13.09.20 – CNC-R-Fertigung

Industrieroboter werden zu Bearbeitungsmaschinen

Die Kinematikstrukturen von Robotern bieten großes Potenzial. Bislang aber konnten herkömmliche Industrieroboter die Ansprüche von Bearbeitungsaufgaben kaum erfüllen, weil sich bahntreue Bewegungen nicht ausführen ließen. Maucher-CNC-Robotic bietet nun Systeme für das Trennen bis hin zum Schweißen.

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Um Roboter auch für komplexe Bearbeitungsaufgaben einsetzbar zu machen, nutzt Maucher CNC-Robotic die Vorteile einer verbesserten Kinematik und zusätzlicher Achsen. © Maucher CNC-Robotic

 
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Die CNC-R-Bearbeitungsmaschinen werden so ausgelegt, dass sie möglichst wenig Produktionsfläche beanspruchen. Damit dies nicht zur Verkleinerung des Bearbeitungsraums führt, wird der Roboter auf einen Sockel gesetzt, der sich frei positionierbar entlang der Bearbeitungszelle anflanschen lässt. © Maucher CNC-Robotic

 
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Dem Team von Robotikexperten im Bodenseeraum ist es jetzt gelungen, Roboter mittels optimierter Kinematik und digitaler Transformation für komplexe Prozesse nutzbar zu machen. 2018 entwickelten sie dafür zusammen mit Siemens, Comau und Maucher Formenbau 2018 erste Bearbeitungsroboter, die mit acht interpolierenden Achsen ausgestattet sind und kein zeitaufwendiges Teaching erfordern.

Schon ein Jahr später entstanden serienreife, roboterbasierte Bearbeitungsmaschinen, die mittlerweile im schwäbischen Meckenbeuren anspruchsvolle Arbeiten verrichten und Komponenten für Automobilhersteller bearbeiten. Durch den Einsatz der CNC-R-Bearbeitungsmaschinen konnte das Produktionsvolumen deutlich gesteigert und Personal für andere Aufgaben abgezogen werden. Seit Anfang des Jahres setzt Maucher-CNC-Robotic diesen Trend fort und entwickelt schlüsselfertige R-Bearbeitungsmaschinen für verschiedene Prozesse – beispielsweise für das Wasserstrahlschneiden, Schweißen oder Heften.

R-Fertigungsprozesse ermöglichen

„Wir arbeiten bereits seit längerer Zeit mit herkömmlichen Industrierobotern“, berichtet Peter Strittmatter, Geschäftsführer von Maucher Formenbau. „Mit einem benachbarten Robotikunternehmen erarbeiteten wir erste Konzepte, wie die Roboter den Sprung vom Handling zur Bearbeitung schaffen können.“ Sie sollten künftig durch ein neu konfiguriertes Steuerungskonzept komplexe Bewegungen bahngenau – statt von Punkt-zu-Punkt – abfahren und dabei Bearbeitungsaufgaben wie Schweißen vollautomatisch übernehmen. Fortan bot der Automobilzulieferer mit verschiedenen Bearbeitungsprozessen die Plattform für das ehrgeizige Projekt. Die Kooperation mit der heutigen BBS Beteiligungs GmbH mündete nach kurzer Zeit in die Gründung von Maucher-CNC-Robotic.

Eines der Hauptziele bei der weiterführenden Entwicklung war es, die Technologie nicht nur für Großunternehmen interessant und erschwinglich zu machen, sondern auch für kleinere Betriebe. Dazu musste die Roboterkinematik um Zusatzachsen erweitert werden und das Gesamtsystem in der Bedienung vereinfacht werden. Aufwendige Teachingprozesse sollten so entfallen. Für die flexible Fertigung in kleinen Werkshallen, sollte die Anlage zudem platzsparend ausgelegt sein.

„Um all das zu gewährleisten, beziehen wir unsere Roboter und Zusatzachsen ohne Steuerung. So können wir in die nackte 8-Achs-Kinematik die Maschinensteuerung integrieren“, berichtet Dirk Brissé, Geschäftsführer von CNC-Robotic Maucher und BBS. „Mit ihr ist es möglich, die Kinematik des Roboters interpolierbar mit zwei zusätzlichen Achsen in bahntreue Bewegungen zu bringen. Durch dieses erweiterte Bewegungsprofil werden Fertigungsprozesse möglich, die so bislang mit Robotern nicht realisierbar waren, beispielsweise das Ultraschallschweißen oder Wasserstrahlschneiden.“

Anpassung per digitalem Zwilling

Programmiert werden die Maschinen mit dem gebräuchlichen G-Code. Dabei nutzt Maucher eigens entwickelte Postprozessoren, über die eine Verbindung zur CAM-Umgebung verschiedener Hersteller hergestellt wird. So lassen sich Bearbeitungsprozesse in einem Radius von bis zu 3,1 m umsetzen. „Die digitale Entwicklung sowie die Programmierung der Bauteile findet parallel zur Bearbeitung im CAM-System statt“, sagt Brissé. „Somit sind rasche Bauteilwechsel bis hin zu Losgröße 1 einfach und kostengünstig realisierbar.“ Außerdem können aufgrund der flexiblen Programmierung die Stillstandzeiten reduziert und der Ausstoß erhöht werden.

