30.09.22

Drahtbasierte Stentimplantate: flexibel, kompatibel und zukunftsfähig.

Die Nachfrage nach Stentimplantaten zur Behandlung steigt entsprechend der Fallzahlen. Gleichzeitig werden die Anwendungsbereiche immer vielfältiger und erstrecken sich inzwischen von kleinlumigen Anwendung in den zerebralen Blutgefäßen (Durchmesser: < 3 mm) bis zu großlumigen Bereichen bspw. im Magen-Darm-Trakt (Durchmesser: > 20 mm) [4].

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Abb. 1: Beispiele drahtbasierter Stentimplantate. © ITA

 
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Abb. 2: Entwicklung der Eingriffe mit Stenteinsatz in Deutschland. © ITA

 
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Nach Angaben der WHO sind die weltweit häufigsten Todesursachen Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Im Jahr 2016 waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 17,9 Millionen Fällen gefolgt von Krebs (9 Millionen Fälle) die führende Todesursache welweit1. In den Jahren 2007 bis 2017 ist die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 21,1 % gestiegen. Die Zahl der Krebsfälle hat im Zeitraum 2006 bis 2016 um 28 % zugenommen [2, 3]. Als Hauptgründe für den weltweiten Anstieg dieser Krankheiten werden das Bevölkerungswachstum und die steigende Lebenserwartung genannt. Die Entwicklung von Atherosklerose in den Blutgefäßen sowie Tumoren nahe oder in lebenswichtigen Organen gelten als Hauptindikation dieser Krankheitsbilder.

Die Dimensionen, Herstellungsverfahren und Materialien variieren nach medizinischem Anwendungsgebiet und der Wirtschaftlichkeit5,6. Nach derzeitigem Stand der Technik wird ein Großteil der Stentimplantate per Laserschneidverfahren hergestellt (ca. 2/3). Dies gilt insbesondere im kleinlumigen Bereich. Im stark wachsenden Bereich der großlumigen Anwendung werden die Implantate überwiegend drahtbasiert gefertigt (ca. 1/3).

Entwicklung der Fallzahlen
Im vergangenen Jahrzehnt ist die Nachfrage nach Stentimplantaten zur Behandlung von Stenosen, Tumoren oder Anastomosen stark gestiegen. Neben der steigenden Nachfrage in etablierten Anwendungsbereichen wie dem vaskulären System (blutführende Gefäße) nehmen auch die Anzahl der Eingriffe in nicht-vaskulären Anwendungsbereichen (bspw. Gastroenterologie, Pneumologie, Urologie) zu. Dabei ist im vaskulären und nicht-vaskulären Bereich jeweils ein Anstieg um 142% und 42% zu verzeichnen. (Abb.1).

Drahtbasierter Implantate
Der weltweit steigenden Nachfrage stehen derzeit 79 Stent-Hersteller bzw. Vertreiber (exkl. OEM) gegenüber. Dabei sind die meisten der relevanten Hersteller in Deutschland (21) und den USA (20) ansässig. Darüber hinaus sind Implantathersteller in China (6), Korea (5), Indien (4), Frankreich (3), Israel (3) und Japan (2) angesiedelt. Die Anzahl der Produkte nach Herstellerstandort ergibt, dass die meisten Produkte aus den USA (23,3 %), Deutschland (22,6 %), Korea (14,9 %) kommen.

Während der Einsatz von Stent-Implantaten im vaskulären Bereich zur Behandlung von Stenosen schon seit langem als Goldstandard gilt, werden diese zunehmend auch bei der Behandlung von Tumoren oder Anastomosen eingesetzt. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der verfügbaren Produkte in den verschiedenen Fachgebieten wider. So sind mit 257 Produkten 58 % der am Markt verfügbaren Produkte im Bereich der vaskulären Anwendung zu finden. Die weiteren 42 % der Produkte kommen in nicht-vaskulären Bereichen zum Einsatz. So unterschiedliche wie die Anwendungsgebiete sind die Herstellungsverfahren der Implantate. Von den derzeit verfügbaren Implantaten werden 60,9% per Laserschneidverfahren hergestellt und 34,8 % drahtbasiert geflochten (Abb.3).

Das Flechtverfahren lässt sich weiter in die Fertigungsansätze Einfadenflechten, Rundflechten mit einseitig geschlossenen Enden, herkömmliches Rundflechten und eine Mischform aus Flechten und Wickeln (Cross & Hook) unterteilen. Das Einfadenflechten ist mit 50,3 % die am häufigsten verwendete Herstellungsmethode der geflochtenen Produkte. Es folgen das Cross+Hook-Verfahren mit 36,4 %, das maschinelle Rundflechten mit einseitig geschlossenen Enden (8,6%), sowie das herkömmliche Rundflechten (4,6%).

Während geschnittene Stentimplantate überwiegend per Ballondilatation implantiert werden und so kaltverformt die finale, hohe Stützkraft erhalten, eignet sich das Flechtverfahren aufgrund der flexiblen mechanischen Eigenschaften der Strukturen des Produktes insbesondere in großlumigen Anwendungen unter dynamischer Belastung (bspw. Karotis). Im Bereich der vaskulären Anwendungen werden 93 % der Implantate per Laserschneidverfahren hergestellt. Lediglich 5 % der Produkte dieses Bereichs sind geflochten. Im Bereich der nicht-vaskulären Anwendungen sind 75 % der Produkte geflochten, 17 % geschnitten und weitere 6% gestrickt. Im medizinischen Fachbereich der Kardiologie werden 100 % der Stentimplantate per Laserschneidverfahren hergestellt. Im Bereich der Angiologie sind es lediglich 90 %, wobei 8,7 % der Stents geflochten werden. Im Gegensatz dazu werden Implantate im Bereich der Gastroenterologie zu 80 % geflochten, während weitere 18 % per Laserschneidverfahren gefertigt werden (Abb.4).

