26.09.23 – Dillinger und MAN
Concentrated Solar Power (CSP)-Kraftwerke erfordern außerordentliche Blechgüten
Ganzheitliche Kompetenz von der Erzeugung und Entwicklung neuer Stahlgüten bis hin zur Anarbeitung machen Dillinger zum weltweit aufgestellten Zulieferer für maßgeschneiderte Grobbleche.
Europas nach eigenen Angaben größter Grobblechhersteller mit Stammsitz in Dillingen/Saarland ist ein integriertes Stahlwerk mit über 330- jähriger Tradition. Mit MAN Energy Solutions verbindet Dillinger eine langjährige Zusammenarbeit im Bereich Druckbehälterbau. Seit über zehn Jahren ist der Stahlhersteller im Bereich Solarkraftwerke mit hohen Tonnagen an Grobblechen und Mantelschüssen aktiv, die sich durch große Dimensionen und Stückgewichte auszeichnen. Einsatz finden sie in Dampfgeneratoren, Tanks, Reaktoren und weiteren Druckgeräten aller Art. Zu den aus Dillingen belieferten unzähligen Projekten zählen u.a. die CSP-Solarkraftwerke KHI Solar One in Südafrika, Andasol I in Spanien sowie GTL-Pearl in Katar.
Hohe Anforderungen an eingesetzte Stähle
Das Augenmerk der Konstrukteure von MAN Energy Solutions gilt bei CSP-Solarkraftwerken neben der Optimierung von Leistung und Effizienz auch den erforderlichen Werkstoffen für die hochbelasteten Komponenten. „Die für die Konstruktion von Tanks mit 50 Metern Durchmesser und 60 Millimetern Blechdicke benötigten Stähle sind hohen thermischen, mechanischen und korrosiven Belastungen ausgesetzt“, erläutert Abteilungsleiter Christian Schuhbauer. Für Heißtanks bei Solarturmkraftwerken ist der Einsatz von Edelstahl AISI 347H (1.4961) gängige Praxis. Thermo-Öl, das Arbeitsmedium einer Parabolrinnenanlage, wird üblicherweise bis 400 °C eingesetzt, da es sich bei höheren Temperaturen zersetzt. Dadurch hat auch das Heißsalz in diesem Anlagentyp nur eine analoge Temperatur.
Dillinger bietet für diese Tanks den Kohlenstoffstahl SA 204 C an, in Blechdicken bis 100 mm, einer Breite von 5200 mm und dies mit optimierter Schweißbarkeit. Dieser warmfeste Feinkornbaustahl hat eine hohe Warmstreckgrenze und ist bis zu Betriebstemperaturen von 450°C einsetzbar. Die Kaltsalztanks, in denen das im Dampferzeuger auf 290 – 300 °C abgekühlte Salz gespeichert wird, werden aus dem Kohlenstoffstahl SA 204B gefertigt. Dieser warmfeste Stahl zeichnet sich im Vergleich zum SA 204 C mit einer etwas höheren Streckgrenze aus. Für die Dampfgeneratoren und Wärmetauscher mit Wanddicken von bis zu 110 Millimetern wurde für das Referenzkraftwerk der molybdänlegierte warmfeste Baustahl 16Mo3 gewählt. Eine deutlich leistungsfähigere Alternative bietet Dillinger mit dem hochfest vergüteten Feinkornstahl SA533 B2 – einem bereits vielfach in vergleichbaren Generatoren bewährten Werkstoff in 20 mm bis 200 mm Dicke. Seine Festigkeit ist mit einer Streckgrenze von 485 MPa deutlich höher als die von 16Mo3 (275 MPa). Das erlaubt kleinere Wanddicken der Komponenten und ermöglicht Konstrukteuren somit eine insgesamt leichtere Auslegung. Damit ist SA533 B2 auch für die Salzsammler der Receiverpanels bis zu einer Salztemperatur von 450 Grad Celsius eine interessante Option: Diese Sammler verbinden die Rohre, durch die das Salz mäanderartig zur Erwärmung auf und ab fließt. Jedes dieser Panels ist bei einem 700 MWth CSP Receiver bis zu 25 m hoch und hat eine Breite von 3,5 m. Bis zu sechzehn Panels mit bis zu 50 Rohren sind in einer solchen Anlage erforderlich und bilden einen Receiverdurchmesser von rund 40 m.
Auch für die Tanks erschließen die außergewöhnlich großen, breiten und dicken Bleche von Dillinger zusätzliches Einsparpotenzial: bei Wanddicken und damit an Gewicht, aber auch an Schweißnähten. Steigende Tankdurchmesser von 40 m oder mehr können dank der lieferbaren Blechlängen aus nur einem Blech gefertigt werden, wodurch die Anzahl der Schweißnähte reduziert wird. Auch bei längsnahtgeschweißten Mantelschüssen mit Innendurchmessern von bis zu 3800 mm trägt die lieferbare große Breite und Länge der Bleche dazu bei, die Anzahl der Rundnähte deutlich zu senken.
