensoren erkannt. „Die Regelung haben wir komplett neu entworfen und in einer vorhandenen Simatic-S7-400-Steuerung implementiert“, sagt Becker. Die Drehzahlen der Verspann-Antriebe berechnen sich aus der Drehzahl des Hauptantriebes, den Getriebefaktoren der Planetengetriebe und dem geforderten Streckgrad. Im Ergebnis profitiert Arcelor Mittal von wartungsfreien Verspann-Antrieben. Die aufwändige hydraulische Regelung mit störanfälligen Servoventilen entfällt und die elektrischen Antriebe sind voll in die aktuelle Automatisierungstechnik integriert.

Kein Schlupf mehr zwischen Rollen und Band

Die übertragbaren Drehmomente und die Verteilung der Drehmomente innerhalb der S-Rollensätze lassen sich unter Berücksichtigung der Ein- und Auslaufzüge berechnen. Reibungs- und Beschleunigungsverluste werden durch genaue Drehmomenten-Vorsteuerung kompensiert. Schlupf zwischen Rollen und Band konnte so vollständig eliminiert werden. Mit den neuen elektrischen Antrieben und dem neuen Regelungsmodell ist der Streckgrad an der Anlage nun erheblich genauer und stabiler. Beschleunigungs- und Bremsphasen der Anlage führen nicht mehr zu Abweichungen im Streckgrad. „Überzeugt hat uns vor allem die strukturierte Vorgehensweise von Unitechnik“, sagt Mathias Wagner. „Wir hatten zuvor bereits bei einigen Modernisierungsprojekten erfolgreich zusammengearbeitet. Das war sicher nicht die letzte Anlage, die wir gemeinsam auf neuesten Stand gebracht haben.“

Unitechnik Automatisierung ist ein Unternehmen der Unitechnik Group und ist Anbieter von Industrie-Automatisierung und Robotik. Das Unternehmen plant und realisiert Systeme für die Produktionsautomation und Verfahrenstechnik. Dabei tritt Unitechnik weltweit als Systemintegrator und Gesamtlieferant auf. Professionelles Projektmanagement sowie die kompetente Betreuung der realisierten Anlagen sind die Grundlage langfristiger Geschäftsbeziehungen und sichern die Investition der Kunden. Zu den Referenzen von Unitechnik Eisenhüttenstadt zählen Arcelor Mittal, Daimler, Goodyear, Novelis, Siemens und Thyssen Krupp.

Arcelor Mittal auf der Blechexpo 2019, Halle 10 Stand 10412

Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt GmbH

Werkstraße 1

15890 Eisenhüttenstadt

Ansprechpartner ist Mathias Wagner

Tel.: +49 3364 37-0

info@eisenhuettenstadt.arcelormittal.com

https://eisenhuettenstadt.arcelormittal.com

Unitechnik Automatisierungs GmbH

Seeplanstraße 1

15890 Eisenhüttenstadt

Ansprechpartner ist Thomas Hoffmann

Tel.: +49 3364 501-0

karsten.boldt@unitechnik.com

www.unitechnik.com