Die für die Herstellung von Stentimplantaten verwendeten Materialien sind entscheidend für die Funktionalität der Produkte. Dementsprechend werden sie in Abhängigkeit der adressierten Fachgebiete ausgewählt und eingesetzt. Mit einem Anteil von 61,1 % ist Nitinol die in aktuellen Produkten am häufigsten verwendete Legierung, welche sowohl in der vaskulären und nicht-vaskulären Anwendung zu Einsatz kommt. Weiterhin werden insbesondere im vaskulären Bereich Kobalt-Chrom und Edelstahl Legierungen verwendet (Abb. 5).

Die Dimensionen der Stentimplantate folgen den Anforderungen der Indikationen. Ausschlaggebend bei der Auswahl sind unter anderem der Durchmesser sowie die Länge des Implantates. Die Auswertung der Produktvarianten nach Durchmesser ergibt, dass 78 % aller Produktvarianten in den Bereich DStent < 10 mm fallen. Mit 5.527 Implantaten liegen 43 % aller Varianten im kleinsten Durchmesserbereich von DStent = 2 - 4 mm. Die Auswertung der Produktvarianten nach der Länge der Implantate ergibt 68 % der Produkte im Bereich

LStent < 41 mm. In Durchmesser und Länge ist im Bereich D > 10 mm und L > 41 mm eine starke Standardisierung der Produkte zu erkennen.

Während es sich bei den hier vorgestellten Daten um den etablierten Teil der Produkte und Verfahren handelt, entwickelt sich der Markt für Stentimplantate mit dem Ziel verbesserter Behandlungsmöglichkeiten und optimierter, klinischer Langzeitergebnisse ständig weiter. Nach zwei Generationen der Drug-Eluting Stents (DES) folgen degradierbare Implantatmaterialien, bioresorbierbare Gefäßgerüste (BVS) sowie neuartige Fertigungs-technologien wie bspw. 3D- und 4D-Druckverfahren7–9. Während sich drahtbasierte Implantate zunehmend auf dem Weltmarkt durchsetzen, geht die weltweite Suche nach der besten Lösung zur Behandlung von Gefäß- Organobstruktionen weiter.

Die Daten dieses Artikels stammen aus einer am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA) durchgeführten Studie über verfügbare Stentimplantate auf dem Weltmarkt. Der Fokus der Studie liegt auf Produkten marktrelevanter Hersteller aus den USA, der EU und Asien. Das Ergebnis der Recherche ist ein Datensatz von 443 Produkten und 12.743 Varianten (Dimension), mit jeweils mehr als 15 produktspezifischen Aspekten. Die vollständige Studie mit dem Titel „Overview on the Current Global Market of Stent Implants - Market Research 2020 – 21“ ist beim Shaker-Verlag unter der ISBN 978-3-8440-8536-5 erhältlich.

References
[1] WHO, “World health statistics 2020: Monitoring health for the SDGs, Sustainable development goals,” GPW13, 2020.
[2] Fitzmaurice, C., Abate, D., Abdel-Rahman, O., and Abdelalim, A., “Global, Regional, and National Cancer Incidence, Mortality, Years of Life Lost, Years Lived With Disability, and Disability-Adjusted Life-Years for 29 Cancer Groups, 1990 to 2017: A Systematic Analysis for the Global Burden of Disease Study,” JAMA oncology, V. 5, No. 12, 2019, pp. 1749–1768.
[3] Virani, S., Alonso, A., Benjamin, E., and Bittencourt, M. S., “Heart Disease and Stroke Statistics-2020 Update: A Report From the American Heart Association,” Circulation, V. 141, No. 9, 2020, e139-e596.
[4] Stoeckel, D., Bonsignore, C., and Duda, S., “A survey of stent designs,” Minimally invasive therapy & allied technologies : MITAT : official journal of the Society for Minimally Invasive Therapy, V. 11, No. 4, 2002, pp. 137–147.
[5] Bonsignore, C., “SMST 2003: Proceedings of the International Conference on Shape Memory and Superelastic Technologies,” A S M International, Materials Park, 2004, 726 pp.
[6] Stoeckel, D., Pelton, A., and Duerig, T., “Self-expanding nitinol stents: material and design considerations,” European radiology, V. 14, No. 2, 2004, pp. 292–301.
[7] Jiang, W., Zhao, W., Zhou, T., Wang, L., and Qiu, T., “A Review on Manufacturing and Post-Processing Technology of Vascular Stents,” Micromachines, V. 13, No. 1, 2022, p. 140.
[8] Garcia-Garcia, H. M., Serruys, P. W., Campos, C. M., Muramatsu, T., Nakatani, S., Zhang, Y.-J., Onuma, Y., and Stone, G. W., “Assessing bioresorbable coronary devices: methods and parameters,” JACC. Cardiovascular imaging, V. 7, No. 11, 2014, pp. 1130–1148.
[9] Scafa Udriste, A., Niculescu, A.-G., Grumezescu, A. M., and Badila, E., “Cardiovascular Stents: A Review of Past, Current, and Emerging Devices,” Materials (Basel, Switzerland), V. 14, No. 10, 2021.

Die Autoren des Beitrags sind Felix Merkord und Thomas Gries, Institut für Textiltechnik of RWTH Aachen University

Institut für Textiltechnik (ITA)
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