Im digitalen Zwilling lassen sich alle prozessrelevanten Daten und Bauteilparameter abbilden und bearbeiten. Der Programmierer erkennt auch Störkonturen, die zu einem Stillstand des Roboters führen könnten. „Selbst die in Performance Level D ausgeführte Sicherheitstechnik der Gesamtmaschine ist im Zwilling abgebildet und informiert während der Programmierung, was machbar und was nicht“, so Brissé. Dies erzeuge nicht nur ein Höchstmaß an Sicherheit, sondern bringe auch Zeitersparnis, etwa beim Umrüsten der Maschinen.

Einfache Einbindung

Wesentliche Faktoren in der gesamten Entwicklungsphase waren neben einer flexiblen Programmierung der Maschinen vor allem die Digitalisierung und Verschmelzung des klassischen Maschinenbaus mit Informationstechnologien. Dazu gehörte unter anderem der Einsatz innovativer Steuerungen in Bezug auf Vernetzung, Ferndiagnose und Fehlererkennung bis zur Ebene der Feldgeräte.

„Um die Bearbeitung in Gang zu setzen, schickt der Programmierer nun einfach über das Intranet seines Unternehmens den Betriebsauftrag nebst Programm zur Maschine. Dieser wird von der Maschine per Barcodeleser mit dem geladenen Programm verglichen“, berichtet Brissé. „Eine falsche Programmwahl ist damit ausgeschlossen.“ Im weiteren Verlauf werden aufgespannte Vorrichtungen per RFID abgeglichen, wobei Nullpunktverschiebungen automatisch erkannt werden. Das Teaching entfällt komplett. Somit kann sich der Maschinenbediener auf die Bestückung der Anlage und die Qualitätsprüfung der Bauteile konzentrieren.

Um auch den Einsatz in kleineren Fertigungsunternehmen zu ermöglichen, wurden die CNC-R-Bearbeitungsmaschinen so ausgelegt, dass sie wenig Produktionsfläche beanspruchen. Damit dies nicht zur Verkleinerung des Bearbeitungsraums führt, wurde der Roboter auf einen Sockel gesetzt, der sich frei positionierbar entlang der Bearbeitungszelle anflanschen lässt. Eine Verschraubung mit dem Hallenboden ist aufgrund der Konstruktion nicht notwendig. Außerdem sind die Roboterzellen so dimensioniert, dass sie Standard-Lkw-Maßen entsprechen, um den einfachen Transport sicherzustellen.

„Wir nehmen die beauftragten CNC-R-Bearbeitungsmaschinen im Werk Friedrichshafen komplett in Betrieb und stellen die Funktionalität sicher“, betont Brissé. „Aufbau und Inbetriebnahme beim Kunden können dann in wenigen Tagen erfolgen.“

Breit angelegter Einsatz

Die CNC-Roboter sind modular aufgebaut und können für verschiedene Aufgaben vordefiniert werden. Bei Maucher Formenbau sind bereits mehrere der Maschinen im Einsatz. „In einem Projekt wurde mit der CNC-R-Bearbeitungsmaschine zum Beispiel das Reinwasserstrahlschneiden von Fahrzeuginterieurteilen mit bis zu 2,6 m Länge und 1,6 m Breite umgesetzt“, berichtet Strittmatter. „In kurzer Zeit konnten mit der 7-Achs-Bearbeitungsmaschine 30 % Taktzeit gegenüber einer 5-Achs-Maschine eingespart werden, ohne Qualitätseinbußen.“ Ausschlaggebend waren unter anderem die präzisere Bearbeitung und der erweiterte Bewegungsradius. Durch die räumliche Anordnung von zwei weiteren Bearbeitungszellen mit jeweils einem Drehtisch und einem mittig angeordneten Roboter lassen sich die Anlagen von einem Maschinenbediener beschicken. Dabei wurde die Produktionsfläche zu vergleichbaren Maschinen nahezu halbiert.

Als weiteres Projekt hat Maucher eine CNC-R-gesteuerte Klebe-Klettmontage-Anlage realisiert. Hier werden unterschiedliche Interieurteile mit Klettband bestückt, sodass sie sich im Fahrzeug einfach montieren lassen. „Heutzutage werden Innenraumteile immer öfter so verbaut, weil der verwendete Kleber zusammen mit dem Klett Temperaturunterschiede sehr gut ausgleichen kann“, sagt Strittmatter. Zudem werden Lärmbrücken zwischen Karosserie und Innenraum sowie Vibrationen vermieden. Die Klebe-Klettmontage läuft in Bearbeitungsschritten ab, die der Roboter heute vollautomatisch umsetzt. „Auch hier zeigten sich schnell die Vorteile der einfachen Programmierung. Früher hätte jedes Bauteil viele Stunden beim Teaching verschlungen“, so Strittmatter. „Diese Arbeiten werden nun vollständig in die Nebenzeit verschoben und fern von der Maschine erledigt.“

Aktuell arbeitet die Maucher CNC-Robotic an weiteren Prozessen im Bereich Ultraschallschweißen, Heften und Dosieren. „Durch die hohe Flexibilität der Maschinen und die sich daraus ergebenen Möglichkeiten sind der Prozessvielfalt kaum Grenzen gesetzt“, resümiert Brissé.

Maucher CNC-Robotic GmbH
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Tel.: +49 151 27035579
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www.maucher-cnc-robotic.de

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