Ganzheitliche Kompetenz für mehr Effizienz und Sicherheit
Dillinger fertigt auf seiner Vier-Walzen-Biegemaschine in Dillingen auf Wunsch bis zu 4,3 m lange Mantelschüsse mit Wandstärken von über 200 mm je nach Festigkeit, Durchmesser und Blechbreite. Ein Service, den auch MAN Energy Solutions bereits in Anspruch nahm, da das Unternehmen selbst nur bis zu drei Meter breite Bleche umformen kann. Auch ein weiterer Service von Dillinger trägt zur Effizienz des Anlagenbaus für Solarkraftwerke bei: ein auf Länge und Breite exakter Zuschnitt der Grobbleche inklusive Nahtvorbereitung auf hochmodernen Kantenfräsmaschinen. Diese Bearbeitung erfolgt ohne zwischenzeitliches Drehen in einem Arbeitsgang an allen vier Seiten gleichzeitig. Mit extrem engen Toleranzen können so Bleche bis 160 mm Dicke in bis zu 25 m Länge und 5 m Breite bearbeitet werden. Dadurch entfällt beim Verarbeiter nicht nur die Nachbearbeitung der gelieferten Bleche, sondern auch der Schweißprozess wird deutlich verkürzt.
Betriebssicherheit durch metallurgische Vorhersagemodelle
Für Druckgeräte sind die Mindestwerte der Werkstofffestigkeiten per Code vorgeschrieben. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch in den Zusatzanforderungen von Kunden, Verarbeitungsbetrieb und Schweißfachingenieuren. Zur Gewährleistung einer Betriebsdauer von drei Jahrzehnten mit mehreren Reparaturzyklen müssen die Stähle auch nach mehrmaligen Schweißarbeiten mit anschließendem Spannungsarmglühen die geforderten mechanischen Mindest-Eigenschaften unverändert aufweisen. Intensive Diskussionen aller Beteiligten sind hier an der Tagesordnung, bis der Endkunde die Spezifikation der Stähle für seine geplante Anlage freigibt. Dabei gibt Dillinger Anbietern wie MAN Energy Solutions durch besonderen Service und weitreichendes Know-how die Sicherheit, dass die mechanischen Eigenschaften auch bei wiederholtem Reparaturschweißen die relevanten Normvorgaben erfüllen. Möglich machen dies besonders sichere metallurgische Vorhersagemodelle, mit denen Dillinger Kundenspezifikationen auf ihre Machbarkeit überprüft. Insbesondere bei Spezialstählen in großen Dicken, wie sie bei Druckgeräten zum Einsatz kommen, ist dies von großer Bedeutung. Auf Basis von neuronalen Netzen werden die smarten Modelle kontinuierlich trainiert, sodass die Saarländer bereits vor der Produktion eine zuverlässige Aussage zur Umsetzbarkeit der gewünschten Eigenschaften und Risikobewertung machen können. Nach der Stahlherstellung werden die ermittelten Werte nochmals überprüft und im Zeugnis bescheinigt. So können Unternehmen wie MAN Energy Solutions ihren Kunden nachweisen, dass die Stahlprodukte auch bei Mehrflachglühungen die geforderten mechanischen Eigenschaften aufweisen und die Anlage somit für drei oder mehr Dekaden sicher in Betrieb gehen kann. Gleichzeitig haben sie bei Europas größtem Grobblechhersteller auch bei sehr großen Anlagenprojekten die Gewissheit der bedarfsgerechten Skalierbarkeit von Liefermengen.
Info
AG der Dillinger Hüttenwerke
Seit über 330 Jahren lebt Dillinger eine einzigartige Leidenschaft für Stahl. Dabei hat sich Dillinger bis heute einer wortwörtlich „gewichtigen“ Aufgabe verschrieben: der Herstellung von Grobblech – vom Erz bis hin zum maßgeschneiderten Blech und einbaufertigen Bauteil. Ein breites Erfahrungsspektrum, ausgeprägte Forschungs- und Entwicklungskompetenz, kontinuierliche Investitionen und eine vernetzte Innovationsfähigkeit machen den Grobblechhersteller zum weltweiten Qualitäts- und Technologieführer, dessen Stahlgüten mehrheitlich jünger als zehn Jahre sind. Mit diesen Hochleistungswerkstoffen für Einsätze, die extreme Belastbarkeit unter widrigsten Bedingungen erfordern, gehören die Geschäftsbereiche Stahlbau, Maschinenbau, Offshore, Offshore Wind, Linepipe, Baumaschinen, Bergbau, Druckbehälterbau sowie Stahlwasserbau zu den bevorzugten Partnern der Besten dieser Branchen.
MAN Energy Solutions mit Hauptsitz in Augsburg ist ein weltweit führendes Maschinen- und Anlagenbauunternehmen mit über 260 Jahre Ingenieurstradition. Das Unternehmen beschäftigt heute rund 13.500 Mitarbeitende an mehr als 120 Standorten weltweit. Entwicklung und Bau von Turbomaschinen, Schiffsantrieben und Kraftwerksanlagen kennzeichnen das weitumfassende Leistungsspektrum des zum VW-Konzern gehörenden Unternehmens. Die Abteilung neue Technologien in Deggendorf unter Leitung von Dr. Christian Schuhbauer widmet sich dem Themenfeld Erzeugung und Speicherung elektrischer Energie. Eine zentrale Rolle nehmen dabei Dampfturbinen bis 180 MW sowie Salzschmelze-Reaktorsysteme ein. Seit fast 70 Jahren ist das Unternehmen über Europa hinaus erste Adresse für salzschmelzegekühlte Festbettreaktoren für die Chemieindustrie. Die hier gesammelten Erfahrungen im Wärmemanagement fließen seit rund vier Jahren auch in die Entwicklung von Salzschmelze-Receivern von CSP-Solarkraftwerken ein. Jüngstes Projekt ist der Solarturm II des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Jülich.