30.07.21 – Materialprüfung

Schneller Werkstofftest für die Blechbearbeitung

Fraunhofer-Forscher haben ein neues Verfahren für die Eingangsprüfung von Blechen entwickelt. Dabei werden bewährte Belastungstests mit einer neuartigen KI-Software kombiniert. Die Software erstellt noch vor dem ersten Bearbeitungsschritt eine Prognose zum Werkstoffverhalten in der Fertigung.

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Für die Kennwertermittlung drückt ein halbkugelförmiger Stempel bis zu einer definierten Tiefe in das Blech. © Fraunhofer IWU

 

Voraussetzung für die problemlose Verarbeitung von Blechen ist eine Qualitätskontrolle, die gewährleistet, dass der je spezifische Werkstoff den geforderten Spezifikationen entspricht. Um das zu ermöglichen, hat das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik jetzt eine neue Lösung vorgestellt: den „Werkstofftester“. Schnell und unkompliziert lassen sich damit Bleche noch vor dem ersten Bearbeitungsschritt prüfen. Die Forscher haben dafür bewährte mechanische Belastungstests weiterentwickelt und mit einer Machine-Learning-Software kombiniert. Diese erstellt eine differenzierte Vorhersage zum Materialverhalten für alle Bearbeitungsschritte der nachfolgenden Fertigung.

Zunächst wird dafür ein kleiner Teil des Blechs abgeschnitten und in die Prüfmaschine gelegt. Hier drückt ein Stempel das Blech bis zu einer vordefinierten Tiefe ein. Ein Kraftsensor misst den Kraft-Weg-Verlauf. „Aus diesen Messergebnissen zieht die Analysesoftware dann Rückschlüsse auf das Verformungsverhalten unter Druck und beurteilt die Tauglichkeit des Blechs für den geplanten Fertigungsprozess“, erläutert Matthias Riemer, Projektleiter am Fraunhofer IWU.

Machine-Learning-Algorithmen steuern Prognoseampel

Damit die Software eine tragfähige Prognose erstellen kann, wird bei neuen Blechsorten zunächst eine Vielzahl von Proben in der Prüfmaschine verformt. Die so generierten Messwerte des Kraft-Weg-Verlaufs dienen als Trainingsdaten für die Machine-Learning-Algorithmen. So entsteht ein Verhaltensprofil des Blechtyps als Referenz. Beim Test einer anderen Materialcharge gleichen die ML-Algorithmen deren Messwerte mit dem vorhandenen Profil ab und visualisieren das Ergebnis in einer Kurvengrafik.

Die Mitarbeiter in der Fertigung erhalten so eine differenzierte Aussage zur Belastbarkeit und zum Verhalten des Materials. Mit technischen Details müssen sie sich dabei nicht befassen. Ein Ampelsymbol in der Werkstofftester-Software gibt Auskunft, ob das Blech „in Ordnung“, „grenzwertig“ oder gar „Ausschuss“ ist. Sollte die Analyse ergeben, dass das gelieferte Blech nicht den vereinbarten Spezifikationen entspricht, kann das Unternehmen weitere Tests durchführen, das Material an den Lieferanten zurückgeben oder den Fertigungsprozess anpassen.

Die eingesetzte KI-Software, die von Experten am Fraunhofer IWU programmiert wurde, funktioniert mit den gängigen Steuerrechnern von Prüfanlagen. Der gesamte Prüfvorgang ist nach 15 Sekunden abgeschlossen.

Werkstofftests nach langer Lagerzeit

Der Werkstofftester stellt eine Abkehr von bisherigen Prüfkonzepten dar, bei denen das Blech nach einem Belastungstest optisch auf Risse oder Defekte untersucht wurde. „Wir betrachten nicht das Material, sondern untersuchen die Messergebnisse mithilfe von ML-Algorithmen. Diese Prognose ist zuverlässiger und differenzierter als ein herkömmlicher Belastungstest“, betont Riemer. Die Tests sind auch dann sinnvoll, wenn die Coils längere Zeit wechselnden klimatischen Bedingungen und damit Alterungserscheinungen ausgesetzt waren. Der Werkstofftester lässt sich entweder als Stand-alone-Variante bei der Eingangsprüfung oder als Inline-Variante am Anfang einer Fertigungsstraße einsetzen. Das System ist zu bestehenden Prüfmaschinen kompatibel.

Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik

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