22.11.22 – Laserbohren
Wie bohrt man eine Million Löcher?
Der Laser ist das Werkzeug der Wahl, wenn es darum geht, eine Vielzahl gleichartiger Löcher nebeneinander zu bohren. Aber welches Lasersystem ist am schnellsten? Und mit welchem Verfahren? Am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik werden seit Jahrzehnten Bohrtechnologien entwickelt und erprobt.
Die Flugzeugbranche steht permanent unter Druck, den Treibstoffverbrauch zu reduzieren. Eine Chance dafür bietet das Prinzip des „Hybrid laminar flow control“: Dabei strömt die Luft mit weniger Widerstand um einen Flugzeugflügel, wenn dessen Oberfläche viele kleine Bohrungen aufweist. Bis zu 10 % Treibstoffeinsparungen sind so möglich. Ähnlich sieht es bei Flugzeugturbinen aus, wo kleine Bohrungen helfen, den Triebwerkslärm zu dämpfen. Ein drittes Anwendungsbeispiel ist Filtertechnik: Hier können Metallfolien, die Bohrungen im Mikrometerbereich aufweisen, Mikroplastik effizient aus dem Abwasser filtern. Die Beispiele belegen, dass in ganz verschiedenen Bereichen viele Bohrungen zu setzen sind. Neben dem Turbinenbau gehören auch die Papierherstellung oder das Kunststoffrecycling zu den Bereichen mit großem Potenzial.
Bohrverfahren und Auswahlkriterien
Laser sind inzwischen mehrere Jahrzehnte im industriellen Einsatz. Neben dem Markieren, Schweißen und Schneiden ist auch das Bohren als nicht spanendes thermisches Trennverfahren eine gängige Technologie. Bei der Auswahl des Bohrverfahrens spielt die Abwägung zwischen hoher Geschwindigkeit und hoher Präzision eine entscheidende Rolle.
Am schnellsten geht es, wenn sich die Bohrungen mit Einzelpulsen durch das Material erzeugen lassen. Das Wendelbohren dauert am längsten, erfordert meist sogar eine spezielle Optik, bietet aber auch eine hohe Präzision. Beim Perkussionsbohren werden mehrere Pulse am selben Punkt gesetzt, um durch das Material zu lasern. Von Trepanieren spricht man, wenn nach einer Durchgangsbohrung die gewünschte Geometrie durch Abfahren der Bohrungskontur ausgeschnitten wird.
Die Präzision der Bohrung und die Qualität der Bohrungswände hängen auch vom Material sowie der Art der Laserstrahlung ab. Kupfer zum Beispiel absorbiert grüne und blaue Strahlung viel besser als das gängige Infrarot. Pulsdauer und Pulsenergie beeinflussen das Ergebnis ebenfalls. Hier bringen etwa Ultrakurzpuls-Laser (UKP) die Laserenergie in extrem kurzer Zeit ein. UKP-Laser können praktisch jedes Material bearbeiten, bieten eine exzellente Oberflächenqualität, brauchen bei der Bearbeitung aber auch die längste Zeit.
Am Fraunhofer ILT werden all diese Verfahren seit Jahren untersucht und optimiert. Entstanden sind hochproduktive Bohrverfahren, mit denen einige 10 bis 100 Bohrungen pro Sekunde hergestellt werden können. Die große Herausforderung ist, auch bei einer hohen Produktivität (Bohrrate) geringe Toleranzen der Bohrungsdurchmesser und eine hohe Oberflächengüte zu erzielen. Hier kommen die Prozesse des On-the-fly-Bohren (OTF) mit Einzelpulsen und das am Fraunhofer ILT entwickelte OTF-Perkussionsbohren zum Einsatz.
Einzelpulsmikrobohren mit dem Laser
Das produktivste der genannte Verfahren ist das Bohren mit Einzelpulsen. Dabei ist stets zu beachten, dass die Geschwindigkeit und die Bohrungsqualität gegeneinander ausbalanciert werden müssen. Die Qualität einer Bohrung lässt sich bewerten durch die Rundheit, die durch den Laser und die Verfahrgeschwindigkeit beeinflusst wird, die Konizität sowie die Oberflächenqualität, die von der Intensität der Laserstrahlung abhängig ist.
Am Fraunhofer ILT wurde das Verfahren so optimiert, dass sich 200 Löcher pro Sekunde in 1 mm starkes Titanblech bohren ließen. Dazu wurde ein Single-Mode-Laser verwendet, mit dem ein Fokusdurchmesser von 12 µm erreicht werden kann, um Bohrungen mit knapp 80 µm Durchmesser zu erzeugen. Gebohrt wurde on the fly, also mit konstantem Vorschub der Optik gegenüber dem Werkstück. Mit den optimierten Prozessparametern wurde ein 2 m langer 3D-geformter Demonstrator eines Flugzeugflügels auf einer 6-Achs-Anlage erfolgreich bearbeitet. Bei einer Geschwindigkeit von 200 Bohrungen pro Sekunde wurden etwa zwei Millionen Löcher pro Quadratmeter auf einer Fläche von etwa 2 m² in unter 3 h gesetzt. Der Durchmesser der Löcher betrug 80 µm. Wichtig war dabei die präzise Steuerung des Abstands zwischen Optik und Werkstück. Dafür wurde eine optische Kohärenztomographie (OCT) eingesetzt, die weder durch Plasma noch durch Spritzer beeinflusst wird und eine Messgenauigkeit von wenigen Mikrometern erreicht.
Perkussionsbohren on the fly
Nicht alle Bohrungen lassen sich per Laserpuls realisieren. Höhere Aspektverhältnisse, gesteigerte Anforderungen an die Bohrungsqualität oder eine Neigung der Bohrung können mit dem Perkussionsverfahren erreicht werden. Größere Durchmesser sind ein weiterer Anwendungsfall für das OTF-Perkussionsbohren. Dabei werden mehrere Laserpulse in die Bohrung geschossen, weshalb die Vorschubgeschwindigkeit eine noch größere Rolle spielt: Die Bohrung muss fertig sein, bevor sich die Optik weiterbewegt, sonst wird die Bohrung schief oder der Laser kann das Material nicht durchdringen.
Die Dauer einer Bohrung hängt dabei von der Zahl der nötigen Laserpulse und der Repetitionsrate des Lasers ab. Der Bohrprozess selbst ist komplexer als bei einem Einzelpuls. Bis zum Durchstich müssen die einzelnen Laserpulse stark genug sein, um das Material weiter aus dem Loch zu treiben. Denn abhängig von den Prozessparametern kann die Schmelze in der Bohrung verbleiben und erstarren, den Laser abschatten oder gar das Loch verschließen.
Am Fraunhofer ILT wurden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt und ein OTF-Prozess für das Perkussionsbohren entwickelt. Durch den Einsatz einer neuen Faserlaserstrahlquelle mit bis zu 20 kW Pulsspitzenleistung und 2000 Hz Repetitionsrate konnten bis zu 30 Bohrungen pro Sekunde in 2 mm dickem Aluminium erzeugt werden. Dabei wurden Bohrungsdurchmesser von 500 µm mit hoher Präzision erzeugt. Die Standardabweichung lag bei Eintritt unter 5 %, bei Austritt sogar unter 2,5 %.
Und wenn das nicht reicht?
Die Laser- und Prozesstechnik entwickelt sich ständig weiter, weshalb in den nächsten Jahren weitere Fortschritte beim Laserbohren zu erwarten sind. Bei den Strahlquellen etwa sind UKP-Laser mit höheren Leistungen in Aussicht. Sie haben zwei wesentliche Vorteile: Zum einen werden die Bohrungen präziser, defektfreier und glatter. Zum anderen können UKP-Laser praktisch alle Materialien bearbeiten. Dem steht bislang nur eine deutlich geringere Arbeitsgeschwindigkeit gegenüber. Im Cluster of Excellence Advanced Photon Sources (CAPS) entwickeln derzeit Experten mehrerer Fraunhofer-Institute Strahlquellen bis weit über 10 kW Leistung einschließlich der nötigen Prozesstechnik. Sie sollen auch das Problem der geringen Produktivität von UKP-Lasern lösen.
Starke Laserstrahlquellen ermöglichen auch den Einsatz von Multistrahloptiken, die unter anderem das parallele Lasern von Hunderten oder Tausenden Bohrungen erlauben. Im Projekt „Simcondrill“ wurden auf diese Weise Filterbleche für Abwasserfilter mit Millionen 10-µm-Bohrungen erzeugt. Mit derart kleinen Bohrungen können die Filter zum Beispiel in öffentlichen Abwasseranlagen eingesetzt werden, um Mikroplastik bis unter 10 µm abzufangen.
Die Multistrahloptiken lassen sich verschieden konfigurieren: Über diffraktive optische Elemente können große Zahlen paralleler identischer Teilstrahlen erreicht werden, über spezielle Flüssigkristallmodulatoren lässt sich die Verteilung der Teilstrahlen fast beliebig definieren. Mit akusto-optischen Modulatoren können zudem Einzelstrahlen an- und ausgeschaltet werden.
In Summe zeigt die Technik des Laserbohrens eine hohe Dynamik. Neue Verfahren werden entwickelt, immer stärkere Laser schaffen das Potenzial für die Erweiterung der Bohrungsgeometrien und -produktivität. Vor allem die Fortschritte bei der Weiterentwicklung von UKP-Strahlquellen werden in den nächsten Jahren viele neue Anwendungen beim Laserbohren ermöglichen.
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